Einsatz für soziale Gerechtigkeit:Abschied vom Anwalt der Mieter

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Trotz seines hohen Alters hält Thomas Heckenstaller (Mitte) noch immer die Mietersprechstunde ab. Künftig will Vorstand Wolfgang Winter (rechts) mit seinem Team dies übernehmen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Thomas Heckenstaller hat den Mieterverein in Dachau einst gegründet und jahrzehntelang hartnäckig und doch besonnen für die Rechte der 3100 Mitglieder gekämpft. Jetzt zieht sich der 83-Jährige zurück und erntet viel Lob

Von Petra Schafflik, Dachau

Nebenkostenabrechnung, Mieterhöhung oder gar Wohnungskündigung: Wenn sich bei allen Fragen rund um ihre Wohnung Mieter im Landkreis heute fachkundigen Rat holen können, dann ist das ein Verdienst von Thomas Heckenstaller. 1975 gründete der 83-Jährige in seinem privaten Wohnzimmer den Dachauer Mieterverein, der inzwischen 3100 Mitglieder zählt. Nach langen, engagierten Jahren an der Spitze hat Heckenstaller den Vereinsvorsitz längst an Wolfgang Winter abgegeben. Dennoch arbeitete er als Ehrenvorsitzender immer noch bei den Mietersprechstunden mit. "Nun aber wird es Zeit, kürzer zu treten", sagte Heckenstaller am Samstag bei der Jahresversammlung.

Die Veranstaltung stand ganz im Zeichen der Verabschiedung des allseits geschätzten Mietervereingründers, dem langjährigen Weggefährten, Repräsentanten des Bayerischen Mieterbunds. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und weitere Vertreter der Kommunalpolitik dankten für sein stets hartnäckiges wie auch besonnenes Engagement. Es habe harte Auseinandersetzungen mit Vermietern oder auch der Stadt gegeben, erinnerte sich Heckenstaller. "Es ist immer darum gegangen, einen gewissen Ausgleich der Interessen zu finden."

So zahlreich die Redner, so einmütig ihr Dank: Stets habe sich Thomas Heckenstaller für mehr soziale Gerechtigkeit und Menschlichkeit eingesetzt, betonte Hartmann. Er war nie ein Mann der harten Konfrontation um jeden Preis. So dankte sogar die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadtbau, die als größter Vermieter in Dachau ein häufiger Gesprächspartner des Mietervereins war und ist, Heckenstaller. Auch die stellvertretende Landrätin Marianne Klaffki (SPD) würdigte seinen unermüdlichen Einsatz als "Anwalt der Mieter". Und das ohne jegliches Lagerdenken. Denn Heckenstaller saß für die SPD und später für das Bündnis für Dachau im Stadtrat. Doch wenn es um die Interessen der Mieter gegangen sei, "dann haben politische Grenzen nie eine Rolle gespielt", betonte Stadträtin Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU). Auch die ehemalige Dachauer SPD-Bundestagsabgeordnete Uta Titze-Stecher verabschiedete Heckenstaller mit persönlichen Worten, während Ehrenvorsitzender Erwin Heller ein Notizbuch zückte, um mit spitzem Stift die 78 000 Stunden hochzurechnen, die Heckenstaller für die Interessen der Mieter gewerkelt hat. "In einer Kombination aus Menschlichkeit und sozialem Engagement." Gerade der empathische Blick auf das Gegenüber, das Gespräch auf Augenhöhe, lobte Vorsitzender Wolfgang Winter. Und Inge Diehl-Karsten vom Bayerischen Mieterbund ahnt, dass der rührige Gründer vermutlich hin und wieder "ein bissl vorbeischauen wird" im Büro. Heckenstaller, als Träger des Bundesverdienstkreuzes und der Goldenen Bürgermedaille, zeigte sich überwältigt. Noch einmal erinnerte er an sein Credo: "Was bringt ein Entscheid vor Gericht, mit dem womöglich keiner zufrieden ist?"

In diesem Sinn will der Mieterverein auch weiter die Interessen seiner Mitglieder vertreten. Und zwar unter der Leitung von Vorstand Wolfgang Winter sowie seiner Stellvertreterinnen Frauke Odenthal und Ursula Lamp-Köckert, die einstimmigfür weitere vier Jahre in ihren Ämtern bestätigt wurden. Allerdings vermutlich zum letzten Mal, denn 2023 werden einige Vorstände nicht mehr kandidieren, kündigte Wolfgang Winter an. Jüngere Mitstreiter gelte es zu gewinnen. Denn "niemand kann ein Interesse daran haben, dass die erfolgreiche Arbeit nicht mehr weitergeführt werden kann." Denn eine Beruhigung des Wohnungsmarkts ist nicht in Sicht. Der Zuzug in die Metropolregion befeure die Nachfrage nach Wohnungen, sagte Hartmann. Auch die geplanten Investitionen in den sozialen Wohnungsbau reichten nicht aus. "Aber ohne das Engagement der Stadtbau wäre die Situation noch um einiges dramatischer." Weil auch die Zahl der Obdachlosen steige, wird die Stadt weitere Notunterkünfte schaffen. Doch das "schärfste Schwert" bleibe der Neubau von Wohnungen, die zu einem günstigen Mietzins an Dachauer vergeben werden. Eine enorm wichtige Aufgabe, so der OB, denn nicht nur Geringverdiener litten daran, dass die meisten Wohnungen nicht bezahlbar seien, sondern auch Bürger mit mittlerem Einkommen. Abmildern könne die Lage nur der soziale Wohnungsbau. 53 Millionen Euro wird die Stadtbau in den kommenden fünf Jahren dafür investieren. "Denn die Hoffnung, dass der freie Markt das Problem löst, ist eine Illusion." Mit jeder neuen Wohnung auf dem freien Markt "erhöht sich unser Mietspiegel", fürchtet der OB.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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