Einsatz für die Jugend:Aufbruch in die Zukunft

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Peter Bernard, Geschäftsführer des Kreisjugendrings, nimmt nach 50 Jahren Abschied. Er will sich seine Offenheit bewahren

Von Walter Gierlich, Dachau

Alles zusammen genommen sind es fast fünfzig Jahre, die Peter Bernard in der Jugendarbeit tätig ist, davon die letzten drei Jahrzehnte als Geschäftsführer des Kreisjugendrings (KJR) Dachau. Zum Jahresende geht der 64-Jährige nun in den Ruhestand, für den er noch keine Pläne in der Schublade hat. "Ich lasse das jetzt mal auf mich zukommen", sagt er in seinem Büro mit Blick auf einen Hinterhof in der Mittermayerstraße. "Ich lese gerne - Zeitung und Krimis - und gehe gerne Bergwandern", ergänzt er. Und eines betont er nachdrücklich: "Ich möchte offen bleiben für neue Entwicklungen. Die Offenheit, die Jugendarbeit mit sich bringt, möchte ich beibehalten."

Angefangen hat alles, als der junge Dachauer mit 15 Jahren Leiter einer Gruppe der katholischen Jugend seiner Pfarrei wird. Er leitet in den Jahren darauf verschiedene Jugendgruppen und wird schließlich Kreisvorsitzender des "Bundes der Deutschen Katholischen Jugend" (BDKJ). Nach dem Abitur beginnt Bernard ein Studium der Sozialpädagogik und arbeitet danach zunächst in München beim Staat in der Straffälligenhilfe, dann in Dachau bei einem privaten Verein mit schwierigen Jugendlichen. Mit gerade 22 Jahren wird er als Vertreter des BDKJ zum Vorsitzenden des Kreisjugendrings gewählt. Der habe damals noch längst nicht die Bedeutung und das Gewicht gehabt, das er heute genieße, sagt er. Und auch zwölf Jahre später, als Bernard am 1. Mai 1987 vom Ehrenamt des Vorsitzenden auf den Posten des hauptamtlichen KJR-Geschäftsführers wechselt, sind die Strukturen noch längst nicht mit jenen der jetzigen Organisation vergleichbar. Als Geschäftsführer habe er anfangs eine Teilzeitstelle mit 19,5 Wochenstunden gehabt, daneben habe es eine Sachbearbeiterstelle mit noch weniger Stunden gegeben. Heute hingegen beschäftigt der Kreisjugendring 17 Mitarbeiter.

In den 30 Jahren dazwischen hat sich eine Menge getan. Gleich im ersten Sommer nach Bernards Amtsantritt wird der KJR einer der Träger des internationalen Jugendbegegnungszeltlagers in Dachau, das 1983 von der Evangelischen Jugend München-West ins Leben gerufen wurde. Es ist die Zeit, als viele Dachauer, mit der CSU an der Spitze, noch längst nicht bereit sind, sich näher mit der KZ-Geschichte der Stadt zu beschäftigen, als immer noch vom einen und vom anderen Dachau die Rede ist, der 1200-jährigen Künstlerstadt und dem Lager, mit dem die Bürger angeblich nichts zu schaffen hatten.

Peter Bernard verlässt den Kreisjugendring Dachau. Nach jahrzehntelangem Engagement ist er ein profunder Kenner aller Probleme und Entwicklungen in der Jugendarbeit im Landkreis. (Foto: Niels P. Joergensen)

Schon im zweiten Jahr seiner Mitträgerschaft wird der KJR in die erbitterten politischen Auseinandersetzungen über die von einem Förderverein geforderte Jugendbegegnungsstätte involviert. Die Stadt verlangt den Ausschluss des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit aus dem Trägerkreis des Zeltlagers. Die anderen Trägern lehnen das ab, das Zeltlager muss daher 1988 an den Karlsfelder See ausweichen. "Im KJR hat man darüber schon auch gestritten", erinnert sich Bernard. Weil ja einige der Jugendvertreter gleichzeitig in Parteien organisiert gewesen seien, "wurde der Konflikt hineingetragen, aber er wurde auch befriedet". Da die Mitgliedsorganisationen "relativ gleiches Stimmengewicht haben", sei es notwendig, Kompromisse zu schließen. "Und das hat man damals geschafft, man hat sich zusammengerauft."

In den Neunzigerjahren kommt es auch in der Frage der Begegnungsstätte zu einer Kompromisslösung, und 1998 wird das Jugendgästehaus, das heute den Namen "Max-Mannheimer-Haus" trägt, eingeweiht. Es wird von einer Stiftung getragen, ihr gehören der Freistaat Bayern, die Stadt und der Landkreis Dachau an. "Wir hätten es uns pluraler in der Trägerschaft gewünscht, mit mehr Beteiligung freier Träger", sagt Bernard. Doch weil der Förderverein, der ursprünglich erst den Anstoß für das Vorhaben gab, für die CSU ein rotes Tuch gewesen sei, "war es die einzige Möglichkeit, überhaupt etwas zu bekommen", meint er im Rückblick.

Ein Thema, um das ähnlich lang gerungen wird, dessen Ausgang heute aber noch völlig offen ist, ist das angestrebte Jugendkulturzentrum in Dachau. 2006 wird die Initiative dafür auf Betreiben des KJR gegründet und ein Konzept vorgelegt. Mit dem MD-Gelände hätte man auch einen optimalen Standort gefunden, doch wird über dessen Nutzung und Bebauung seit mehr als zehn Jahren diskutiert, werden immer neue Pläne erarbeitet. In diesem Zeitraum sind viele Aktive der Anfangszeit der Initiative längst entwachsen und haben andere Interessen gefunden. Doch der scheidende KJR-Geschäftsführer ist optimistisch: "Meine Prognose: Es wird was, aber man braucht einen langen Atem. Man muss den Bedarf und das Konzept sicher noch mal genau anschauen. Ich sehe es auch nach mehr als zehn Jahren positiv."

Auf die Frage, was er in der Rückschau auf seine 30-jährige Amtszeit für besonders wichtig hält, nennt Bernard als erstes den Einstieg des KJR in die Gemeindejugendarbeit in sechs Kommunen des Landkreises und in die Jugendsozialarbeit an den Mittelschulen in Erdweg, Odelzhausen und Bergkirchen. "Es ist ein großer Erfolg, dass das gelungen ist und seit zehn Jahren gut läuft." Die Zusammenarbeit mit den Gemeinden sei gut, betont Bernard: "Die Gemeinden wissen, was nötig ist, und wir stellen die Fachlichkeit." Zweimal jährlich tagten die Jugendausschüsse, die ein Bindeglied zwischen KJR und den jeweiligen Gemeinden seien und die großen Linie festlegten. Die Jugendpfleger besprächen dann regelmäßig mit den Bürgermeistern das Alltagsgeschäft.

Als "vertrauensvoll und eng" bezeichnet Bernard auch die Zusammenarbeit mit dem Landkreis, "der unser direkter Partner ist". Durch die "Partnerschaft für Demokratie", die er als zweites wichtiges Projekt seiner Amtszeit sieht, sei die Kooperation weiter vertieft worden. Sie wird im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" von der Regierung gefördert und hat das Ziel, Demokratie zu stärken und die Beteiligung Jugendlicher auszubauen. Darüber hinaus freut sich Bernard, dass es durch die Partnerschaft mit dem Landkreis Oświeçim einen Neustart für den Jugendaustausch gibt. Schließlich habe die Erinnerungskultur beim Kreisjugendring schon immer eine wichtige Rolle gespielt.

Enttäuschungen in den zurückliegenden 30 Jahren? Bernard spricht stattdessen lieber von Belastungen. Da seien vor allem die sexuellen Übergriffe eines Betreuers im Zeltlager Ainhofen zwischen 2003 und 2011 gewesen, der dafür zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Ein weiteres belastendes Ereignis sei 2012 dazugekommen: Auf der Rückfahrt von einer Ferienfahrt kippte der Bus um und viele Kinder und Betreuer wurden verletzt, einige davon sehr schwer. Und schließlich die überraschenden Todesfälle eines Anfang 50-jährigen Freizeitleiters und eines 19-jährigen Freizeitbetreuers in diesem Jahr: "Das hat mich persönlich sehr mitgenommen."

Die gesamte Bilanz nach drei Jahrzehnten fällt dennoch positiv aus: "Ich habe es nie bereut, es ist ein sehr schönes Arbeiten beim KJR. Man hat Spielräume, die man gut füllen kann." Wichtig sei es, der Jugend die Demokratie nahezubringen, und auch, dass es Spaß mache, mit jungen Menschen zu arbeiten, die bereit seien, sich zu engagieren. Und am Ende des Gesprächs, noch beim Hinausgehen betont Peter Bernard zum Abschied: "Mir haben die Jugendlichen unheimlich viel gegeben an Ideen und Inspiration. Das ist keine Einbahnstraße, da kommt viel zurück."

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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