Die großen Meister sind weg:Wohnzimmer für die Kunst

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Löwenstark: Lüpertz' Werke. (Foto: Toni Heigl)

Beuys und Lüpertz: Bilanz zweier ungewöhnlicher Ausstellungen

Von Gregor Schiegl, Dachau

Das war's erst mal mit der "Kunsthalle Scherm". Am Montagvormittag luden Gerhard Niedermair, Ursula und Josef Lochner die bereits in Luftpolsterfolie verpackten Lüpertz-Gemälde ins Auto ein. Bis Dienstag muss das Untergeschoss des Dachauer Kaufhauses Rübsamen besenrein übergeben sein. Sechseinhalb Wochen lang waren hier die Werke zwei der bedeutendsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit zu sehen: erst die filigranen Druckgrafiken von Joseph Beuys, dann die formstarken Bilder und gesäßfreudigen Skulpturen des Neo-Expressionisten Markus Lüpertz. Die Beuys-Ausstellung besuchten etwa 1500 Besucher, zur Lüpertz-Ausstellung kamen nach Josef Lochners Zählung 1007. Der 1008. traf kurz vor der Schließung ein und hatte das Nachsehen.

"Viele waren erstaunt, dass es solche Ausstellungen hier in Dachau gibt", sagt Josef Lochner. Der passionierte Dachauer Sammler hat die Ausstellungen mit seiner Frau Ursula und seinen Freunden vom Förderverein Wasserturm, Dieter Rothe und Gerhard Niedermair, auf die Beine gestellt. Eine Schau mit Werken von Beuys hatte es noch nie zuvor in Dachau gegeben - erst recht keine, in die man einfach so, ohne Eintritt, hereinspazieren kann. "Der Mehrzahl hat der Lüpertz allerdings besser gefallen", sagt Lochner und lacht. Dass weniger Besucher als bei Beuys kamen, schreibt er den Osterferien zu und dem Umstand, dass er 2015 schon mal eine Schau mit Konzertplakaten von Lüpertz am selben Ort gezeigt hatte. Möglicherweise dachten einige, diese Ausstellung sei quasi eine Wiederholung von 2015. Tatsächlich waren ganz andere, aktuelle Arbeiten zu sehen. Für beide Ausstellungen bekamen die Organisatoren viel Lob. Von den Besuchern. Von den Dachauer Künstlern. Aber auch von Oberbürgermeister Florian Hartmann: "Solche Menschen, solche Macher sind es, die unsere Stadt lebendig machen und sie gesellschaftlich und kulturell bereichern."

Lochner gibt zu, dass die Organisation anfangs sehr stressig gewesen sei, doch es überwiegt die Euphorie über das, was man geschafft hat, dass die Begeisterung und Faszination auf die Besucher übergesprungen ist. "Einige waren zweieinhalb Stunden da", sagt Josef Lochner. Und Dieter Rothe berichtet, dass sich einige Leute sogar "Ruhezonen" gewünscht hätten, um noch länger verweilen zu können. Und das ist den kunstbegeisterten Organisatoren fast noch wichtiger als die Besucherzahlen: die Qualität der Besuche. Dass die Werke die Menschen berühren und bewegen.

Auch dem Wasserturm-Team, das Woche um Woche im Rübsamen-Untergeschoss verbracht hat, wurde nie langweilig. "Ich habe immer neue Details an den Bildern entdeckt", sagt Gerhard Niedermair, der selbst Künstler ist. "Für uns war das hier immer wie ein Wohnzimmer." Auch die Besucher haben sich mehr und mehr an diesen Ausstellungsort gewöhnt, den die Kunstliebhaber so geschickt bespielt haben, dass Niedermair zu Recht von einem "Gesamtkunstwerk" spricht, dass man hier geschaffen habe. Das ist zwar nun schon wieder abgebaut, aber etwas bleibt: "Dachau wird jetzt noch stärker als bisher als Stadt der Kunst wahrgenommen", sagt Josef Lochner. Und natürlich wecken die zwei großartigen Ausstellungen schon jetzt große Erwartungen auf den nächsten Streich. "Da wird schon noch was kommen", verspricht Lochner. "Irgendwas. Irgendwann."

© SZ vom 17.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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