Energiewende im Landkreis:Wärmequelle Mensch

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Die neue Realschule Dachau hat Vorbildfunktion: Sie spart mehr Energie ein als andere öffentliche Gebäude im Landkreis. Im Haus gibt es keine Heizkörper. Wärmelieferanten sind Schüler und Lehrer.

Rudi Kanamüller

Heizkörper sucht man in diesem Klassenzimmer vergeblich. So vergeblich wie im gesamten Gebäude der neuen Realschule in Dachau eine Heizanlage. Wärmelieferanten sind Schüler und Lehrer. Deren Wärmeabstrahlung und der hohe CO2-Gehalt in der Atemluft wird durch viele kleine runde Bohrlöcher an der Decke abgesaugt.

Die neue Realschule in Dachau-Augustenfeld ist ein Passivhaus. Sie wird im September eröffnet. (Foto: www.joergensen.com)

Andererseits wird durch etliche Lufteinlässe in der Decke der Raum gleichzeitig mit Frischluft versorgt. Dies alles funktioniert durch ein kontrolliertes Ent- und Belüftungssystem, gekoppelt mit einer Wärmepumpe. Die "Komfortlüftung" sorgt im Verbund mit der Wärmekoppelung in erster Linie für eine gute Qualität der Raumluft. So wird die Frischluft, die über Röhren im Erdreich und im Grundwasser geführt wird, im Winter vorgewärmt und im Sommer abgekühlt.

Sollte aber einmal die Grundwasserwärmepumpe durch extreme äußere Faktoren an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit geraten, wäre dies auch kein Beinbruch, sagt Georg Meier, der Sachgebietsleiter beim Landratsamt für den Bereich Hochbau: "Dann springt notfalls der Brenner des Gaskessels ein."

Bestandteil dieses Konzeptes ist es zudem, dass in der gesamten Schule auf konventionelles Lüften der Räume verzichtet wird. Die meisten Fenster lassen sich ohnehin nicht öffnen. Lediglich schmale Segmente sind dafür vorgesehen - eine Vorsorgemaßnahme im Brandfall. So soll verhindert werden, dass man bei einer möglichen Rauchentwicklung die Sicht verhindert oder eingeschränkt ist.

"Insgesamt ist das Gebäude so gut gedämmt," sagt Meier, "dass so gut wie keine Energie nach außen abgegeben wird." Liegt beispielsweise im Gebäude im Winter die Temperatur bei 20 Grad Celsius, dann sinkt bei einer Außentemperatur von 20 Grad minus die Raumtemperatur um maximal zwei Grad ab und liegt - ohne Heizung - dann immer noch bei angenehmen 18 Grad.

Das Klassenzimmer ist einer von etwa 60 Räumen in dem kastenförmigen Riesengebäude an der Theodor-Heuss-Straße. Es gehört zum Vorzeigeprojekt Nummer eins des Landkreises Dachau: die neue Realschule im Stadtteil Augustenfeld, errichtet als Passivhaus. Der Landkreis Dachau setzt damit bewusst "ein Signal in Sachen Klimaschutz und Energiesparen", sagt Meier.

Es bedurfte zuvor erst einer Informationsfahrt des Kreistages nach Klaus im österreichischen Vorarlberg. Dort konnte sich die Dachauer Delegation, mit Landrat Hansjörg Christmann an der Spitze, an Ort und Stelle davon überzeugen, wie ein Schulhaus, errichtet als Passivhaus, funktioniert - und das erfolgreich seit nun schon mehr als fünf Jahren.

Meier gibt zu, dass es "nicht leicht" gewesen sei, hierzulande nach geeigneten Vorbildern zu suchen. Keine Großstadt, keine Metropole hatte ein ähnliches Projekt zu bieten. Die Gemeinde Klaus hat etwas mehr als 3000 Einwohner. "Und die Österreicher", so Meier, "haben uns dann gezeigt, wie es geht."

Dass das Zusammenspiel aller Einheiten funktioniert, dafür sorgen mehrere Computer sowie unzählige Sensoren, Raum- und CO2-Fühler, Mess- und Regelpunkte, die über alle Räume verteilt sind. Sie gleichen durch ein Monitoring pausenlos ab, ob alles passt.

Das gilt auch für den schulinternen Energieverbrauch. Sensoren registrieren, ob sich jemand im Raum befindet. Erst dann, so Meier, gehen die Lichter an und umgekehrt aus. Trotzdem werde es vermutlich über ein Jahr dauern, bis "alle Stellschrauben" des Systems "feinjustiert" sind, gibt Meier zu bedenken.

Mit dem Passivhaus werden zudem Probleme gelöst, die gerade in älteren Schulgebäuden immer wieder für Ärger und Verdruss sorgten: die Überhitzung der Klassenzimmer. In der neuen Realschule wird es dieses Problem nicht mehr geben. Denn bevor dort die Sonne richtig reinknallen kann und noch bevor die Schüler am Morgen ihre Klassenzimmer betreten haben, schottet, wie von Geisterhand gesteuert, ein Sonnenschutz die dreifach isolierten und mit Edelgas gefüllten Scheiben vor der Strahlung ab.

Die Betonhülle der insgesamt rund 34,7 Millionen Euro teuren Schule selbst ist verpackt unter einer 28 Zentimeter mächtigen Dämmschicht. Die Errichtung der Realschule als Passivhaus lässt sich der Landkreis rund 3,5 Millionen kosten. Ein Beschluss, der im Kreistag unumstritten war.

Rekordverdächtig ist auch das Einsparpotential in Sachen Energieverbrauch. 73 Prozent des herkömmlichen Energieverbrauchs können durch die Passivhaus-Konzeption eingespart werden. Energie-Experten haben ausgerechnet, dass der Energieverbrauch pro Quadratmeter und Jahr auf 13 Kilowattstunden sinkt. In Standardbauweise liegt der Verbrauch bei etwa 49 Kilowattstunden. Denn bei konventioneller Bauweise werden rund zwei Drittel der Heizenergie verschleudert - wenn die Fenster zum Lüften geöffnet werden.

Ökostrom finden alle gut. Die Energiewende kommt, aber ihre Umsetzung im Landkreis Dachau wirft viele Fragen auf. Deshalb veranstaltet die SZ Dachau ein Forum vor Ort: "Böse Kernkraft, gute Windkraft - schaffen wir die Energiewende?". Experten und Publikum diskutieren am Freitag, 22. Juli, im Ludwig-Thoma-Haus, Augsburgerstraße 23, in der Dachauer Altstadt über den Weg in eine umweltfreundliche Zukunft. Auf dem Podium sitzen: der Haimhausener Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU), Gerald Nübel, technischer Leiter der Stadtwerke Dachau, und Thomas König, Vorstand der GfA, Gemeinsames Unternehmen für Abfallwirtschaft der Landkreis Fürstenfeldbruck und Dachau. Zusammen mit Herbert Barthel, Leiter des Energiereferats des Bundes Naturschutz in Bayern, und Wolfgang Schölkopf, Leiter der Abteilung Technik für Energiesysteme und Erneuerbare Energien beim Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung, gehen sie der Frage nach, welche Rolle Dachauer Kommunen, Energieversorgungsunternehmen sowie Bürger und Verbraucher für eine gelungene Energiewende spielen. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr.

© SZ vom 12.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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