Digitalpakt Bund und Länder:Digitales Pauken

Digitalpakt Bund und Länder: Digitaler Unterricht in einer Klasse des Ignaz-Taschner-Gymnasiums in Dachau. Auf eine bessere Ausstattung mit Wlan und iPad hoffen die Schulleiter aller weiterführenden Schulen im Landkreis in der Folge der Digitaloffensive des Bundes.

Digitaler Unterricht in einer Klasse des Ignaz-Taschner-Gymnasiums in Dachau. Auf eine bessere Ausstattung mit Wlan und iPad hoffen die Schulleiter aller weiterführenden Schulen im Landkreis in der Folge der Digitaloffensive des Bundes.

(Foto: Toni Heigl)

Die Ausstattung der weiterführenden Schulen im Landkreis Dachau mit Tablets und Wlan lässt noch viele Wünsche offen. Das soll jetzt anders werden. Lehrer warnen aber auch, dass ein iPad den Unterricht nicht automatisch besser macht

Von Anna-Elisa Jakob

Kristin Artelt und Heike Linde sitzen im Lehrerzimmer der naturwissenschaftlichen Fachschaft, vor ihnen stapeln sich Schulbücher, Arbeitsblätter, Unterlagen für die kommende Stunde. Das schwache Tageslicht im Erdgeschoss des Ignaz-Taschner-Gymnasiums (ITG) in Dachau erhellt die Vitrine in der Mitte des Raumes, die mit Anschauungsmaterial für den Unterricht gefüllt ist: das Plastikmodell eines Querschnitts durch alle menschlichen Organe, ein Mikroskop, eine Landkarte.

"Natürlich wäre es schön, wenn wir als Schule noch digitaler werden", sagt Lehrerin Heike Linde. Die Papierstapel, die Unterrichtsmaterialien in der Vitrine - all diese Dinge wirken angesichts der aktuellen Digitalisierungsdebatte wie Relikte einer längst vergangenen Zeit. Im Zuge des bundesweiten Digitalpakts ist die Rede von interaktivem Lernen mit Apps, der Umstellung vom klassischen Schulbuch auf das eBook, von iPad-Klassen. Bund und Länder möchten deutlich investieren: Der Bund stellt dem Freistaat Bayern im Rahmen des Digitalpakts 770 Millionen Euro zur Verfügung.

Wie komplex sich die Digitalisierung allerdings im Schulalltag gestaltet, zeigt sich im Nebenraum des ITG. Lehrerin Kristin Artelt bereitet die Schüler auf den Nachmittagsunterricht vor, verteilt iPads an eine fünfte Klasse. Die Forscherklasse des Ignaz-Taschner-Gymnasiums ist die einzige der Schule, die regelmäßig mit den Tablets arbeiten kann. Die Fachschaft hat dafür in Eigeninitiative einen Koffer mit einem Satz iPads angeschafft, um das Lernen interaktiver gestalten zu können. Im Klassenzimmer werden nun zwei QR-Codes an die Tafel projiziert, die Schüler stellen sich in einer Reihe an, um den Code zu scannen und damit auf ihrem Tablet ein digitales Arbeitsblatt zu finden. Kristin Artelt verdunkelt den Raum, ansonsten ließe sich durch die schwache Projektion des Beamers nur wenig erkennen. Im Laufe der Unterrichtsstunde wird das projizierte Tafelbild zwischendrin einfach schwarz werden, das Wlan ist überlastet.

Die Apps, mit denen die Schüler arbeiten, sind kostenlose Anwendungen. Das E-Book für die Stunde haben die Lehrerinnen der Fachschaft selbst geschrieben. Stifte, um wirklich auf den iPads schreiben zu können, haben die Schüler nicht, bisher nutzen sie ihre Finger. Für weitere Investitionen fehlt das Geld, die Fördermittel von Bund und Ländern könnten das nun ändern.

Die zentrale Frage, vor der sich die Pädagogen im Landkreis sehen, bleibt jedoch: Wie digital soll Schule überhaupt werden? Die meisten Schulleiter im Landkreis erklärten der Süddeutschen Zeitung, dass sie hier noch in der Findungsphase stecken, gemeinsam mit den Lehrern überlegen sie, wo genau sie ansetzen möchten. Es geht um Fortbildungen, um die Schulung der Lehrerkompetenzen, aber vorrangig um die Ausstattung mit digitalen Unterrichtsmaterialien. Diese werden auch kritisch gesehen. Angelika Rogg, Schulleiterin der Dr.-Josef-Schwalber-Realschule in Dachau, findet klare Worte: "Nur weil ein iPad im Unterricht dabei ist, wird er nicht automatisch besser." Man dürfe nicht ohne pädagogischen Sinn digitalisieren, formuliert Schulleiter Peter Mareis vom Josef-Effner-Gymnasium.

Silvia Ceruti sieht das etwas anders: "Umso digitaler, umso besser", so die Vorsitzende des Elternbeirats am Gymnasium Markt Indersdorf. Sie ist selbst Mutter von zwei Schülern, denkt auch an die Aspekte, die das Lernen zuhause erleichtern könnten: Die Schüler könnten sich über Lernplattformen vernetzen, gemeinsam an Referaten arbeiten, durch eBooks würden die Schulranzen leichter werden.

Der Digitalisierungsfortschritt im Landkreis war gehemmt

Bislang gibt es bei der digitalen Ausstattung der weiterführenden Schulen im Landkreis keine großen Unterschiede, wie jüngst die Vorstellung eines entsprechenden Gutachtens im Kreistag zeigte. Das Ignaz-Taschner-Gymnasium besitzt im Vergleich zu den anderen Landkreisschulen aber weniger Computer, Beamer und Dokumentenkameras - das soll sich mit dem kommenden Neubau jedoch ändern. Insgesamt sei man im Landkreis gut aufgestellt, bewertet CSU-Kreisrätin Stefanie Burgmeier das Gutachten.

Im vergangenen Jahr gingen die Investitionen des Landkreises deutlich zurück, die Digitalisierungsoffensive von Bund und Ländern wurde abgewartet. Die politische Debatte, inwiefern der Bund das Bildungsangebot der Länder finanziell unterstützen darf, hat auch den Digitalisierungsfortschritt im Landkreis gehemmt. Der Digitalisierungspakt wurde im Februar beschlossen, nach Schätzungen des Kreistages sollen die Förderungen in diesem Jahr deshalb um rund die Hälfte ansteigen. Für 2019 wurden laut Kreistag 601 000 Euro an Förderung beantragt.

Eine Scheu vor der Digitalisierung des Schulalltags ist in Gesprächen mit Lehrern, Eltern, Schulleitern selten zu vernehmen. Vielmehr eine Unsicherheit, wie der nächste Schritt zu bewältigen ist und der Ausbau gelingen kann. Allein die Anschaffung von digitalen Endgeräten und deren Wartung ist nicht genug, es braucht Fortbildungen für Lehrer, neue Lernkonzepte, Lizenzen für E-Books und Apps. All das ist vernetzt, eine Maßnahme beeinflusst die nächste. So erließ das Kultusministerium bereits vor einiger Zeit das "Handy-Gebot" in den Schulen - die Schüler sollen ihre eigenen Smartphones für den Unterrichtnutzen. Lehrerin Kristin Artelt hat das in höheren Jahrgangsstufen bereits ausprobiert, dafür müssen die Schüler jedoch ihr persönliches Datenvolumen nutzen. Noch ist das Wlan im Haus nicht auf die breite Nutzung ausgelegt, teilweise allein durch die Lehrer überlastet. Sollte eine stabile Internetverbindung nicht bereits eine Grundvoraussetzung sein?

Kristin Artelt sitzt im Lehrerzimmer, Bücher und Blätter auf dem Tisch, hinter ihr die Vitrine mit dem Anschauungsmaterial. Sie mögen wie Relikte einer längst vergangenen Zeit wirken - im Schulalltag erscheint der Sprung in die digitale Welt jedoch noch weit entfernt.

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