Ein Mäusebuch aus der Region:Der kindliche Blick

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Andrea Christine Wilfer und ihre Dachauer Geschichten

Von Dorothea Friedrich, Dachau

Der Literaturnobelpreisträger John Steinbeck erzählt in seinem 1937 erschienen Roman "Von Mäusen und Menschen" vom Schicksal zweier Wanderarbeiter. Im kürzlich erschienen Kinderbuch "Auf Mäusepfoten durchs Dachauer Land" macht sich die Dachauer Stadt- und Schulmaus mit dem hübschen Namen Apollonia Pachomia Theobalda Mayerhofer - genannt Lina - in der Aktentasche einer Lehrerin, die als sogenannte "Mobile Reserve" arbeitet, auf eine abenteuerliche und lustige Reise durch Stadt und Landkreis. Andrea Christine Wilfer hat die Erlebnisse dieses ungleichen Wanderarbeiter-Duos unter Mitarbeit von Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter aufgeschrieben. Die Schwarzweiß-Illustrationen stammen von der Odelzhausener Grafikerin Susanne Beier. Erschienen ist das Buch im Dachauer Bayerland-Verlag.

Regionalität pur also. Und die hat ihren Grund, wie Autorin Wilfer nach einer Lesung der SZ sagt. "Es gibt kaum Bücher für Kinder, mit denen sie den Landkreis entdecken können". Ausnahmen seien die Bücher von Klaus Münzenmaier "Beiß ins Bein und Taschenklau" sowie "Archebald". Mit Kreisheimatpflegerin Birgitta Unger-Richter habe sie schon früher Museumsprogramme für Schüler organisiert. So sei die Idee für ein Kinderbuch entstanden.

Birgitta Unger-Richter habe mit ihr gemeinsam vier Jahre lang in jeder Landkreisgemeinde recherchiert. Ziel sei gewesen, ein Buch zu schreiben, "mit dem sich die Heimat kindgemäß entdecken lässt". Wilfer hat in das "Mäusebuch", wie sie und die Kreisheimatpflegerin das Werk liebevoll nennen, eigene Erfahrungen einfließen lassen. Sie habe ihren beiden mittlerweile erwachsenen Töchtern schon immer gerne Geschichten aus der Region erzählt. Auch in den zehn Jahren als Lehrerin an der Klosterschule Dachau sei es ihr wichtig gewesen, ihren Schülern die Heimat nahezubringen.

Heiter und märchenhaft vielschichtig sind die Bilder. (Foto: oh)

In der Klosterschule wohnt übrigens auch die Heldin des Kinderbuchs, die Schulmaus mit dem langen Namen. Dessen Bestandteile "Pachomia und Theobald seien eine Reverenz an zwei ehemalige Nonnen vom Orden der armen Schulschwestern, die im 19. Jahrhundert dort unterrichtet hatten, sagte Wilfer. Apollonia dagegen sei zufällig gewählt und habe keine Beziehung zur letzten Nonne des inzwischen aufgelösten in Altomünster.

Doch zurück zur Entstehungsgeschichte des Mäusebuchs: Wilfer war selbst mobile Reserve im Schuldienst, wie das Wanderleben der Lehrer im Bürokratendeutsch heißt. In dieser Zeit habe sie den Landkreis gründlich kennengelernt, sagt sie. Das habe ihre Neigung, "mir was vor der Haustür anzuschauen", noch bestärkt. Seit zwei Jahren unterrichtet sie an der Grundschule Bergkirchen. Das Mäusebuch bezeichnet sie nach seiner langen Entstehungsgeschichte "ein Geschenk, das ich mir selbst zum 50. Geburtstag gemacht habe".

Die aus Odelzhausen stammende Grafikerin Susanne Beier hat die Mäusegeschichten gezeichnet. (Foto: Bayerand Verlag / oh)

Ein Geschenk, das bei der Zielgruppe, den Kindern im Landkreis, gut ankommt, wie sich bei einer Lesung zeigt. Mucksmäuschenstill lauschen die Zweitklässler der Grundschule Bergkirchen den Erlebnissen der Stadtmaus Lina und ihres Freundes Mäuserich Poldi in und um Bergkirchen. Eifrig recken sich die Finger, wenn Wilfer fragt, wo sich denn dieses oder jenes zugetragen haben könnte. Schließlich hat sie in ihr Buch auf unterhaltsame Art einiges an "Unterrichtsstöffchen" eingemogelt", wie sie sagt. Was den (Vor-)Lesespaß entschieden steigert. In Bergkirchen hat Wilfer ein Heimspiel. Die achtjährige Kiki beispielsweise ist vor allem "neugierig, was unsere Lehrerin noch so schreibt". Hanna, sie ist sieben Jahre alt, will demnächst mit ihren Eltern einen Ausflug in den Landkreis machen. "Mit dem Auto, nicht auf Mäusepfoten", betont sie.

Das wird Kreisheimatpflegerin Unger-Richter freuen, denn für sie soll das Mäusebuch gleich mehrere Ziele erreichen: Es soll "Heimatgeschichte für ein junges Publikum sein, die ansprechend in eine Geschichte eingebunden ist". Zugleich soll es ein "Heimatbuch für Lehrkräfte sein, die mit diesem Buch ihren Schülern anschaulich die zum Teil auch für sie unbekannte Heimat entdecken können. Viele Grundschullehrer kommen ja aus anderen Teilen Bayerns in den Landkreis." Deshalb sei auch jede Landkreisgemeinde vertreten, sagt sie. Ebenso wichtig sei ihr, dass Brauchtum und kulturelle Offenheit ihren Platz gefunden hätten.

Autorin und Lehrerin: Andrea Christine Wilfer. (Foto: Niels P. Joergensen)

Diese hohen Ansprüche hat Wilfer in eine unterhaltsame Mäusegeschichte verpackt. Sie ist gewissermaßen der Speck, mit dem die Autorin Lesemäuse lockt. Wilfer lässt sich ganz auf ihre junge "Zielgruppe" ein. Leicht verständliche, kurze Sätze garantieren ein ungetrübtes Lesevergnügen - nicht nur bei Kindern. Bei einem Lesenachmittag mit jungen Flüchtlingen zeigt sich, dass die einprägsame Sprache der Mäuseabenteuer Lust auf Entdeckungstouren durch die neue Heimatgemeinde jenseits von S-Bahn-Station und Supermarkt machen. Nicht zuletzt verlocken die vielen Rezepte, die sich ebenfalls im Buch finden, zu Begegnungen mit der bayerischen Küche und der Lebensart des Dachauer Landes.

Andrea Christine Wilfer: Auf Mäusepfoten durchs Dachauer Land. Bayerland-Verlag. ISBN 978-3-89251-496-1.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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