Der Rathausplatz bebt:Endlich

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Seit 21 Jahren gibt es die Band Schandmaul. Seit Langem üben sie in Schwabhausen, aber am Sonntag sind sie zum ersten Mal in Dachau aufgetreten. Zur Freude von 900 Zuhörern

Von Petra Neumaier, Dachau

Blitze und Donner, dass der Boden auf dem Rathausplatz bebt! Als würde Taranis, der keltische Gott des Himmels daselbst kommen. Und tatsächlich scheint es so, als würde der kurze, aber prägnante Bühnenshow-Auftakt der Mittelalter-Folk-Rock-Band Schandmaul die angekündigten starken Schauer aus den dunklen, schweren Wolken am Firmament zurückhalten. Außer ein bisschen Sprühregen sollte es an diesem kühlen Sonntagabend trocken bleiben. Zur Freude der 900 begeisterten Besucher und zur Erleichterung der deutschlandweit erfolgreichen Band, die - obwohl im Nachbarlandkreis zu Hause - im 21. Jahr ihres Bestehens tatsächlich zum allerersten Mal in Dachau auftrat.

Gerade vom letzten Regen getrocknet ist das Kopfsteinpflaster, als Ian Fisher mit seiner Gitarre die Bühne betritt. Ein bisschen einsam schaut er dort oben aus, am Rand der schwarzen Bühnenmuschel, und umringt von Verstärkern, Kabeln und Lautsprechern. Um sein Publikum mit seiner Musik und seinen sinnigen Texten in den Bann zu ziehen, braucht der Amerikaner, Stipendiat der Ruckteschell-Villa und Songwriter aber nicht mehr, als seine Stimme und seine Gitarre.

Aufmerksam lauscht das Publikum seinen Liedern, nur verhalten wird geredet, diskutiert oder stumm mit sorgenvoller Miene in die sich unheilvoll ballenden Wolken des Himmels geschaut. Ansonsten wird im Takt geklatscht, sich in der Melodie gewiegt und schließlich frenetisch applaudiert - Aufmerksamkeit und Respekt für einen talentierten und sympathischen Musiker, wie es sich so manche Vorband anderer Konzerte nur wünschen kann. Die Pause, bis die Techniker von Schandmaul alle Kabel sortiert und die Stecker in die richtige Dose gesteckt haben, wird gut genutzt. Schnell noch ein Bierchen holen, das an diesem kühlen Abend garantiert nicht warm werden wird, die Regenhaut griffbereit legen oder das eine oder andere Klappstühlchen aufklappen. Wie das von Ursula Koch, die pensionierte Lehrerin aus Dachau, und ihr Mann sind nicht die einzigen Konzertbesucher der älteren Generation. Aber wohl eine der wenigen, die einen persönlichen Bezug zu der Band haben. "Der Matthias am Bass ist mein Neffe", sagt Ursula Koch stolz und erzählt, dass die 94-jährige Oma des Musikers auch "irgendwo" auf dem Platz ist. Dass die Verwandtschaft trotz überwiegend anderer musikalischer Vorlieben diesem Konzert unter freiem Himmel beiwohnt, ist Ehrensache. Schließlich ist es ja das erste Konzert in heimischem Gefilde: Seit 20 Jahren besteht die Band, die meisten Bandmitglieder wohnen im Nachbarlandkreis, der Bandübungsraum ist seit vielen Jahren in Schwabhausen: Ein bisschen Schande gehört da schon über "Schandmaul."

Leadsänger Thomas Lindner, dessen Bremer-Herkunft unverkennbar ist, der aber schon so lange in Gröbenzell lebt, dass er den Ort als "mein Kiez" bezeichnet, ist der Fauxpas durchaus bewusst. Wohl auch deshalb ist Dachau gleich die zweite Station einer halbjährigen Konzerttour, die durch ganz Deutschland führt. "Schandmaul" - das ist auch nicht "Insidern" längst bekannt - ist eine der erfolgreichsten Bands des Landes - für ihre 2014 veröffentliche CD "Unendlich" erhielt sie die "Goldene Schallplatte" für über 100 000 verkaufte Exemplare. Und auch die neue, "LeuchtFeuer", war nach Veröffentlichung neun Wochen auf Platz 1 der Charts.

So hat "Schandmaul" auch einen großen Fankreis, der weit über die genetische Familie hinausgeht und sogar Publikum aus dem hohen Norden nach Dachau anlockt. Das weiß Ursula Koch, und das beweisen auch die vielen dunkel gekleideten Männer und Frauen jeglicher Altersgruppierung und die Fanshirts, mit denen sich viele Fans auch an diesem Abend eindecken. Schon die ersten Töne aus Dudelsack und Flöte (Birgit Ines Muggenthaler-Schmack, Gernlinden) und aus der Drehleier und von der Geige (Anna Katharina Kränzlein, Puchheim), bei den ersten Schlägen des Schlagzeugers (Stefan Brunner, Gernlinden) und dem Zupfen der E-Gitarre (Markus Duckstein, Puchheim) hüpft und singt und klatscht das Publikum begeistert mit. Lieder über tapfere Drachentöter, Narren- und sonstige Könige, Prinzessinnen, oder das einfache Volks stimmen halt fröhlich.

Vieles ist bekannt, denn die Band hat ihr Jubiläumskonzert unter das Motto "Von Leuchtfeuern und anderen Halunken" gestellt und präsentiert damit neben Neuem vor allem ein "Best of". Das gefällt. Keine Mühe hat Thomas Lindner daher, die Besucher zum Tanzen aufzufordern. Bei den rhythmischen Klängen hält es selbst die Tante nur kurz auf ihrem Höckerchen aus. "Wir sind bunt und nicht braun" erntet große Zustimmung, die Ballade "Zum Geleit" berührt, zum "Herrn der Wellen" wiegen sich die hochgestreckten Arme. Die Hommage an den Räuber Kneissl wird genauso begeistert aufgenommen, wie der "Brandner Kaspar". In Reihen wird getanzt, mit Fremden wie mit Freunden, und laut in den Nachthimmel "Na und" geschrien - auf das nicht ganz ernst gemeinte Loblied auf den Schnaps. Aber auch die Liebe als solche und insbesondere können die eben noch in die Schlacht gezogenen Musiker in sanften Tönen besingen,

24 Konzerte weitere stehen jetzt noch auf dem Tourneeplan. Ein bisschen Sorge hat Ursula Koch schon, dass die Stimme der Sänger das aushalten. Aus gesundheitlichen Gründen musste die Tournee bereits auf das zweite Halbjahr 2017 verlegt werden. Für das erfolgreiche Debüt hat die Kraft schon einmal gereicht.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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