Defibrillatoren in Dachau:Lebensretter, wo bist du?

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Nur wenige Geräte in Dachau sind rund um die Uhr öffentlich zugänglich, und kaum ein Bürger weiß wo. Eine Initiative des CSU-Kreisvorsitzenden Bernhard Seidenath soll das nun grundlegend ändern - bayernweit

Von Petra Schafflik und Franziska Stolz, Dachau

Solche kritischen Situationen gibt es immer wieder: Am Dachauer Bahnhof sei ein Reisender bewusstlos zusammengebrochen, berichtete CSU-Stadtrat August Haas kürzlich im Verkehrsausschuss des Stadtrats. "Zum Glück war ein Arzt in der Nähe, dem Mann ging es bald wieder gut." Doch Haas konstatierte ein Manko, das auch die ÜB im vorigen Jahr bereits moniert hat: An der S-Bahn-Station gibt es keinen Defibrillator (Defi), der im Falle eines Herzversagens wertvolle Dienste leisten könnte, weder in Dachau noch anderswo. Weil sich die Bahn um eine technische Beeinflussung der Geräte durch die stromführenden Oberleitungen sorgt, sind Defis im Gegensatz etwa zu den Münchner U-Bahn-Stationen auf oberirdischen Bahnhöfen nicht zugelassen. Das hat die Stadt auf eine entsprechende Anfrage kürzlich erfahren, wie Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) informierte. "Eine aktive Ausstattung der Bahnhöfe mit Defibrillatoren sieht die DB aktuell nicht vor", teilte ein Bahnsprecher auch auf SZ-Nachfrage mit.

Anderswo in der Stadt sind die lebensrettenden Geräte durchaus verfügbar. Allerdings viel zu wenige öffentlich zugänglich wie Dennis Behrendt, stellvertretender Kreisgeschäftsführer des BRK und Leiter des Rettungsdienstes, kritisiert. Auch eine Kartierung oder Übersicht fehlt. Nicht nur in Dachau. Weshalb auf Initiative des Dachauer CSU-Kreisvorsitzenden Bernhard Seidenath und Vorsitzender im Landtagsausschuss Gesundheit und Pflege, der Freistaat nun 500 000 Euro investiert für mehr Defibrillatoren und auch in ein Defi-Kataster, das in einer App auf dem Smartphone den schnellsten Weg zum nächsten Gerät zeigt. Im Landkreis soll die Erfassung der Defibrillatoren über die Gesundheitsregionen Plus laufen, einen Zusammenschluss von Akteuren im Gesundheitswesen. "Denn", so Seidenath, "was nützt ein Defibrillator, wenn im Notfall keiner weiß, wo er sich befindet?"

Im Empfangsbüro des Rathauses befindet sich ein Defibrillator. (Foto: Toni Heigl)

Unumstritten sei, dass Defibrillatoren Leben retten können, sagt Dennis Behrendt vom BRK. Denn ein Herzversagen könne jeden treffen. In Deutschland sind es jährlich 150 000 Menschen, die einen plötzlichen Herztod erleiden, aber mit einer raschen Früh-Defibrillation möglicherweise hätten gerettet werden können. "Jede Minute zählt." Die gängige manuelle Herz-Lungen-Belebung bleibe aber unerlässlich, betont Behrendt.

Wie das geht, erklärt Alexander von Freyburg, Leitender Oberarzt in der Notaufnahme des Helios Amper-Klinikums Dachau: "Ist die Person noch ansprechbar, wird sie in stabile Seitenlage gebracht. Bei einer bewusstlosen Person muss man Atmung und Kreislauf überprüfen. Liegt ein Herzstillstand vor, beginnt man sofort mit einer Herzdruckmassage." Das Lied "Staying alive" von den Bee Gees habe genau die Anzahl Schläge pro Minute, die den richtigen Rhythmus vorgibt. Falls mehrere Personen da sind, könne man sich abwechseln oder eine Person losschicken, um einen Defibrillator in der Nähe herzuholen, sagt von Freyburg. Auf keinen Fall dürfe man den zusammengebrochenen Menschen alleine liegen lassen, um einen Defibrillator zu holen. Das Wichtigste sei, sofort mit der Herzdruckmassage beginnen, bis der Rettungsdienst kommt. Doch je früher ein Defi eingesetzt werde, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene die Herzattacke ohne bleibende Schäden überstünden, wie Dennis Behrendt vom BRK ergänzt. Weil auch in der Stadt der Rettungsdienst nicht in ein bis zwei Minuten da sein kann, kommt der Hilfe mit dem Defi große Bedeutung zu.

Wie viele Geräte es aktuell in der Stadt gibt und wo sie stationiert sind, lässt sich bereits in verschiedenen Online-Karten oder Apps nachsehen. Doch zentral und zuverlässig erfasst sind Defis in Dachau nicht. Im Klinikum wie auch in einigen Arztpraxen hängt ein Gerät, auch einige Bankfilialen und große Unternehmen verfügen über Defibrillatoren. Die Stadt hat je ein Gerät im Rathaus und im Bürgerbüro installiert, die allerdings nur während der Öffnungszeiten zugänglich sind, erklärt der für das Gebäudemanagement verantwortliche Kämmerer Thomas Ernst. Auf Antrag der ÜB werden in den Aussegnungshallen von Stadt- und Waldfriedhof demnächst ebenfalls Defibrillatoren installiert. In den städtischen Bädern gibt es je ein Gerät. "Dort wurden die Defis auch schon mehrmals erfolgreich eingesetzt", sagt Sprecherin Cornelia Scheyerl. Die Badmitarbeiter seien alle in Erster Hilfe geschult wie auch alle Busfahrer. Allerdings hat nicht jeder Bus einen Defi an Bord, auch in den städtischen Parkhäusern sucht man sie vergebens. Dort wäre die Gefahr von Vandalismus zu groß, so Scheyerl. Beim Sportverein ASV gibt es je ein Gerät in der Mehrzweckhalle und an der Jugendsportanlage. "Wir waren eine der ersten, die einen Defi hatte", sagt Geschäftsführer Andreas Wilhelm. Mehrfach seien die Geräte schon mit Erfolg eingesetzt worden.

Wie ein Deifibrillator angewandt wird, führt ein Rotkreuz-Mitarbeiter in der Rettungswache Gröbenried vor. (Foto: Toni Heigl)

Auch wenn in der Stadt also gar nicht so wenige Defis stationiert sind, bleiben die meisten für Notfälle nur begrenzt für Beschäftigte und Besucher zugänglich. "Ich würde deshalb Defis an großen öffentlichen Plätzen befürworten", erklärt BRK-Rettungsdienstleiter Behrendt. Zudem wünscht er sich mehr Interesse der Bevölkerung für einen Erste-Hilfe-Kurs. Das BRK führe jährlich 3000 Schulungen durch, allerdings fast ausschließlich für Bürger die an ihrem Arbeitsplatz als betriebliche Ersthelfer im Einsatz sind oder ein Zertifikat für den Führerschein benötigen. Doch eine Auffrischung wäre für alle Bürger sinnvoll, betont Behrendt.

© SZ vom 17.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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