Ehemaliges SPD-Büro:Große Kunst auf kleinem Raum

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Die neue Werkserie "Sternzeichen" des Neoexpressionisten Markus Lüpertz ist die furiose Auftaktausstellung. (Foto: Toni Heigl)

Zur Eröffnung seiner Galerie in der Altstadt zeigt Josef Lochner brandneue Werke von Markus Lüpertz.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Zweifellos gehört der Neoexpressionist Markus Lüpertz zu den wichtigsten Künstlern seiner Generation; sowohl der Malerei wie der Skulptur hat der extravagant auftretende Malerfürst seit 1960 neue Wege gewiesen. Die Kunsthalle München widmet ihm im Herbst eine große Retrospektive. In der kleinen Stadt Dachau gab es in den vergangenen Jahren auch schon zwei Lüpertz-Ausstellungen, allesamt organisiert vom Dachauer Kunstliebhaber und -sammler Josef Lochner. Die letzte liegt noch nicht mal ein Jahr zurück, nun kommt schon die nächste. Sie dürfte noch größere Anziehungskraft entfalten als die vorangegangen, denn sie zeigt die brandneue Werkserie "Sternzeichen", die bislang erst einmal gezeigt worden ist: in Frankfurt.

"Die Eröffnung soll ja ein Knaller werden", sagt Lochner und lacht über seinen gelungenen Coup. An diesem Samstag um zehn Uhr nimmt seine kleine Galerie in der Altstadt offiziell den Betrieb auf, genauer gesagt in der Konrad-Adenauer-Straße 7, wo in den vergangenen Jahren der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll sein Bürgerbüro hatte. Noch sind die Schaufenster mit Packpapier verhängt. Es soll spannend bleiben bis zum Schluss.

Alle Umbauarbeiten sind abgeschlossen

Inzwischen sind alle Umbauarbeiten abgeschlossen, der Putz erneuert, die Wände gestrichen und schwenkbare Spots mit einer Farbtemperatur von 4000 Kelvin installiert, die die ausgestellten Werke in einer tageslichtähnlichen Helligkeit bestens zur Geltung bringen. An den Wänden hängen zwölf Farbholzschnitte, davor stehen auf unterschiedlich hohen Stelen die korrespondierenden zwölf handbemalten Bronzeskulpturen, die - wie der Titel nahe legt - die Sternzeichen zeigen: Steinbock, Widder, Löwe und wie sie alle heißen in der einzigartigen Lüpertzschen Ästhetik, in der sich die Grenzen von Malerei und Bildhauerei auflösen. "Bei einer klassischen Skulptur weiß man, wie sie von hinten aussieht, wenn man sie von vorne gesehen hat", erklärt Josef Lochner.

Mal fehlt ein Arm, mal ein Kopf -das Fragmentarische isteine Reverenz an die Antike. (Foto: Toni Heigl)

Bei Lüpertz ist das anders. So steht mitten im Raum auf einer Stele der Stier, besser gesagt, sein Schädel, und streckt dem Betrachter die Schnauze wie aus dem Erdboden auftauchend entgegen, von Körpern und Beinen sieht man nichts, dafür steht neben ihm, ein blau bemalter Torso, der sich in die gegengesetzte Richtung wendet, ohne Kopf. Die Figuren sind, wie man es von Lüpertz kennt, nicht filigran-naturalistisch, sondern archaisch-wuchtig, geniale "Bazel"-Figuren in expressionistischer Manier. Dass mal ein Kopf oder ein Arm fehlt, stört nicht, selbst zwei halbe Zwillinge, die bereits über dem Bauch abbrechen, ziehen über die gekonnte Ausarbeitung von Stand- und Spielbein so viel Spannung, dass es der Wirkkraft der Figur keinen Abbruch tut. Auch ohne Arm und Bein hat hier alles Hand und Fuß. Das Fragmentarische ist eine Reverenz an die Antike, deren Originalwerke heutzutage von der Zeit versehrt sind. In den Museen begegnen sie uns als Oeuvre in einheitlichem Marmorweiß, dabei waren sie, wie man heute weiß, früher in strahlend Farben angemalt. An diese Tradition knüpft Markus Lüpertz an, wenn er die Skulpturen koloriert.

Mit Motiven alter Mythen arbeitet Lüpertz schon lange

Ganz so bunt wie früher treibt es der Malerfürst in der neuen Serie allerdings nicht mehr. Die rund 40 Zentimeter hohen Figuren, beziehungsweise Figurengruppen, sind meist nur zweifarbig bemalt, es dominieren, Ockergelb, Mintgrün, Rosa oder Himmelblau. Um diese Zurückhaltung des großen Meisters ist Josef Lochner froh, der Gesamteindruck in seinem kleinen Ausstellungsraum wäre sonst vielleicht etwas zu unruhig gewesen. Die Grafiken greifen die Farben auf oder auch nicht, manchmal scheinen sie das Konzept der Skulptur zu konterkarieren. Es ist spannend zu sehen, wie Lithografie und Bronze spannungsreich korrespondieren, wie sie malerische und skulpturale Elemente verbinden.

Die Sternzeichen zeigen: Steinbock, Widder, Löwe und wie sie alle heißen. (Foto: Toni Heigl)

Mit Motiven alter Mythen arbeitet Lüpertz schon lange. Bei der ersten Schau im Frankfurter Palmengarten offenbarte er allerdings, dass am Anfang dieses Motivkreises gar nicht die Sternzeichen als solche gestanden hätten. So sei der Zwilling zu Beginn nichts weiter als eine Skulptur mit den Torsi zweier Mädchen gewesen. Er wolle die Betrachter zur "Realisierung ihrer Fantasien" bringen, ließ Lüpertz wissen. Josef Lochner gibt den Werken für dieses freie Schweifen der Imagination genügend Raum. "Ich hatte zuerst Angst, dass es zu eng wird", gibt er zu. Die Galerie ist nur ein kleiner Raum von knapp 50 Quadratmetern, und bei einer geschlossenen Serie wie den "Sternzeichen" kann man ja schlecht ein Motiv aussparen.

Der große Meister selbst wird wahrscheinlich nicht vorbeischauen, aber ganz sicher weiß man das bei ihm nie

Zusammen mit seinem Kompagnon Gerhard Niedermair hat Josef Lochner ausgetüftelt, wo welches Werk hinkommt. Die Sternzeichen laufen chronologisch im Uhrzeigersinn durch den Raum, der manche Eigenheiten wie Säulen und Winkel bereithält. Die Stelen, auf denen die Skulpturen stehen, sind unterschiedlich hoch, sodass nicht die Gefahr statischer Gleichförmigkeit besteht. "Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden", sagt der Galerist. Die Sternzeichen und das neue kleine Kunstdomizil scheinen wie füreinander gemacht. "Ich hoffe jetzt natürlich, dass wir viele Besucher bekommen, auch aus München." Der große Meister selbst wird wahrscheinlich nicht vorbeischauen, aber ganz sicher weiß man das bei ihm nie. "Lüpertz ist sehr spontan."

Eine Vernissage soll es am Samstag ausdrücklich nicht geben, die kleine Galerie hat für einen großen Event schlichtweg nicht genügend Platz. "Wenn es zu voll ist, muss man eben noch eine Runde in der Altstadt spazieren gehen", sagt Lochner pragmatisch. Kaufen kann man die auf jeweils 30 Stück limitierten Werke auch, allerdings sind die, wie zu erwarten, nicht ganz billig: Für eine Bronze muss man einen fünfstelligen Betrag hinlegen. Aber man kann sie auch einfach so anschauen. Eintritt kostet die hochkarätige Schau nämlich nicht. Lochner ist es Lohn genug, wenn das Publikum seine Begeisterung für die Kunstwerke teilt.

An diesem ersten Wochenende ist die Galerie extra lang geöffnet: am Samstag, 19. Januar, von 10 bis 18 Uhr und am Sonntag, 20. Januar, von 13 bis 17 Uhr. Die regulären Öffnungszeiten sind danach Samstag 10 bis 13 Uhr und Donnerstag 16 bis 19 Uhr. Sie kann aber auch nach Absprache mit Josef Lochner besucht werden. Zu sehen sind die "Sternzeichen" bis 31. März.

© SZ vom 17.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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