Die Welt von oben:Völlig losgelöst

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Fasziniert von den Weiten des Weltalls: Die Mitglieder des Vereins zur Förderung der Raumfahrt würden viel dafür geben, einmal zum Mond oder zum Mars zu fliegen

Von Anna-Elisa Jakob, Dachau

Plötzlich ist da tatsächlich der perfekte Raum für diesen Abend, den "Space-Abend" im Bürgertreff Dachau Ost: Die Wände aus grauem Beton, dunkle Vorhänge vor den Fenstern, die Beleuchtung nur durch das Licht des Projektors und selbst die simplen Holzstühle wirken futuristisch. Eingeladen hatte der "Verein zur Förderung der Raumfahrt", heute zu erkennen an den blauen Kappen und Hemden mit aufgedrucktem Logo, die Initialen "VFR" in dicken Großbuchstaben. Man habe es sich zur Aufgabe gemacht, die Raumfahrt ideell zu fördern, erklärt später deren Vorsitzender Thomas Krieger. Also nicht durch finanzielle Mittel, sondern durch Abende wie diese, an denen es um die neuesten Erkenntnisse und Projekte der Raumfahrt gehen soll.

Gelockt wurden im Einladungsschreiben "alle Raumfahrt-, Astronomie- und Science-Fiction-Interessierten"; und es scheint einige zu geben in Dachau, denn der Saal ist voll. Wer sind sie, die an diesem Samstagabend im abgedunkelten Raum Asteroiden in Zeitraffervideos ansehen oder die Baupläne des neuesten Nasa-Projektes "Artemis" diskutieren? Sie trinken Weißbier, Saft und Sekt, essen Wurst- und Käsesemmeln, und vor allem hören sie ruhig und interessiert zu. Sie lachen, wenn Organisator Stefan Schiessl etwas sagt wie: "Wir sind ja heute nicht im luftleeren Raum, sondern im Bürgertreff Ost." Sie beugen sich vor, wenn Referent Eugen Reichl später Bilder des "Moon Landers" von Amazon-Gründer Jeff Bezos oder das "Starship" von Elon Musk zeigt. Oder wenn Heimo Gmilka, Lehrer für Astronomie, die Saturn-Monde einzeln vorstellt.

Faszinosum Weltraum: Astronomiebegeisterte bestaunen die Monde des Planeten Saturn. (Foto: Toni Heigl)

Den typischen Weltall-Fan sucht man hier vergebens, denn die Begeisterung für alle Dinge, die jenseits der Erde liegen, scheint viele zu einen. Manche lässt sie gar nicht mehr los. So zum Beispiel Tanja Lehmann, die Ingenieurin ist, und eigentlich immer Astronautin werden wollte. Sie trägt einen blauen Einteiler im Stil der Raumfahrt, darauf viele bunte Aufnäher mit Daten - den Jahren, in denen sie an einem Parabelflug teilnehmen konnte. Mal als gefördertes, wissenschaftliches Projekt, manchmal ist es aber auch ihr Jahresurlaub, den sie selbst in einen solchen Flug investiert. Durch ein besonderes Flugmanöver gelingt es bei einem Parabelflug, dass die Insassen in den Zustand der Schwerelosigkeit kommen. Wie sich das anfühlt? "So richtig beschreiben kann man das nicht", sagt Lehmann. Frei und unbeschwert sei man, weil einen ja nichts festhalte und man nichts spüren könne. Tanja Lehmann ist zweite Vorsitzende der "Mars Society" in Deutschland, ein Verein, in dem vor allem Bastler und Tüftler, wie sie Lehmann nennt, einen Platz finden. Also Ingenieure, Wissenschaftler und generell Interessierte, die möchten, dass die Raumfahrt zum Mars vorangetrieben wird.

Vorerst bleibt da aber immer noch der Mond als wichtigstes Ziel, da sind sich die Referenten an diesem Abend einig. Hat man denn nicht bereits in der Hochphase der Raumfahrt, den Apollo-Missionen, den Mond ausgekundschaftet? Raumfahrtexperte Eugen Reichelt zeigt, wie weit die Astronauten der Apollo damals gegangen sind, an einem Tag auf dem Mond: Bei ihrem längsten Marsch wären sie beispielsweise vom Flugplatz in Oberschleißheim bis zum Dachauer Bahnhof gelangt. Den gesamten Mond habe man so aber vermutlich nicht erforscht, bemerkt Reichl, und auch hier lacht das Publikum. Reichl arbeitet für den deutsch-französischen Raumfahrtkonzern "Ariane Group" und führt an diesem Abend vor allem in die technischen Hintergründe und neuen Entwicklungen der Raumfahrt ein. Geht es nach den Plänen um das Projekt Artemis, werden im Jahr 2024 wieder Menschen auf dem Mond landen, in besseren Raumanzügen, vor allem aber mit entwickelter Technik. Der nächste Schritt sei dann der Mars.

Raumfahrtfans unter sich: Tanja Lehmann, Peter Schramm, Reinhold Glasl, Eugen Reichl, Thomas Krieger, Heimo Guilka und Stefan Schiessl. (Foto: Toni Heigl)

"Die jungen Zuschauer hier werden es bestimmt erleben, dass zum Mars geflogen wird", versichert auch Lehrer Heimo Gmilka mit einem lächelnden Blick in das Publikum, in dem zwar wenige junge Zuschauer sitzen, dem die Faszination aber trotzdem anzumerken ist. Tanja Lehmann wird sich dann auf jeden Fall bewerben, so wie auch zu jeder anderen Mission, die sie ins All führen könnte. Das Höchstalter für Astronauten liegt eigentlich bei 37, sie selbst ist schon 44, doch aufgeben möchte sie ihren größten Traum noch nicht: einmal die Erde von oben sehen.

© SZ vom 27.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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