Erdweg:Sklavenarbeit für unseren Orangensaft

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Markus Hahnel will regionale Ernährung fördern. Auch Anton Kreitmair, Johanna Schiller und Abt Markus Eller (v. l. ) betonen die Wichtigkeit von Lebensmitteln. (Foto: privat)

Die Delegierten der Katholischen Landvolkbewegung appellieren an die Verbraucher, verantwortungsvoll einzukaufen.

Von Anna-Sophia Lang, Erdweg

Viel ist auf der 50. Landesversammlung der Katholischen Landvolkbewegung (KLB) am Petersberg von Verantwortung die Rede. Der frühere Landtagspräsident Alois Glück (CSU) hat das Thema schon zur Eröffnung am Freitagabend vorgegeben. Er war von 2009 bis 2015 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ist ein Mann klarer Worte. Am nächsten Morgen liegt der Schwerpunkt dann auf der Landwirtschaft. Ein Thema, das substantiell mit Verantwortung zu tun hat: gegenüber den Menschen, der Umwelt und allen Geschöpfen. Es geht um die Frage, ob Lebensmittel von der Gesellschaft bloß noch als Konsumgut betrachtet werden. Landvolkbewegung, Landwirtschaft, Lebensmittel. Viele der Delegierten sind selbst Landwirte. Der Bezug ist da.

"Bei Lebensmitteln geht es nicht nur um die Frage, wovon wir uns ernähren, sondern wovon wir leben", sagt Markus Eller, Abt des Klosters Scheyern. Was man isst, sei auch eine Frage der Lebenseinstellung. Verantwortungsvoll mit der Erde umgehen, aus der die Lebensmittel kommen, das ist sein Appell an diesem Tag. Er hangelt sich an einem Regelkatalog entlang, den der Ordensgründer Benedikt von Nursia im Jahr 529 verfasste, der aber erstaunlich aktuell ist. Es geht um das Maßhalten, um Übersättigung und den Unterschied zwischen Wollen und Brauchen, um die Rückkehr zu Regionalität, anstatt Lebensmittel von weit her einfliegen zu lassen und immer nur niedrige Preise bezahlen zu wollen. "Wir haben das Glück, in einem Teil der Erde zu leben, wo wir uns überlegen können, was wir heute essen wollen. Die meisten Menschen können das nicht. Wir tragen eine Mitverantwortung für die gerechte Verteilung von Lebensmitteln."

Nachhaltigkeit statt Gewinnorientierung

Nicht Gewinnorientierung, sondern Nachhaltigkeit solle das Ziel sein, sagt Eller. Er weiß, dass das nicht immer so leicht umzusetzen ist. Vielleicht gerade deshalb ist es das große Thema in den vier Workshops, in denen die Delegierten über verschiedene Zweige der Lebensmittelwirtschaft diskutieren. Johanna Schiller vom Fair Handelshaus Bayern, das seinen Sitz in Amperpettenbach hat, erklärt am Beispiel der Produktion von Orangensaft, wie Großkonzerne den Weltmarkt dominieren und die Lebensgrundlagen von Kleinbauern in Brasilien zerstören. "Wenn man fairen Handel betreibt, muss man keine Subventionen oder sonstige finanzielle Unterstützung mehr bezahlen." Schiller zeigt, dass die Europäer, die größten Abnehmer brasilianischen Orangensafts, einer der Hauptverantwortlichen für das Fortbestehen des ungerechten Systems sind. "Es muss wieder klarer benannt werden, dass das, was dort geschieht, Sklaverei ist."

Verbraucher, so das Ergebnis der Diskussion, müssten sich besser über Hintergründe informieren und Einkaufsgewohnheiten ändern. Eine Forderung, die auch im Workshop des Dachauer CSU-Landtagsabgeordneten und Bezirkspräsidenten den Bayerischen Bauernverbands, Anton Kreitmair, laut wird. Es wird heftig debattiert über die Arbeitsbelastung von Bauernfamilien, die gesellschaftliche Wahrnehmung ihrer Arbeit, die Milchquote und den Unkrautvernichter Glyphosat. Kreitmair lobt die Biosegmente der Discounter, verurteilt aber das Discounter-System. Dennoch könne er verstehen, dass Menschen aus der Region, die am Existenzminimum leben, im Zweifel die billigste Butter kaufen. "Das nehme ich nicht übel." Vor allem aber betont Kreitmair, dass in der Landwirtschaft Entwicklung nicht immer mit Wachstum gleichgesetzt werden solle. "Die Gesellschaft muss sich mit der Frage auseinandersetzen, ob Lebensmittel nur noch ein Konsumgut sind.

Bewusstsein für Lebensmittel stärken

Die Bauernfamilien wollen fair behandelt werden. Um das gestalten zu können, brauchen wir das tägliche Handeln der Verbraucher." Markus Hahnel von der Münchner Gruppe des Vereins Slow-Food rät: "Nicht zu denken aufhören." Slow Food ist eine globale Non-Profit-Organisation, die sich für die Erhaltung regionaler Produkte, saisonale Esskultur, faire und verantwortliche Landwirtschaft einsetzt. "Wir müssen wieder dahin kommen, dass Essen nicht nur als Nahrungsaufnahme gesehen wird, sondern als Bestandteil unserer Kultur und Gemeinschaft." Dafür brauche es vor allem Bildungsarbeit in Schulen. Vor allem in Städten, da sind sich die Referenten einig, fehle es am Bewusstsein für Lebensmittel und deren Herkunft.

Ein Phänomen, das auch Lieselotte Werner, Vorsitzende der Dachauer KLB, feststellt. Um das Bewusstsein für Lebensmittel zu stärken, unterstützt der Kreisverband deshalb schon lange die Initiative "Unser Land" und das Fair Handelshaus. "Das wollen wir noch ausweiten", sagt Werner. Schon jetzt kommen bei der KLB Dachau alle Geschenke aus dem Fair Handelshaus, genau wie der Kaffee bei Veranstaltungen. Mit der Bildungsarbeit im Landkreis wolle man auch "die gegenseitige Verantwortung stärken", sagt Anneliese Bayer. So gab es im Herbst zum Beispiel eine Veranstaltung zum Freihandelsabkommen TTIP. Lebensmittelproduktion - das steht auch mit der globalen Fluchtbewegung im Zusammenhang. Ein ungerechtes Wirtschaftssystem verursacht Armut und zwingt zur Flucht. "Die Menschen brauchen eine Lebensgrundlage", sagt Werner. Eine Tatsache, die Alois Glück schon bei seiner Rede am Vortag benannt hat. Seine Rede hat Anneliese Bayer, die im Beirat des Dachauer KLB sitzt, am meisten beeindruckt. "Er hat gesagt, dass man mit kleinen Schritten etwas verändern kann. Das ermutigt mich."

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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