Die Basis will Veränderung:Spitzen gegen Seehofer

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Nach dem historisch schlechtesten Ergebnis bei einer Landtagswahl rumort es an der Basis der CSU. Mitglieder werfen dem Parteichef schwere Fehler vor und fordern unverblümt seinen Rücktritt

Von Thomas Hürner, Dachau

Die CSU ist eine stolze Partei. Doch die Grenze zwischen Stolz und Eitelkeit ist fließend und so kommt es gerade in bei den Christsozialen oft zu internen Machtkämpfen und gegenseitige Schuldzuweisungen - besonders wenn die absolute Mehrheit in Gefahr gerät. Doch nach dem historisch bisher schlechtesten Ergebnis bei einer Landtagswahl ist es erstaunlich ruhig in der Parteispitze. Wo die Verantwortlichen früher schnell benannt und Rücktrittsforderungen laut wurden, herrscht derzeit demonstrative Einigkeit. An der Basis jedoch sieht das anders aus: Einige CSU-Mitglieder aus dem Landkreis Dachau fordern unverblümt den Rücktritt von Parteichef Seehofer.

Seehofer suchte zuletzt geradezu aufreizend den Schulterschluss mit seinem eigentlichen Intimfeind, Ministerpräsident Markus Söder. Sogar Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dem ein besonderes Machtkalkül nachgesagt wird, hält sich auffällig zurück bei seinen öffentlichen Auftritten. Sie alle scheinen sich auf ein Leitwort verständigt zu haben, das zumindest vorerst den Kurs bei der CSU vorgeben soll: "Stabilität" sei jetzt das Wichtigste, sagen sie im Chor, sowohl für die Partei als auch für Bayern.

Für viele an der Basis jedoch sind personelle Veränderungen notwendig für eine langfristige Stabilität. Ein mittelfränkischer CSU-Ortsverband ist bereits am Montagabend vorgeprescht und forderte den Rücktritt von Seehofer. Der hatte das noch am Wahlabend ausgeschlossen. Für Florian Schiller, den CSU-Fraktionsvorsitzenden in Dachau, käme dies aber einer Enttäuschung gleich. "Seehofer ist jetzt am Zug", sagt er, "wenn er nicht von selbst zurücktritt, dann wird der Druck in den nächsten Wochen dafür sorgen." Am Dienstagmittag trat der Bundesinnenminister vor die Fernsehkameras, um eine erste Fehleranalyse zu präsentieren. Schon zuvor hatte Seehofer eingeräumt, dass der rhetorische Stil im Asylstreit sein größter Fehler gewesen sei, "der Inhalt aber stimmte".

Das sieht Schiller anders: "Sowohl der Stil als auch der Inhalt waren nicht richtig und haben uns massiv geschadet." Man habe sich erhofft, Wähler am rechten Rand zurückzugewinnen, dafür aber umso mehr in der Mitte verloren. Überhaupt sei die Wahlkampfstrategie falsch gewesen, sagt Schiller, "es gab keine einheitliche Linie." Diese gelte es nun wieder zu finden, unter anderem mit einem neuen Parteichef. Einen verbalen Scharfmacher möchte Schiller auf diesem Posten aber auch nicht haben: "Wenn der Nachfolger Dobrindt heißen sollte, dann kann man sich diesen Schritt auch gleich sparen."

Und Ministerpräsident Söder? Auch der habe Fehler gemacht, sagt Schiller, "aber er hat's wenigstens irgendwann kapiert." Damit meint er den im Sommer vollzogenen Kurswechsel Söders, der sich im Asylstreit zuvor ähnlich harsch wie Seehofer und Dobrindt geäußert hatte. "Söder hat sich beim Parteitag klar von der AfD abgegrenzt", sagt Schiller, "das war zwar viel zu spät, aber als Ministerpräsident sollte er weitermachen."

Auch Tobias Stephan, der Ortsvorsitzende der Dachauer CSU, setzt weiter auf Ministerpräsident Söder. "Es liegt aber auf der Hand, dass es nicht auf allen Positionen so weitergehen kann", sagt er. Parteichef Seehofer sei nicht mehr tragbar, zu viel habe er sich in letzter Zeit geleistet. "Die meisten Mitglieder erwarten hier eine Veränderung", sagt Stephan. Doch vorerst - und da hält er es ganz mit den Leuten von der Parteispitze - sei Stabilität gefragt: "Damit haben wir im Wahlkampf geworben, und ich bin der festen Überzeugung, dass uns das noch ein paar Prozentpunkte beschert hat." Erst müsse eine stabile Koalition gebildet werden, am liebsten mit den Freien Wählern. Danach seien personelle Konsequenzen aber nicht nur gewünscht, sondern auch erforderlich. "Mit den Köpfen von gestern erreichen wir keine Stabilität mehr", sagt Stephan, "wir brauchen daher einen Neuanfang an der Parteispitze."

Der CSU-Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath wollte etwaige Personalfragen indes nicht kommentieren. Am Dienstagnachmittag ist er nur kurz zu erreichen, er eilt von Sitzung zu Sitzung. "Es geht jetzt erst mal um die Zukunft des Landes", sagt er, "alles andere spielt für uns gerade keine Rolle." Priorität habe eine stabile Regierung, diese sei man den Bürgern nun schuldig. Die fortwährenden Streitigkeiten hätten der Partei geschadet. Und die Zukunft der Führungspersonen, die jene Streitigkeiten in den vergangenen Monaten zusätzlich befeuert haben? "Dazu möchte ich jetzt nichts sagen", antwortet Seidenath, "aber natürlich habe ich dazu eine klare Meinung." Auch für Julia Grote, die Kreisvorsitzende der Jungen Union, sei es "momentan das Wichtigste, eine Koalition zu bilden." Für sie ist aber auch klar: "Wenn man in zwei Wahlen hintereinander historische Tiefpunkte erreicht, ist eine Personaldebatte zu gegebener Zeit unumgänglich."

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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