Diskussion um Preise im öffentlichen Nahverkehr:Einfach, gerecht und ausgewogen

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Kreispolitiker: Außenbereich muss bei der Reform der MVV-Tarifstruktur stärker gefördert werden

Von Robert Stocker, Dachau

Viele Bürger aus dem Dachauer Hinterland fahren mit dem Auto nach Karlsfeld und steigen erst dort in die S-Bahn ein. Der Grund: Die 22 000-Einwohner-Gemeinde liegt in einer Tarifzone, in der die Kosten für eine S-Bahn-Fahrt nach München deutlich geringer sind. Genau das widerspricht dem politischen Willen in der Münchner Boom-Region, möglichst viele Menschen zu einem Verzicht aufs Auto zu bewegen. Freistaat, Landeshauptstadt und die umliegenden acht Landkreise suchen mit der Münchner Verkehrs- und Tarifverbund GmbH (MVV) deshalb nach einem Weg, die Tarife einheitlicher und gerechter zu machen. Der MVV bastelt derzeit an einer Strukturreform, die alle Interessen unter einen Hut bringen soll.

Kein einfaches Unterfangen, wie sich in der Sitzung des Kreistags am Freitag zeigte. Dort stellte MVV-Marketingleiter Norbert Specht die Eckpfeiler für eine Tarifreform vor. Viele Bürger halten die derzeitige Struktur mit vier Zonen und 16 Ringen für zu kompliziert, entwerten Fahrkarten deshalb falsch und ärgern sich über Preissprünge an den Tarifgrenzen. Beim neuen Tarifmodell wollen die MVV-Gesellschafter mehrere Faktoren beachten: Es soll einfach und transparent, leistungsgerecht und sozial ausgewogen sein. Gleichzeitig sollen die Fahrgeldeinnahmen aber nicht sinken. In einer Machbarkeitsstudie wurden einige Modelle geprüft, die aus verschiedenen Gründen nicht in Frage kommen. Bei einem Zeittarif ohne Zonen richten sich die Kosten nach der Dauer der Fahrt; wer mit schnellen Verkehrsmitteln lange Strecken fährt, kommt günstiger weg. Das Flatrate-Modell nach Wiener Vorbild sieht nur drei Preisstufen für den Innen-, Außen- und Gesamtraum vor und hat große Preissprünge an den Tarifgrenzen. Die öffentliche Hand muss dieses System mit mehr als 80 Millionen Euro subventionieren. Und ein elektronischer Tarif mit Chipkarten ist noch nicht ausgereift und zu wenig erprobt. Die Installation würde laut Specht 100 Millionen Euro kosten.

Der MVV favorisiert eine Reform der bestehenden Struktur, die Tarifgrenzen korrigiert und Preissprünge an den Tarifgrenzen senkt. Der Wirrwarr aus vier Zonen und 16 Ringen soll zu acht Tarifkreisen ausgedünnt und vereinheitlicht werden. Für den Innenraum sind mehrere Varianten im Gespräch. Er könnte aus einem oder zwei Tarifkreisen bestehen, für die man getrennt oder kombiniert bezahlt. Wichtig für MVV-Nutzer aus dem Außenraum: Bei Einzelfahrten beträgt der Preissprung pro Tarifzone nur noch 50 Prozent, also 1,40 Euro. Specht: "Das Umland wäre also ein großer Gewinner." Zudem werde überlegt, die Stadt Dachau auf eine Tarifgrenze zu legen.

Kreisrat Roderich Zauscher (Bündnis 90/Die Grünen) will weniger Zonen, damit die Fahrt aus dem Hinterland nach München günstiger wird: "Eine S-Bahn-Fahrt von Petershausen zum Stachus spart mehr Kohlenstoffdioxid ein als eine Innenstadtfahrt." Das müsse sich bei den Kosten widerspiegeln. Der Außenbereich müsse stärker gefördert werden, um den Anreiz zum Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr zu erhöhen, so CSU-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Offenbeck. "Am einfachsten wäre ein Einheitstarif", findet SPD-Kreisrat Hubert Böck. Das sei der Landeshauptstadt nicht vermittelbar, konterte Landrat Stefan Löwl (CSU). Gerhard Hainzinger (CSU) wies auf das Feinstaubproblem und die Verkehrsbelastung in München hin. "Die Stadt müsste sich mit dem Umland solidarisieren, weil sie ein Interesse hat, dass der Bürger auf den MVV umsteigt."

© SZ vom 15.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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