Die Glückszahl ist die 205:Haus der Geschichte

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75 Bürgermeister, zwei Weltkriege, Nazis, Krisen und jede Menge Kunst: Der Rathausbau spiegelt noch heute viel von der Historie Dachaus wider

Von Thomas Altvater, Dachau

Müssten die Dachauer ihr persönliches Glück mit einer Zahl beschreiben, so wäre es für viele vermutlich die 205. In schwarzer Farbe stehen die drei Ziffern auf dem durchsichtigen Türschild des Trauzimmers im Dachauer Rathaus. Auf den wenigen Stühlen des Trauzimmers sitzen dann meist die Freunde und Familie der Eheleute. Diesmal ist es anders, denn einmal im Jahr veranstaltet die Stadt Dachau eine kostenlose Führung durch das Rathaus. Die Gästeführerinnen Anni Härtl und Brigitte Fiedler gewährten jüngst wieder etwa 50 Interessierten einen nicht alltäglichen Einblick in das Dachauer Rathaus. Neben der Nummer 205 zeigten sie auch die 218, das Büro des Oberbürgermeister, sowie den neuen und den alten Sitzungssaal. Und erzählten dabei die Geschichte des Gebäudes, der Stadt sowie der vielen Kunstwerke im Gebäude.

Ein schwarz glänzender Ofen ist das markanteste Einrichtungsstück des Zimmers 205. Er stammt aus dem Pfarrhaus in Mitterndorf, zierte später das Büro des Oberbürgermeisters und verkam dann in einem Lager des Stadtbauhofs. Heute verleiht der Ofen dem Trauzimmer einen ganz eigenen, wohligen Charakter. Der dagegen zierlich wirkende schwarze Tisch am anderen Ende des Raums ist das wichtigste Objekt des Raums. Dort setzen die Paare ihre Unterschrift unter den Ehevertrag. An der Wand des Trauzimmers hängt ein großes Dachauer Stadtwappen. Dabei, so erklärt Fiedler, sei dieser Raum im alten Teil des Rathauses noch nicht allzu lange das Trauungszimmer. Bis vor einigen Jahrzehnten heirateten die Dachauer noch in einer "dunklen Kammer", wie sie sagt, die heute als Abstellraum verwendet wird.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Vom Rathaus haben die Regierenden der Stadt einen guten Überblick.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Zahlreiche Details auf der Fassade des Gebäudes wie die Stachelkeule oder der Sporn, der auch Teil des Stadtwappens ist,...

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(Foto: Toni Heigl)

...geben Zeugnis von einer langen Geschichte.

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(Foto: Niels P. Joergensen)

Für festliche Anlässe wie die Bürgerehrung 2017 bietet der Sitzungssaal mit seiner prunkvollen Kassettendecke einen idealen Rahmen.

Wie kein anderes Gebäude in Dachau steht das Rathaus für Geschichte der Stadt. 75 Bürgermeister, zwei Weltkriege, mehrere Krisen und Aufschwünge hat das Gebäude in der Konrad-Adenauer-Straße bisher miterlebt. Erstmals urkundlich erwähnt wurde das Rathaus des damaligen Markts Dachau 1486. Nach einem Umbau im Jahr 1615 war das Gebäude einer der zentralen Orte der Marktgemeinde. Die vielen Geschäfte, die hier geschlossen wurden, die vielen Bürgermeister, die ein- und ausgingen, sie alle nutzten das Haus ab. Das Rathaus wurde mit den Jahren immer baufälliger. Und so rissen es die Nationalsozialisten 1934 kurzerhand ab und ersetzten das Gebäude durch einen Neubau. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Stadt, und die Verwaltung benötigte mehr Platz. Im Jahr 1976 reagierte die Stadt auf die Raumnot, kaufte die umliegenden Grundstücke und baute zwischen dem alten Rathaus und dem Lebzelter-Gebäude das neue Rathaus. Der preisgekrönte Bau polarisierte die Dachauer Bevölkerung. Mehr als sieben Millionen Mark kostete er.

Der Ausblick im Zimmer der Nummer 218 reicht über Dachau hinweg, in der Ferne ragt der Münchner Olympiaturm in den Himmel. Hier arbeitet Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Zeit, um aus dem Fenster zu sehen, hat Hartmann jedoch kaum. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Akten. Zwischen den Bergen aus Papier steht eine kleine Skulptur. Das Büro des Oberbürgermeisters ist voller Kunst - insgesamt sieben Gemälde hängen dort. Auf dem Besprechungstisch liegt das Goldene Buch der Stadt. Zwei Exemplare gibt es mittlerweile. Der ältere Band geht auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück. "Wir haben nach einem Entschluss des Stadtrats einige Seiten der damaligen Zeit aus dem Buch entfernt", erklärt Hartmann. Die Musiker der Band Scorpions, Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch Markus Söder, damals noch Finanzminister, haben sich mit ihrer Unterschrift im Goldenen Buch verewigt.

Imposant gestaltet sich auch der Blick auf den Kirchturm. (Foto: Toni Heigl)

Bilder und Skulpturen zieren die Gänge, die Treppen und die Räume des Rathauses. Das Gebäude wirkt ein wenig wie eine Künstlergalerie. Auch im neuen Sitzungssaal des Rathauses hängen vier bunte Gemälde, daneben sieben schwarz-weiße Porträts der Preisträger des Dachauer Zivilcourage Preises. Der Raum ist kühl und leer - zumindest zum Zeitpunkt des Besuchs.

Mehrmals im Monat tagt hier der Dachauer Stadtrat. Der Saal ist das Herzstück des neuen Rathauses. Bis ins Jahr 1976 diskutierte der Stadtrat noch im alten Sitzungssaal des Rathauses. "Ab dem Jahr 1892 durften dort auch die evangelischen Christen ihre Gottesdienste feiern", erklärt Fiedler. Die Holzdecke des Saals ist kunstvoll verziert und stammt vermutlich aus dem Dachauer Schloss. Auch zwei barocke Gemälde, die wahrscheinlich Kinder des bayerischen Kurfürsten Max Emmanuel zeigen und ebenfalls Inventar des Schlosses waren, hängen im alten Sitzungssaal. Heute nutzen vor allem Ausschüsse den Raum im alten Teil des Rathauses.

Mittlerweile hat die Stadtverwaltung jedoch das gleiche Problem wie vor 40 Jahren. Immer mehr Menschen wohnen in Dachau. Und durch das ständige Wachstum der Stadt ist es wieder eng geworden im Rathaus.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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