EUMWA:Himmelsstürmer

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Der Europäische Musikworkshop Altomünster ist mit einem furiosen Abschlusskonzert zu Ende gegangen. Der Kurs ist inzwischen eine Institution im Kulturleben des Landkreises und für die teilnehmenden Künstler ein Sprungbrett

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

"Ich bin dein Baum" und "ich bin dein Gärtner" heißt es in einem Lied von Robert Schumann aus seinem Zyklus "Minnespiel". Melanie Gleissner und Daniel Sauer sangen dieses Duett am Samstag beim furiosen Abschlusskonzert des Europäischen Musikworkshops Altomünster (EUMWA). Sie und alle Mitwirkenden zeigten damit noch einmal unüberhörbar, dass der EUMWA aus dem Kulturleben des Landkreises Dachau nicht mehr wegzudenken ist.

Man könnte diese Liedzeilen durchaus auch allegorisch sehen. Der Baum, das sind dann Kinder und Jugendliche, welche die Grundfertigkeiten ihres Instruments beherrschen. Die Gärtner sind ein hoch motivierter und ungeheuer lockerer künstlerischer Leiter Markus Kreul, die bei aller Arbeit tiefenentspannte Organisatorin Claudia Geisweid und die hochkarätigen Dozenten. Sie alle haben die Marktgemeinde zu einem Ort der Spitzentöne gemacht, sind neue Wege gegangen, etwa mit einem Fagott-Workshop oder einem für "elementare Improvisation". Außerdem stellten sie ein Mitmachkonzert im örtlichen Kindergarten auf die Beine. Warum im Kindergarten? "Das ist für die Kinder ein großes musikalisches Erlebnis, nicht nur für die Ohren. Sie hören durch die gemeinsamen rhythmischen Aktionen intensiver zu, Konzentration und Aufmerksamkeit werden geschult", sagt Andrea Friedhofen.

Das Abschlusskonzert im evangelischen Gemeindesaal in Altomünster ist ein musikalisches Feuerwerk. (Foto: Dorothea Friedrich)

Friedhofen ist Professorin für elementare Musikpädagogik. Beim EUMWA fungiert sie als Improvisations-Dozentin. Im Duden ist Improvisation als "musikalische Stegreiferfindung und -darbietung" beschrieben. In Friedhofens Workshops geht es jedoch nicht um neue Kunstfertigkeiten mit Instrument und Stimme, sondern darum, "die Wahrnehmung zu schulen", wie sie sagt. Die Musik gehe in den Körper - und dann empfinde man Rhythmus, Melodie, Interpretation ganz anders und drücke sich ganz anders aus als nur über kognitive Vorstellungen. "Ich nenne das die Verbindung von Eindruck und Ausdruck, wenn ich Musik körperlich und nicht nur geistig spüre, das wirkt auch auf den Zuhörer - er spürt die ganze Persönlichkeit des Musikers, nicht nur sein Instrument." Gemeinsames Musizieren heiße, sich selbst und die anderen wahrzunehmen. "Das bedeutet, sich auch musikalisch zu synchronisieren."

Dieses Konzept ist noch nicht sehr weit verbreitet, wird aber seit einigen Jahren erfolgreich umgesetzt - auch beim EUMWA. Ein Beispiel ist der Auftritt des jungen chinesischen Fagottisten Zhiyong Zhou mit Cellist Guido Schiefen. "Ich habe etwas Angst davor, mit Herrn Schiefen zu spielen, er ist so ein großer Könner", hatte Zhou noch vor einer Woche gesagt. Sein Instrument hat in der selten zu hörenden Mozart-Sonate für Fagott und Violoncello die Hauptrolle. Zhou spielte hoch konzentriert und gab sich ganz der Musik hin, Schiefen nickte immer wieder anerkennend. Das Publikum im voll besetzten Evangelischen Gemeindesaal war gefangen, die Synchronisation stimmte.

Alexander Lakátar ist zum dritten Mal dabei. Er besucht das Markt Indersdorfer Gymnasium und ist zugleich Jungstudent für Gesang am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg. (Foto: Dorothea Friedrich)

Raritäten wie diese Mozart-Sonate einzustudieren und aufzuführen, macht den besonderen Reiz des EUMWA aus. Wann hört man schon mal in einem Kammerkonzert Flöte (Raphael Gärtig), Klavier (Nino Gurevich) und Saxophon (Maria Thomas) als Triobesetzung wie im mitreißenden "Épitaphe de Jean Harlow" von Charles Koechlin? Bei Ludwig van Beethoven denkt man eher an seine Neunte und die "Ode an die Freude" als an seine "Schottischen Lieder".

Aus dieser Sammlung hörte das Publikum "Again my lyre", vorgetragen von der Sopranistin Susanne Müller und den beiden EUMWA-Neulingen Franz und Georg Bruder. Franz (13) spielt Geige, sein Vater Georg Cello. Der dritte im Bruder-Bund ist Anton (11), der Klavier spielt. Die drei waren vom EUMWA so begeistert, dass sie sich gleich für das kommende Jahr angemeldet haben."Es macht so viel Spaß hier und es ist toll so viele andere Musiker zu treffen", sagte Anton.

Das findet auch Alexander Lakátar, der zum dritten Mal dabei war. Der 17-jährige wohnt in Markt Indersdorf, besucht das dortige Gymnasium und ist zugleich Jungstudent am Leopold-Mozart-Zentrum der Universität Augsburg.

Dort studiert Alexander Lakátar Gesang, spielt aber nebenbei noch Klavier. Das allerdings so gut, dass er bereits einen zweiten Preis im Landeswettbewerb von Jugend musiziert gewonnen hat. Und warum ist er immer wieder beim EUMWA dabei? "Hier habe ich Dominik Wortig kennengelernt, und seine Workshops haben mir gezeigt, dass ich nichts anderes will, als Sänger zu werden."

Mitglieder der Familie Bruder zeigen dem Publikum, was in ihnen steckt. (Foto: Dorothea Friedrich)

Für Tenor Wortig, der mittlerweile im Hauptberuf Leiter des Leopold-Mozart-Zentrums ist, war dieser EUMWA in Altomünster so etwas wie Doping in Tönen, weil er mit den Workshop-Teilnehmern ein wunderbares Vokalensemble gründen konnte. Dieses zeigte am Samstag mit Giacomo Puccinis "Requiem aeternam", welche herausragenden Leistungen möglich sind, wenn Können und Motivation stimmen, selbst wenn die Probenzeit ziemlich kurz ist - und wie Bäume der Musik in den Himmel wachsen können, wenn sie gehegt und gepflegt werden.

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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