Dachauer Treffpunkt:Das große Kistenpacken

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Das alte Gebäude an der Brunngartenstraße wird saniert, viele langjährige Mieter müssen raus. (Foto: Toni Heigl)

Das ehemalige Fabrikgebäude an der Brunngartenstraße 5 soll saniert werden. Den ersten Mietern wurde bereits gekündigt.

Von Andreas Förster, Dachau

Das Gebäude an der Brunngartenstraße 5 ist eine weithin bekannte Adresse in Dachau: Die Tafel hat hier ihren Sitz, der Billardclub, die Boxschule, die Volkshochschule, ein Fitness- und ein Pole-Dance-Studio und eine Schule für Kung-Fu. Doch nun herrscht große Verunsicherung: Die RH Unternehmensgruppe mit Sitz in Grünwald will das Gebäude sanieren und ein Teil davon in moderne Miet- und Gewerbeflächen umwandeln. Mieter im Westflügel, deren Flächen geringer als 200 Quadratmeter sind, sollen gehen.

"Es heißt, es sollen neue Wohnungen entstehen und dass viele der Mieter rausmüssen", sagt Rechtsanwalt Hannes Schwesinger. Seine Kanzlei liegt im Westflügel des ehemaligen Fabrikgebäudes. Einige Mieter sind verunsichert, sie wollen nicht öffentlich über die Situation sprechen, auch aus Angst, sie könnten dadurch ihre Kunden verschrecken. Andere haben die Kündigung bereits erhalten, hoffen aber immer noch, den Vermieter umstimmen zu können. Das Areal befand sich mehr als 40 Jahre lang in Familienbesitz und wurde von einer fünfköpfigen Erbengemeinschaft verwaltet. Seit Ende 2016 ist der Diplom-Kaufmann und Geschäftsführer der RH-Unternehmensgruppe Robert Hübner Alleininhaber.

Auf Nachfrage der SZ bestätigte er die Pläne und präzisierte sie in einer knappen schriftlichen Verlautbarung so: "Vorgesehen ist, den Bau in Teilen neu zu strukturieren und Flächen zu optimieren." Dies beinhalte den Neubau von bis zu zehn Mietwohnungen mittlerer Größe im westlichen Teil des Areals. Etwa zwei Drittel des Gebäudes werden weiterhin gewerblichen Nutzern zur Verfügung stehen. Nun, da Hübner alleine das Sagen hat, möchte der 57-Jährige sein Vorhaben offenbar möglichst schnell umsetzen: "Der erste Schritt wird die Sanierung der Sanitär- und Heizungsanlagen sein", teilte Hübner mit. Die Dauer des gesamten Sanierungs- und Umbauprozesses ist auf etwa drei Jahre angelegt. Beginnen sollen die Arbeiten schon im Sommer. Hannes Schwesinger bleibt dennoch gelassen. "Mein Vertrag läuft noch bis 2021", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. Das gebe ihm genug Planungssicherheit. Heilpraktikerin Anke Jarré hingegen wird mit ihrer Praxis für ganzheitliche Psychotherapie schon bald ausziehen: "Mein Vertrag wurde zum 31. August gekündigt", sagt sie. "Ich ziehe ins Haus meiner Eltern in Karlsfeld." Sieben Jahre lang empfing sie ihre Klienten in der Brunngartenstraße. Der Vertrag der Boxschule von Mario Stanislaw endet in zehn Monaten. "Anschließend werden wir uns, wie von Beginn an geplant, vergrößern. Geeignete Räumlichkeiten haben wir bereits gefunden. Wo das ist, werden wir zu gegebener Zeit bekanntgeben", sagt der Box-Trainer.

"Das ist der Lauf der Zeit"

Auch sein Kollege Ulrich Stauner, der seit 16 Jahren in der Brunngartenstraße Ving-Tsun-Kung-Fu-Kurse anbietet, muss umziehen: "Das ist der Lauf der Zeit", so Stauner. "Wir haben zum Glück in Dachau-Ost schon eine neue Location gefunden, etwas größer, aber leider doppelt so teuer. Im Mai geht's dort weiter." Nicht betroffen sind die Großmieter des Gebäudekomplexes: die Volkshochschule Dachau, die dort verschiedene Kurse aus den Bereichen Sprachen, Gesundheitsprävention, Berufliche Bildung und Integration anbietet. Eines ist aber klar. "Nach der Renovierung wird der Mietzins angepasst werden", sagt VHS-Geschäftsführer Matthias Buschhaus. Auch die Tafel Dachau, die Bedürftige aus dem Landkreis kostenlos mit Lebensmitteln versorgt, kann an ihrem angestammten Ort bleiben. Leiterin Edda Drittenpreis: "Wir haben praktisch einen Vertrag auf Lebenszeit ausgehandelt." Die Mieter im Ostteil des ehemaligen Fabrikgebäudes, darunter die Lipsticks Sportprodukte GmbH, das Umweltlabor Mayer und insbesondere das "Triple B" mit dem traditionsreichen Billardverein und amtierenden deutschen Meister BSV Dachau, haben ebenfalls nichts zu befürchten - außer einer Mieterhöhung.

Bei denen, die gehen müssen, macht sich zum Teil aber jetzt schon Wehmut breit: Eine Mieterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will und schon seit 28 Jahren in dem Gebäude ansässig ist, ist über ihre Kündigung sehr traurig. "Mein Raum ist wie ein kleiner Tempel", sagt sie. "Klein und verwinkelt, mit einem altmodischen Flur, das alles birgt viel Intimität und Seele. So etwas findet man in Dachau nicht mehr."

© SZ vom 04.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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