Ende einer langen Debatte in Dachau:Die Stadt zahlt den Straßenausbau nun doch selbst

Lesezeit: 2 min

Ein neuer Ermessensspielraum ermöglicht es den Kommunen, Bürger zu entlasten - doch der gilt nicht für alle Anwohner

Von Petra Schafflik, Dachau

Das Thema Straßenbau hat in jüngster Zeit die Stadtverwaltung intensiv beschäftigt und viele Bürger in Unruhe versetzt. Denn für die Erneuerung des städtischen Straßennetzes müssen Anwohner zwar nicht mehr bezahlen, seit rückwirkend zum 1. Januar 2018 die Straßenausbaubeitragssatzung abgeschafft wurde. Nach wie vor zur Kasse gebeten werden Bewohner aber, wenn die Straße zu ihrem Haus erstmals hergestellt wird. Doch auch das Kommunalabgabengesetz, in dem diese Zahlpflicht geregelt ist, wurde geändert.

Eine neue Stichtagsregelung sorgte dabei für Panik in der Stadtverwaltung und Sorge bei Anwohnern älterer Straßen. Nun aber geben ein Billigkeitserlass und ein neuer Ermessensspielraum den Kommunen die Möglichkeit, Bürger zu entlasten. Alle Optionen wird die Stadt nutzen, haben die Stadträte im Umwelt- und Verkehrsausschuss einstimmig entschieden. Die immer wieder hitzig diskutierte Liste von Straßen, die noch rasch bis 2021 ausgebaut und bei den Anwohnern abgerechnet werden sollten, wird ad acta gelegt. Keine einzige der "Altanlagen" soll noch zu Lasten der Anwohner fertig gebaut werden.

Aufatmen dürfen die Bewohner der Straßenzüge Webling, Am Kräutergarten, Prälat-Wolker-, Leobad-, Karlsfelder, Aggenstein- und Pacellistraße. Ihre Straßen standen zuletzt ganz oben auf der Liste und sollten bis 2021 auf Kosten der Bürger fertig ausgebaut werden. Hintergrund war eine Stichtagsregelung im Kommunalabgabengesetz (KAG). Danach haben Kommunen künftig nur mehr 25 Jahre Zeit, um eine neue Straße zu bauen und bei den Anwohnern abzurechnen. Konfliktpotenzial bot die Vorgabe, alte Straßen, die schon lange genutzt werden, aber nicht als ordnungsgemäß hergestellt gelten, noch bis 2021 endlich fertig zu stellen und bei den Anwohnern zu kassieren.

Insgesamt ist das kein seltenes Phänomen: Ein fehlender Bordstein, eine zu dünne Asphaltdecke oder eine zu lückenhafte Beleuchtung reichen aus, dass eine Straße offiziell als nicht erstmals hergestellt gilt. Doch in Dachau war rasch klar, dass nicht alle der immerhin 46 betroffenen Straßen bis zum Termin 2021 gebaut werden können. Also wurden Prioritäten gesetzt, Streit mit den betroffenen Anwohnern war vorprogrammiert.

Nun löst sich das Problem, das monatelang alle Beteiligten intensiv beschäftigte, mit einem "Ermessensspielraum" in Wohlgefallen auf. "Wir müssen die Straßen nicht mehr herstellen", erklärte Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Alle alten Straßen gelten ab 2021 als hergestellt. Wenn in diesen Straßen dann in Zukunft eine Sanierung oder ein Ausbau nötig wird, "muss die Stadt selber zahlen." Zu hohe Ausgaben dürften kurzfristig dabei nicht entstehen, hofft der Rathauschef. Immerhin hätten die Bürger mit der Zahlpflicht vor Augen bisher stets signalisiert, "dass die Straße passt."

Freuen dürfen sich auch die Anwohner der Dr.-Muhler-Straße, die bereits 2015 ausgebaut und 2019 dann bei den Bürgern abgerechnet wurde. Durch den neuen Ermessensspielraum, der für Beiträge zwischen 2018 und 2021 gilt, erhalten sie ihr Geld zurück. Bezahlt haben für den Ausbau ihrer Straße in jüngster Zeit auch die Anwohner Am Speckfeld in Pullhausen. Da sie ihre Beitragsrechnung jedoch schon 2016 erhalten haben, ist eine vollständige Erstattung nicht möglich. Für sie gilt ein vom Stadtrat bereits 2018 beschlossener Billigkeitserlass, der ihren Kostenbeitrag von 90 auf 70 Prozent reduziert. Diese Regelung wollte die Stadtverwaltung im Sinne der Gleichbehandlung auch für die Dr.-Muhler-Straße anwenden. Doch die CSU setzte sich für die vollständige Entlastung der betroffenen Bürger dort ein.

Diese Ungleichbehandlung gegenüber den Anwohnern Am Speckfeld sei nicht nachvollziehbar, beklagte Volker C. Koch (SPD). "Gerechtigkeit gibt es in diesem Feld leider nicht", sagte Hartmann. Wichtig zu wissen, ist allerdings, dass nur alte Straßen betroffen sind, die auf dem Papier bisher als noch nicht erstmalig hergestellt galten. Nichts geändert hat sich für tatsächlich neue Straßen, etwa in Neubaugebieten. Dort werden, auch nach der KAG-Novelle, die Anwohner wie schon in der Vergangenheit mit einem Anteil von 90 Prozent ihre Erschließungsbeiträge bezahlen müssen.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: