Eine Dachauer Persönlichkeit:Im Unruhestand

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Der Erinnerungsort Dachau ist ihm ein Anliegen: Karl Hönle beim Besuch der Ausstellung Führerbauten und KZ Dachau im Josef-Effner-Gymnasium. (Foto: Toni Heigl)

Unternehmer, Politiker, Zeitgeschichtler: Karl Hönle wird 80

Von Walter Gierlich, Dachau

Von Ruhestand kann keine Rede sein, auch wenn Karl Hönle an diesem Mittwoch seinen 80. Geburtstag feiert. Zumindest nicht im beruflichen Bereich, wo er noch immer in zwei Firmen engagiert ist: der Dr. Hönle Medizintechnik GmbH und der Dr. Hönle AG. Etwas kürzer treten will der Jubilar allerdings schon, wie er in seinem Haus in Dachau-Ost erzählt. Dort ist er seit 1971 zu Hause. So wird er den Vorsitz im zeitgeschichtlichen Verein "Zum Beispiel Dachau", den er seit 2003 innehat, demnächst abgeben. Der 1981 gegründete Verein hat gegen den Widerstand von "Betonköpfen", wie Hönle manche früheren Stadträte nennt, viel dazu beigetragen, Dachau zu einem Erinnerungsort an die KZ-Vergangenheit zu machen. "Eigentlich wollte ich noch das 40. Jubiläum als Vorsitzender mitmachen", bedauert er ein wenig, aber der Aufsichtsratsvorsitz in der Dr. Hönle Aktiengesellschaft bringe immer höhere Anforderungen mit sich.

Älteren Dachauern dürfte Hönle wohl vor allem als einstiger Kommunalpolitiker bekannt sein. Er saß schließlich sechs Jahre lang im Stadtrat und war von 1990 bis 2008 zudem Mitglied des Kreistags für die FDP, ehe mehrere Neumitglieder in einer Art Putsch sowohl den Dachauer Ortsverband als auch den Kreisverband der Liberalen übernahmen. Mit der Politik war danach Schluss für Hönle, den es schon in Studentenzeiten als Wähler zur FDP hingezogen hatte, nachdem der damalige Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) kritische Intellektuelle als Pinscher beschimpft hatte. Beigetreten ist er, der sich selbst als linksliberal bezeichnet, der Partei 1982, wenige Monate, bevor sie die Koalition mit der SPD verließ. Bereits 1984 trat er dann erstmals zur Stadtratswahl an, wenn auch vergeblich. Erst 1990 klappte es, und 1991 schließlich übernahm er den Ortsvorsitz der Freien Demokraten, den er bis 2008 innehatte. Ist er heute noch FDP-Mitglied? Na ja, das sei unklar, so die Antwort. Er sei nie ausgetreten, zahle aber keine Beiträge mehr.

Der am 27. November 1939 geborene Hönle stammt aus Zwiefaltendorf, einem kleinen Ort an der oberen Donau in Baden-Württemberg. Doch gleich nach dem Abitur hat es ihn ins benachbarte Bayern verschlagen, zunächst zur Bundeswehr, anschließend zum Physikstudium an der Technischen Universität (TU) München. Ins Oberschwäbische zog es ihn seither nicht mehr zurück, denn, so betont er, "die Leute dort sind viel obrigkeitshöriger und die Bürokratie ist in Baden-Württemberg viel rigoroser als in Bayern". Und er setzt noch eins drauf: "Filbinger wäre auch ein Grund gewesen, das Land zu verlassen." (Hans Filbinger/CDU war von 1966 bis 1978 Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Er musste 1978 zurücktreten, als bekannt wurde, dass er als Marinerichter noch 1945 an einem Todesurteil wegen "Fahnenflucht" beteiligt gewesen war.) Nach dem Studium arbeitete der mittlerweile promovierte Physiker bis Ende 1975 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU, ehe er 1976 mit zwei Kommilitonen in Dachau die Firma Dr. Hönle gründete, die sich zunächst mit Medizintechnik für Dermatologen und UV-Bestrahlungsgeräte beschäftigte.

Schon nach einem Jahr verlegte man den Firmensitz nach München, später nach Gräfelfing. "Ende 1978 war klar, dass die Firma läuft." Weil der Chefposten aber "sehr familienunfreundlich war", wie Hönle rückblickend sagt, überließ er ihn einem Mitgründer und zog sich auf die Funktion des zweiten Geschäftsführers zurück, die er 20 Jahre behielt, bis das UV-Unternehmen 1999 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. 1979 erhielt Hönle zudem einen Ruf an die Fachhochschule München auf eine Professur für Optik. Die Sparte Medizintechnik wurde später als GmbH ausgegründet und ist mehrheitlich in Besitz Hönles, der dort bis heute der Geschäftsführung angehört. Die Firma hat etwa 30 Mitarbeiter. Die Dr. Hönle AG hingegen, die 2001 an die Börse ging und heute im S-Dax gelistet ist, beschäftigt circa 650 Leute, hat zahlreiche Tochtergesellschaften und Standorte in Deutschland, Frankreich, den USA, China und Korea. Dieses Unternehmen, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Hönle ist, produziert unter anderem Geräte für UV-Strahlung, Beleuchtungsanlagen und UV-Kleber. Bei der Fertigung von Bausätzen für Druckmaschinen zum Aushärten von Farben "sind wird sogar Weltmarktführer", betont Hönle. In einem Ranking des Handelsblatts liegt die AG von 3500 untersuchten Unternehmen gar auf Platz 25 der wachstumsstärksten Mittelständler Deutschlands 2019.

Nach der Firmengeschichte noch einmal zurück zu den Anfängen in Dachau. Vor der Politkarriere stand nämlich ein anderes Amt, das ebenfalls großes Engagement erforderte: der Vorsitz im Elternbeirat der Schule seiner beiden Töchter. "Es gab damals in Dachau keinen einzigen Fußgängerüberweg", erinnert er sich. Deswegen hätten sich mehrere Elternvertreter zusammengetan und einen "Arbeitskreis Sichere Straßen" gegründet. "Wir haben durchaus etwas bewirkt", erklärt er. Man habe etwa erreicht, dass die ersten vier Übergänge an der Theodor-Heuss-Straße, der Sudetenlandstraße, der Erich-Ollenhauer-Straße und am Bürgermeister-Zauner-Ring geschaffen wurden.

Vor einigen Jahren zog es Karl Hönle dann doch wieder ein wenig an seinen Heimatort Zwiefaltendorf zurück. Er kaufte dort einen alten Bauernhof, renovierte ihn und machte das Gästehaus "Bauer am Bach" daraus. Nein, Wirt ist er deswegen im Alter nicht auch noch geworden, aber zum Leidwesen seiner Frau lässt er sich alle zwei bis drei Wochen dort blicken. Um nach dem Rechten zu schauen.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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