Die Polizei hat ein Personalproblem:Warten auf Verstärkung

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Zu viele Aufgaben, zu viele Menschen, zu viel Verkehr: Die Polizeidienststellen wachsen nicht mit der Bevölkerung mit, klagt die Gewerkschaft. (Foto: Toni Heigl)

Im Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord haben im Frühjahr 42 neue Beamte ihren Dienst angetreten. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", heißt es in der Dachauer Inspektion. Dort reicht das Personal für Kontrollen nicht.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Die Zahlen aus dem Innenministerium verheißen Großes: Nie gab es so viele Polizisten in Bayern wie jetzt, so verkündete das Innenministerium im Februar. In diesem Jahr sollen insgesamt 1500 Leute für die bayerische Polizei eingestellt werden, im Jahr 2018 noch einmal 1700. Die meisten sind allerdings Anwärter, müssen also erst noch ausgebildet werden. Von den 635 Polizisten, die im Frühjahr mit ihrer Ausbildung fertig wurden, bekam das gesamte Polizeipräsidium Oberbayern Nord allerdings gerade einmal 42 zugewiesen. Zu seinem Bereich gehören neben dem Landkreis Dachau noch zehn weitere Landkreise im Großraum München-Ingolstadt. Nach Einschätzung der Polizeigewerkschaft GDP gleichen die 42 Neueinstellungen gerade einmal die Abgänge in den Ruhestand aus. "Ein Tropfen auf den heißen Stein" sei das, sagt Polizeihauptkommissar und Pressesprecher der Polizeiinspektion Dachau Roland Itzstein. Trotz Neueinstellungen: Die Polizei im Landkreis hat ein Personalproblem.

Besonders häufig angesprochen wird das in Sitzungen der Stadträte in Dachau oder der Gemeinderäte in Karlsfeld. Die Kommunen leiden unter starker Verkehrsbelastung. Doch wo ist der Nutzen etwa von Tempo-30-Zonen, die Anwohner vor Lärm schützen sollen, wenn nicht kontrolliert wird, dass sich die Fahrer daran halten? Immer wieder ist in den Sitzungen dann zu hören: "Die Polizei sagt uns, sie hat nicht genügend Leute, um zu überwachen." Erst im März zum Beispiel, als es um die Umsetzung eines Lärmaktionsplans in Dachau ging. Würde die Stadt selbst die Verkehrsüberwachung für neue Tempo-30-Zonen übernehmen, könnte sie das jährlich etwa 50 000 Euro kosten. Tatsächlich haben Dachau und Karlsfeld bereits 2002 gemeinsam mit Freising und Hallbergmoos einen Zweckverband Kommunale Verkehrsüberwachung gegründet. Doch die wechselseitig stattfindenden Geschwindigkeitskontrollen scheinen dem Verkehrsaufkommen kaum angemessen zu sein. Alle anderen Landkreisgemeinden sind Mitglieder im Zweckverband kommunale Verkehrsüberwachung Südostbayern. Insgesamt 118 Kommunen gehören ihm derzeit an, 77 Mitarbeiter im Innen- und Außendienst sind beim Zweckverband beschäftigt. Sie konnten im gesamten Zuständigkeitsbereich im vergangenen Jahr 182 000 Verstöße im fließenden Verkehr und 77 000 Verstöße im ruhenden Verkehr, also Falschparker, feststellen.

Natürlich, bekräftigt Thomas Bentele, stellvertretender Sprecher der Polizeigewerkschaft GDP in Bayern, sei aber für die Polizei die Verkehrsüberwachung und damit die Unfallvermeidung bei weitem kein nachgeordnetes Thema. "Das Personal ist knapp", sagt Bentele. Doch gebe es aus dem Innenministerium die Entscheidung, alle Stellen von Ruheständlern nachzubesetzen. "Das betrifft aber nicht jene, die vorzeitig und außer der Reihe ausscheiden", sagt Bentele. Dass mehr Polizeischüler eingestellt werden, sieht er natürlich positiv. "Nur werden wir den Effekt erst in zwei bis vier Jahren spüren."

"Wir haben einen riesigen Zuzug"

Das sieht auch Itzstein so. Zudem seien derzeit eben noch nicht alle freien Stellen von Pensionisten nachbesetzt. "Wir werden nicht mehr, sondern eher weniger", sagt Itzstein. Und zwar gemessen an der Bevölkerungszahl und damit der Größe des Zuständigkeitsbereichs jeder Dienststelle. "Wir haben einen riesigen Zuzug im Ballungsgebiet, aber keinen einzigen Mann mehr", sagt Gewerkschaftler Bentele. Damit verschlechtere sich die Betreuungsquote. Und das in Zeiten, wo etwa der Chef der Dachauer Verkehrswacht Richard Wacht keine Gelegenheit auslässt, um zu betonen, dass die Zahl der Unfälle auf den Straßen proportional zum Zuzug ansteigt. Im vergangenen Jahr ereigneten sich auf den Dachauer Straßen 5000 Unfälle, 347 mehr als im Vorjahr. "Wir ersticken langsam im Verkehr", sagte Wacht, als er im März die Vorjahresstatistik vorstellte.

In jedem Fall wird es in Dachau demnächst noch mehr Bereitschaftspolizisten geben. Weil mehr eingestellt wird, wächst auch der ohnehin schon größte bayerische Einsatzstandort vorübergehend noch einmal um etwa 300 auf dann insgesamt 1300 Mitarbeiter an. Für Unterbringung und Unterricht der Anwärter werden eigens Container aufgestellt werden, weil die Kapazitäten nicht reichen. Die Polizeiinspektion wartet indes nicht nur auf Verstärkung, sondern auch auf ein neues Dienstgebäude, das in der Nähe des John-F.-Kennedy-Platzes entstehen soll. Wann, ist unklar.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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