"Deutschland -meine neue Heimat?!":Dunkelbunte Bildergeschichten

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Eine Ausstellung im Dachauer Forum wirft ein Schlaglicht auf die zwiespältigen Gefühle von Migranten in Deutschland. Geleitet hat die landkreisweite Malaktion der Künstler Alfred Ullrich, der als Sinto selbst immer wieder Ausgrenzung erfahren hat

Von Anna-Elisa-Jakob, Dachau

Der kleine Raum der Geschäftsstelle des Dachauer Forums ist gut gefüllt, die Besucher der Vernissage drängen sich dicht aneinander, der Asylchor Bergkirchen stimmt die erste Melodie an. Ahmad Navid, Sprecher des Asyl- und Integrationsbeirates Dachau, betont: "Diese Vernissage ist ein wichtiger Schritt der Integration." Die Ausstellung schaffe eine Verbindung zwischen den Menschen, jedes Bild der Ausstellung erzähle die Geschichte Einzelner auf unterschiedliche Weise. Manche Malereien seien humorvoll, sie drückten Dankbarkeit aus, andere hingegen seien traurig oder nachdenklich.

Stationen einer Flucht zeigt das Bild. (Foto: Niels P. Joergensen)

Ein Bilder zeigt einen dunklen Fisch auf hellblauem Hintergrund. Michaela Wintermayr-Greck, Organisatorin der Vernissage, kennt die Geschichte hinter dem Werk: Der junge Künstler hat eine Erinnerung an seine Flucht nach Deutschland dargestellt, neben dem Flüchtlingsboot tauchten mitten auf dem Meer plötzlich Haie auf - diesen Moment der Angst wollte er darstellen. Manche Bilder symbolisieren Dankbarkeit und Frieden, ein Künstler malte zwei Friedenstauben und ineinander verschränkte Hände. Auf einem anderen Werk steht: "Wir lieben Deutschland."

Zur Eröffnung singt - natürlich - der Interkulturelle Asylchor Bergkirchen. (Foto: Niels P. Joergensen)

Die Organisatorin erzählt, dass viele der insgesamt 120 eingereichten Bilder Motive aus dem Fußball zeigten, eines stellt die Münchner Allianz-Arena dar, andere Rasen oder Spieler auf dem Feld. "Deutschland scheinen viele vor allem mit Fußball zu verbinden", sagt Wintermayr-Greck und lacht. Eine weiteres Gemälde hängt am Ende der Wand, vorwiegend in Schwarz, mit vereinzelten bunten Ornamenten. Auch hier kennt die Organisatorin den Hintergrund: "Dieser Künstler hat sehr großes Heimweh und wollte dieses Gefühl darstellen." Genau hier sieht Ahmed Navid die große Chance der Ausstellung. Asylsuchende, unbegleitete Minderjährige und Menschen aus anderen EU-Ländern beteiligten sich an der Malaktion, die landkreisweite Ausschreibung stand unter dem Motto: "Deutschland - Meine neue Heimat?!" Für Menschen, die kein Deutsch sprechen oder schlichtweg schüchtern sind, sei diese Aktion eine außergewöhnliche Chance gewesen, ihre Gedanken und Gefühle ausdrucksvoll zu vermitteln. Und so sprechen die Bilder mehr als viele Worte: Sie zeigen Ausschnitte der Flucht und zeichnen gleichzeitig ein Bild vom Ankommen in einem fremden Land. Viele Gemälde wirken fröhlich, positiv, dankbar. Das Gesamtbild reflektiere aber zwei Seiten, erklärt Navid. Denn auch von Fremdenfeindlichkeit, von Unsicherheit und Angst in einem fremden Land erzählen die eingereichten Bilder.

Die Bilder zeigen Impressionen aus der alten Heimat. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die ausgestellten Bilder stammen von Künstlern aus insgesamt 17 Nationen, sie alle verleihen ihren Geschichten, Schicksalen und Gefühlen Ausdruck. Aliou Kaffe widmete sich dabei einer besonderen Kunstform: Aus Wasser, Kleber und Pappe formt er verschiedene Gebilde, von einem schlichten Korb bis hin zu einer kunstvollen Statue. Vier bis fünf Tage dauere der Prozess, bis ein einzelner Korb fertiggestellt sei, erklärt der 33-Jährige. Viel Zeit und die Leidenschaft am Erschaffen stecken in jedem seiner Werke, die ein weiterer Teil der Ausstellung im Dachauer Forum sind.

Organisatorinnen der Ausstellung sind Michaela Wintermayr-Greck und Martina Tschirge (links, im Vordergrund). (Foto: Niels P. Joergensen)

Landrat Stefan Löwl dankt an diesem Abend insbesondere den Organisatoren und ehrenamtlichen Helfern: In vielen, kleinen Schritten leisteten diese Hilfe, große Herausforderungen anzugehen und Integration aktiv voranzutreiben.

Geleitet hat die Malaktion kein Geringerer als der Dachauer Künstler Alfred Ullrich. Ullrich weiß, wie man sich als Außenseiter fühlt: Er wuchs als Sohn eines Deutschen und einer österreichischen Sintezza in Wien auf. Seine ersten neun Lebensjahre verbrachte er in einem Planwagen am nördlichen Stadtrand. Seine eigenen Arbeiten kreisen immer wieder um die Frage, in welchem Verhältnis die deutsche Gesellschaft zu den Sinti und Roma steht.

Künstlerisch ist bei der Malaktion ein bunter Mix aus Farben, Formen und Stilrichtungen entstanden. Die Vernissage zeigt Besuchern bewegende Eindrücke in Einzelschicksalen und Geschichten, geeint durch die verbindende Kraft der Kunst.

Deutschland - Meine neue Heimat? Dachauer Forum, Ludwig-Ganghofer-Straße 4. Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag, 8 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr, Freitag, 8 bis 12 Uhr. Zu sehen bis 16. Januar.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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