Demonstration vor dem Rathaus:Mehrheit für Gewerbegebiet

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Bürger aus Karlsfeld und Dachau stellen die Grundsatzfrage: Können es sich die Gemeinden leisten, die Reste der Grünzugs noch weiter zu reduzieren? (Foto: Toni Heigl)

CSU und SPD pochen darauf, ein zwölf Hektar großes Areal an der Schleißheimer Straße trotz zweier verlorener Bürgerentscheide zu bebauen. Stefan Kolbe (CSU) setzt auf "innovative Firmen". Das Bündnis für Karlsfeld lehnt die Pläne als "naturschutzfachliche Katastrophe" ab

Von Christiane Bracht, Karlsfeld

Die Furcht, dass das versprochene Landschaftsschutzgebiet zwischen Karlsfeld und Dachau nie realisiert wird, hat die Bürgerinitiative jetzt auf die Straße getrieben. Vor dem Rathaus stellten sich etwa 20 Kämpfer für den Erhalt des Grünzugs auf. Mit Flyern und Banner machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam: "Weitere Gewerbegebiete am Kanal bedeuten ... noch mehr Stau" oder "Grünzug - was sonst! Damit uns die Luft nicht ausgeht". Der Wirtschaftsförderer der Karlsfelder Gemeindeverwaltung, Peter Freis, achtete peinlich genau darauf, dass sich kein Zettel ins Rathaus verirrte. Passanten schauten auf, manch einer stellte sich dazu. Man debattierte in Gruppen darüber, wie wichtig ein Landschaftsschutzgebiet wäre und darüber, dass der Grünzug an allen Ecken und Enden "angeknabbert" würde. Gemeinderäte nahmen die Aktion mit Stirnrunzeln hin und drückten sich an den Demonstranten vorbei ins Rathaus. Ohne Anlass war die Aktion nicht: Das geplante Gewerbegebiet an der Bajuwarenstraße, dass in der Vergangenheit schon zweimal durch Bürgerentscheide gekippt worden war, stand wieder einmal auf der Tagesordnung.

Drinnen war der Schutz des Grünzugs jedoch nur am Rande Thema. Der Schwerpunkt lag eher beim Verkehr, der von dem geplanten Gewerbegebiet ausgehen würde. Die Ansiedlung von Gewerbe auf dem etwa zwölf Hektar großen Areal an der Kreuzung zur Schleißheimer Straße stand für die Mehrheit der Gemeinderäte indes außer Frage. "Nach dem Beschluss für die Sportplätze des TSV muss jedem bewusst sein, dass ein zusätzliches Gewerbegebiet nötig ist", postulierte Johann Willibald (CSU). "Wir brauchen Einnahmen und das sind die einzigen Flächen, wo wir das anpacken können." Auch Hiltraud Schmidt-Kroll (SPD) betonte: "Es mangelt uns an Geld, wenn wir nicht zusätzliche Gewerbesteuern einnehmen." Man müsse nur schauen, was für Betriebe man dort ansiedelt, mahnte sie.

"Lautes Gewerbe ist nicht zulässig", erklärte die stellvertretende Bauamtsleiterin Simone Hotzan. Das habe das Emissionsgutachten ergeben. Denn nahe dem geplanten Gewerbegebiet sind auf Dachauer Flur Wohngebiete. Problematischer ist das Verkehrsgutachten: Die Kreuzung Bajuwaren- /Schleißheimer- /Alte Römerstraße sei schon jetzt sehr belastet und werde durch ein Gewerbegebiet noch mehr Verkehr aufnehmen müssen, so Hotzan. Denn das neue Gewerbegebiet soll an die Bajuwarenstraße angeschlossen werden. "Und man kann nicht davon ausgehen, dass alle Richtung Süden zur B 471 fahren", sagte die Bauamtsleiterin. Zu den "Spitzenzeiten", also morgens von 7.30 Uhr bis 8.30 Uhr sowie nachmittags von 16.45 Uhr bis 17.45 Uhr, sei der Knotenpunkt jetzt schon jetzt bis zum Anschlag belastet. Das heißt, die Autofahrer stünden im Stau und müssen mehrere Ampelschaltungen abwarten bis sie die Kreuzung passieren können. Trotzdem will die Gemeinde an dem Standort festhalten und den Flächennutzungsplan so schnell wie möglich vorantreiben. Im Herbst soll bereits die erste Bürgerbeteiligung sein.

Eine zweite Zufahrt, wie von Schmidt-Kroll vorgeschlagen, ist nicht möglich, weil dann der Schleißheimer Kanal, der ein Baudenkmal ist, gequert werden müsste. Beate Full (SPD) hatte noch die Idee eines Grundstücktauschs mit der Gärtnerei. "Dann könnte man eine zusätzliche Ausfahrt zur B 471 machen und einen großen Teil des Verkehrs direkt dorthin ableiten", sagte sie. "Das könnte das Problem lösen." Das Bauamt will ihre Anregung nun prüfen.

Jedes Jahr habe die Verwaltung 60 bis 100 Anfragen von Firmen, die sich gern in Karlsfeld niederlassen würden. Vom großen Logistiker, der 30 000 bis 50 000 Quadratmeter für die LKW-Bewegungen brauche, bis hin zum produzierenden Betrieb. Kolbe (CSU) denkt für das neue Gewerbegebiet eher an "innovative Firmen", "Denkfabriken", die ihren Hauptsitz in Karlsfeld haben und nicht ein Ableger von einem Unternehmen sind, das anderswo seinen Sitz hat. Doch die Festlegung auf bestimmte Firmen ist eher Sache des Bebauungsplans. Jetzt stehe erst einmal der Flächennutzungsplan im Vordergrund. Adrian Heim (Bündnis für Karlsfeld) wandte ein, Denkfabriken könne man auch am S-Bahnhof unterbringen, dann könnten die Mitarbeiter mit der Bahn kommen und man bräuchte kein Gewerbegebiet. Auch Parteikollegin Mechthild Hofner lehnte das Gewerbegebiet ab, es sei eine "naturschutzfachliche Katastrophe", sagte sie und mahnte den noch immer fehlenden Landschaftsschutz an. Vor zwei Jahren hatte die Gemeinde die Ausweisung eines Landschaftsschutzgebiets beschlossen. Der Kreistag hatte dies abgelehnt mit der Begründung: Wenn Karlsfeld und Dachau dies wollten, sollten sie einen Flächennutzungsplan aufstellen. Bürgermeister Stefan Kolbe zeigte sich "nicht glücklich", über "das was im Kreistag gesprochen wurde". Dennoch mahnte er zur Eile hinsichtlich des Gewerbegebiets.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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