Dichtung:Lust am Schreiben

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Eine Anthologie des Josef-Effner-Gymnasiums präsentiert faszinierende und auch mutige Schüler-Gedichte

Von Sarah Stemmler, Dachau

Gedichte zu schreiben, hin und wieder, für die private Schublade, ist das eine. Das eigene Werk publik zu machen hingegen erfordert Mut. Denn Dichten ist etwas sehr Persönliches und bedeutet auch, seine Gefühle und Gedanken ein Stück weit offen zu legen. Schüler und Schülerinnen des Josef-Effner-Gymnasiums (JEG) Dachau haben das gewagt, was schon Dichterfürst Goethe postulierte: "Ohne Zagen und Zögern niederzuschreiben, was Ihnen zu Mund und Feder fließt." Zum Lyrik-Wettbewerb der Lehrer-Fachschaft Deutsch reichten junge Hobbypoeten mehr als 320 Gedichte ein, 30 davon wurden jetzt in der Anthologie "Lyrik am Effner" veröffentlicht. Schüler aus allen Jahrgangsstufen beteiligten sich an der Ausschreibung, sodass auf dem Sommerfest des JEG jeweils ein Stufensieger ausgezeichnet werden konnte.

Auch die anderen ausgewählten Gedichte wurden prämiert. Es sollte bei dem Wettbewerb viele Gewinner geben - und keine Unterteilung in "das beste Gedicht" und "der Rest". Thomas Spiegelhauer, Deutschlehrer am JEG und Herausgeber der Anthologie, sagt, dass es ohnehin schwierig sei, Gedichte zu bewerten. Letztlich sei es immer eine Frage des Geschmacks. Darum gilt gerade bei einem Lyrik-Wettbewerb: Dabei sein ist alles. Die Lust am Schreiben zu entdecken, mit Sprache zu spielen und mit Worten zu experimentieren, darum soll es gehen. "Lyrik", erklärt Spiegelhauer, "ist ein sehr sensibles Gebiet". Schüler würden sich meist nicht zutrauen, selbst Gedichte zu verfassen. Diesen Mut sollte ihnen der Wettbewerb geben, er sollte ermuntern, ihre "Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen".

Die Anthologie zeigt, wie die Schüler mit der Herausforderung umgegangen sind. Faszinierend dabei ist, wie vielfältig die ausgewählten Themenbereiche sind und wie die Schüler auch gesellschaftliche Probleme in ihren Gedichten ansprechen. Dem Leser wird ein Einblick in das gewährt, was die jungen Dichter beschäftigt.

Das erste Kapitel widmet sich der Natur, zunächst mit eher romantischen Gedichten, die ein wenig an Mörikes in der Schule viel gelesenen "Septembermorgen" erinnern. Fast alle Jahreszeiten sind lyrisch vertreten. Eher ungewöhnlich ist allerdings ein Lobgedicht auf Pilze, die Johannes Kistler aus der fünften Klasse als "Wunder der Natur" beschreibt. Auch der Fünftklässler Alexander Sachon fällt auf mit seinen Versen über "Die Natur": So schön die Umwelt sei, sie werde doch durch ein maßloses Tier gefährdet, den Menschen. Doch nicht nur im Bereich Umweltschutz klingt Kritik der Schüler an, auch über das Thema Flucht haben sich die jungen Schreiber eigene Gedanken gemacht. "Sie" heißt das Gedicht eines Sechstklässlers, der fragt: "Sind das wirklich Probleme und Wellen? Sind es 'linge' oder Dinge, die sich zu uns gesellen?" Die lyrische Antwort ist ein eindeutiges Nein, es suchten Menschen bei uns Zuflucht, die so sind wie wir selbst.

Eines der fünf Kapitel ist besonders berührend. Es heißt "Aufbruch und Vergänglichkeit". Die meisten Gedichte aus diesem Teil wurden anonym eingereicht und wirken sehr persönlich, große Emotionen in schmale Zeilen gepresst. "Von Tag zu Tag, ich zähl' die Stunden, überbrück ich meine Wunden" heißt es in dem Gedicht "Der eine Tag", das von einem großen Verlust zu erzählen scheint. Nicht alle Werke in diesem Kapitel kann man auf Anhieb verstehen, mancher Vers gibt Rätsel auf. Humorvoller kommt dagegen der Bereich "Freizeit" daher, in dem viele Schüler reimend von ihren Hobbys und Haustieren erzählen. Die Kapitel "Gesellschaft" und "Beziehungen" wiederum sind eher philosophisch angehaucht.

Natürlich werfen die 30 Gedichte nur ein Schlaglicht auf die Gedankenwelt ihrer jungen Verfasser, doch die Lektüre weckt Lust auf mehr. Für 4,95 Euro ist der Band bei Amazon erhältlich. Vielleicht wird es einen Nachfolgeband geben, nachdem das "Pilotprojekt", wie Spiegelhauer sagt, so gut angelaufen ist.

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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