Dachauer Schlosskonzert:Innig und beseelt

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Wie der Geiger Kristóf Baráti und der Pianist Gábor Farkas ihr Publikum im Schloss mit einer virtuosen, edlen Art berühren

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Ja gibt es das denn überhaupt noch, dass ein international anerkanntes Spitzenensemble das Konzertpodium betritt und sein Programm nicht in den schier wahnsinnig schnellen Tempi unserer Zeit abjagt, das heißt letztlich, vor allem mit Virtuosität prahlt? Das erste Dachauer Schlosskonzert im neuen Jahr zeigte das aufgrund der bisher überwiegenden Erfahrungen kaum noch für möglich Gehaltene: Ein ungarisches Duo - Violine und Klavier - tritt auf und spielt Beethoven und Brahms einfach wunderbar, so selbstverständlich, dass sich Fragen nach dem richtigen Tempo oder der Agogik und Dynamik überhaupt nicht ergeben. Der Geiger Kristóf Baráti und der Pianist Gábor Farkas, beide aus Budapest, waren die Künstler, die mit ihrem Spiel, aber auch mit ihrem Konzertprogramm ihr Publikum vom ersten Einsatz an überzeugten und schließlich restlos beglückten. Schon das Programm ließ die besondere Klasse dieser Künstler erahnen. Baráti und Farkas begannen mit Beethoven und spielten seine selten aufgeführte Sonate in a-Moll op. 23.

Über die fünf frühen Violinsonaten von Beethoven schreibt der Münchner Musikgelehrte Walter Riezler in seinem Beethoven-Buch: "Sie sind ,Kammermusik' im wahrsten Sinne des Worts, feingliedrig und intim. . ., vielleicht nicht so abgründig wie manche der frühen Klaviersonaten, aber dafür abgerundeter und reifer, jede einzelne vollkommen ausgewogen in den Sätzen." Wie schön liest sich das - aber wann und wo bekommt man diese Musik je so schön gespielt zu hören? Riezler hat noch mehr zu sagen: ". . . die Krone gebührt aber doch wohl der vierten in a-Moll, wenn sie auch erfahrungsgemäß neben der unbeschreiblichen Lieblichkeit der fünften, der sogenannten Frühlingssonate keinen leichten Stand hat." Das also war das große musikalische Erlebnis in diesem Dachauer Schlosskonzert, die Krone von Beethovens frühen Violinsonaten in einer adäquaten, ja kongenialen Aufführung als intime Kammermusik.

Auch die darauf folgende Violinsonate A-Dur op. 100 von Johannes Brahms war ganz in diesem Geiste als intime Kammermusik gespielt. So innig und beseelt und so österreichisch geprägt wie an diesem Abend im Dachauer Schloss hört man diese Sonate heute kaum mehr. "Das Hauptthema des ersten und dritten Satzes der neuen Violinsonate. . . könnten sie nicht fast von Haydn sein?", fragte der berühmte Wiener Kritiker Eduard Hanslick beim Erscheinen der A-Dur-Sonate op. 100 von Brahms. Auf diese Idee kann man aber nur kommen, wenn das Werk so gespielt wird, wie wir es jetzt im Schloss hörten - und wie es Brahms eben nur in Österreich schreiben konnte.

Baráti und Farkas sind keine Podiumstars. Ihre Beethoven- und Brahms-Interpretation gehört eigentlich nicht aufs Konzertpodium, sondern in die intimere Atmosphäre der Musik in der Kammer. Auch im zweiten Teil des Programms, wo vor allem Kristóf Baráti äußerst virtuose Werke spielte, aber - das war das besonders Schöne - nicht damit auftrumpfte, blieb die Musik im Vordergrund. Eine Sonate für Violine solo von Eugene Ysaye ist eine Doppelgriff-Orgie. Baráti spielte sie voll gesammelter Kraft und Klanglichkeit unglaublich virtuos, zugleich aber auch ganz selbstverständlich virtuos, und die Rhapsodie de concert "Tzigane" von Maurice Ravel war danach noch eine Steigerung. "Ein diabolisch schweres Stück" wollte Ravel schreiben, bei Baráti erschien es schwer, aber keineswegs verteufelt schwer, sondern vor allem rassig ungarisch, und das Ungarische ist hier wie bei Franz Liszt ganz natürlich mit äußerster Virtuosität verbunden.

In Erinnerung an einen ihm lieb gewordenen Ort in der Ukraine schrieb Tschaikowsky drei Stücke für Violine und Klavier. Diese Musik spielten Baráti und Farkas so schön, dass man in Nostalgie eigene besonders schöne Erinnerungen wachrufen konnte. Die Zugabe, ein beseligend schön gespielter Satz aus einer Brahms-Violinsonate bestätigte den Charakter dieses musikalischen, man möchte sagen "außerordentlich musikalischen" Abends im Dachauer Schloss. Es war kein Konzertabend mit virtuosen Solisten, sondern trotz hochrangiger Virtuosität beglückende Musik der edelsten Art - Kammermusik.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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