Doppelausstellung in der KVD-Galerie:Leid und Schönheit

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Katrin Schürmann und Imke Rust sind auf derselben Farm in Namibia aufgewachsen. In einer Ausstellung reflektieren sie ihre Jugenderinnerungen, thematisieren aber auch die nicht aufgearbeiteten Verbrechen aus der deutschen Kolonialzeit

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Eine Rinderfarm in Namibia, zwei Künstlerinnen, zwei Generationen, zwei Sichtweisen - und nun eine gemeinsame Ausstellung in der Galerie der KVD. Imke Rust malt deutlich figurativer, mit dicken Linien, kräftigen Farben, nah an der Realität und an Themen von aktueller politischer Brisanz. Für Katrin Schürmann ist ihre Jugend in Namibia nur noch eine Erinnerung aus der Ferne, festgehalten auf verschwommenen Fotografien, diffus, abstrakt, schwarz-weiß.

Vor zwei Jahren sind sich die beiden Künstlerinnen das erste Mal begegnet, bei einer Ausstellung in München. Wie zufällig ihre Lebensgeschichten verwoben sind, fanden sie später heraus: Beide sind auf derselben entlegenen Farm in Namibia aufgewachsen, das Gelände rund 7000 Hektar groß, die nächste Farm zehn Kilometer entfernt, das nächste Dorf 30 Kilometer. Die Familie von Imke Rust kaufte die Farm den Eltern von Schürmann ab, als diese selbst schon seit Jahren in Deutschland lebte. Während Rust die Zeit auf der Farm als einsam beschreibt, sich selbst als zusammengekauerte Person, die sich in den Büschen der Wildnis versteckte, eng verbunden mit der Natur, ist Schürmanns Erinnerung eine andere. Ihre Werke zeigen sie im Austausch, eine Zeichnung von ihr als kleines Mädchen mit zwei Zöpfen über Schwarz-Weiß-Fotografien von damals. Das Leben auf der Farm, der alltägliche Kontakt zu Tod und Leid war hart, darin sind sich beide Künstlerinnen einig.

Katrin Schürmann arbeitet Unschärfen in ihre Werke bewusst ein. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Auch Rust lebt heute die meiste Zeit in Deutschland, in Brandenburg, reist allerdings regelmäßig zu ihrer Familie nach Namibia. So ist sie dem Land selbst noch sehr nah, sie beobachtet politische und gesellschaftliche Entwicklungen auf einer persönlichen Ebene, auch in ihren Kunstwerken. Eine Serie - Porträts und Szenen in dicken, schwarzen Linien auf weißem Papier - sind eine Melange aus Bildern, die teils von persönlichen Kontakten auf Facebook geteilt wurden, teils aus Medienberichten stammen. Ihr Bruder neben einem jungen Fohlen, zwei spielende Kinder, daneben ein Mann mit Gewehr, der Blick einer Frau, deren Tochter ermordet wurde. "Ich stelle Schönheit und Leid in meiner Kunst gerne gegenüber", sagt Rust. So auch in den Fotografien am anderen Ende des Raumes: ein totes Kalb, um seinen Kopf schwirren bunte Schmetterlinge. Szenen, die Rust festhalten möchte, obwohl oder vielleicht gerade weil sie sich selbst als hochsensibel bezeichnet. Auf der einen Seite der Tod und die Grausamkeit, auf der anderen Seite das Leben und die Schönheit. Es seien diese großen Widersprüche, die das Leben zeichneten, die darin zusammengehörten.

Imke Rust hinterfragt. Sie stellt das Hässliche genauso offen dar wie das Schöne. Je länger sie von Namibia, ihrem Leben auf der Farm, ihrem Blick auf Politik und Gesellschaft des Landes erzählt, desto weniger scheint sich ihr Gesamtblick auf all das deuten zu lassen. Sie hat sich ausführlich mit der Geschichte ihrer Vorfahren auseinandergesetzt, versucht herauszufinden, ob die Farm ihrer Familie durch die Enteignungen der Herero im frühen 20. Jahrhundert in die Hände deutscher Siedler gelangt war. Der Volksstamm der Herero lehnte sich 1904 gegen die deutschen Kolonialherren auf, diese schlugen den Aufstand brutal nieder, sperrten Herero und Nama in Arbeitslager, ermordete einen Großteil der beiden Volksstämme; bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges und dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft lebte die Gesellschaft unter einem Apartheidsregime. 2015 erkannte die Bundesregierung den Vernichtungskrieg der deutschen Kolonialtruppen gegen die namibischen Volksstämme als Völkermord an. Eine Klage der Herero und Nama gegen Deutschland und eine Forderung nach Reparationsleistungen lehnte ein US-Gericht kürzlich ab, Deutschland ist zu Zahlungen nicht bereit.

Eine Heimat mit blutiger Vorgeschichte ist das biografische Bindeglied zwischen den beiden Künstlerinnen Imke Rust und Katrin Schürmann (links). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Imke Rust findet sich inmitten dieser Geschichte wieder, zwischen zwei Welten und den Fragen um Schuld und Verantwortung. Mit der Installation, die in der Mitte der Galerie hängt, zeigt sich diese Zerrissenheit wohl am stärksten. Betritt der Betrachter die Galerie, sieht er den Umriss der Farm, Bilder von Rindern und liebevollen Erinnerungen, darüber in roter Farbe das Wort "home". Auf der anderen Seite des Stoffes kleben ausgeschnittene Zeitungsartikel, Recherchematerialien, mehrere Mails eines deutschen Historikers. All das hängt hier, weil Rust - Nachfahrin deutscher Missionare - selbst verstehen will, wie groß die Schuld ist, wie groß ihr persönlicher Bezug zu dieser Geschichte. Das Thema ist aktuell brisant, Rust berichtet von Drohungen gegen weiße Farmer in Namibia, von Überfällen und Morden in ihrem engen Verwandten- und Bekanntenkreis in Namibia. Auslöser sind Armut, Kriminalität und der von Herero und Nama geforderte Anspruch an die enteigneten Ländereien. Rusts bisherige Recherchen ergaben, dass auch die Farm ihrer Familie vermutlich durch Enteignung in den Besitz weißer Siedler gelangt war, Jahre bevor sie selbst die Farm aufkauften.

Es gibt ein Gemälde von Rust, auf dem ein Herero links steht, neben einem Rind - dem Zeichen von Wohlstand und Status - und rechts daneben ein weiterer Mann sitzt, den Kopf in den Händen, vor ihm eine dunkle, menschliche Leiche, Ausdruck des Völkermordes. Darüber zwei schwarze Wolken. Das seien die blinden Flecken in der Erinnerung beider Seiten. Rusts Gesamtsicht lässt sich dann vielleicht doch deuten - in einem Video, das an die Wand der Galerie projiziert wird. Ein Mann und eine Frau, in der Wüste stehend, gießen Wasser aus zwei großen Kanistern über ihren Kopf, ein Loop in Dauerschleife. Der Titel: "The impossibility of healing, cleansing and watering". Die Unmöglichkeit, zu heilen, sich von der Geschichte zu befreien und eine friedliche Zukunft zu beginnen.

Imke Rust lässt in ihren Bildern die Gegensätze von Anmut und Grausamkeit des Lebens in Afrika mit voller Härte aufeinander prallen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ich höre den Schakal: Doppelausstellung in der KVD-Galerie. Vernissage ist am Donnerstag, 4. Juli, um 19.30 Uhr. Zu sehen noch bis 28. Juli.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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