Dachauer Schlosskonzert:Absolute Perfektion

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Star-Trompeter Gábor Boldoczki und die "Prague Philharmonia" glänzen mit virtuos gespielten Kompositionen aus Böhmen

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Fast alle böhmischen Musiker des 18. Jahrhunderts verließen ihr Land und suchten vor allem in Wien, der unbestrittenen Hauptstadt der Musik, ihr Glück. Nur die Brüder Benda zog es nach Potsdam, während Johann Stamitz der Kopf der Mannheimer Schule wurde. Franz Benda, der ältere Bruder, brachte es vom Straßenmusikanten zum Konzertmeister Friedrich des Großen und war berühmt durch sein seelenvolles Spiel.

Seine 2. Sinfonie eröffnete am Samstag dieses böhmische Konzert der PKF - Prague Philharmonia in Dachau als ältestes Stück - Franz Benda ist 1709 geboren, also noch vor Gluck, Leopold Mozart und Philipp Emanuel Bach, seinem Kollegen im Orchester Friedrichs des Großen, und weit vor Joseph Haydn. Seine Musik gab einen guten Vorgeschmack auf die kommenden Genüsse dieses Dachauer Schlosskonzerts.

Auch Johann Baptist Neruda war ein auswärts wirkender böhmischer Geiger und Komponist. Er brachte es in der Dresdener Hofkapelle bis zum Konzertmeister. Weil Dresden zu seiner Zeit auch eine Bläser-Hochburg war, schrieb Neruda neben Sinfonien, Violinkonzerten und Kammermusik auch ein Konzert für Corno da caccia (Jagdhorn) und Streicher mit Basso continuo, das jetzt der ungarische Star-Trompeter Gábor Boldoczki mit virtuosen Kadenzen versah und auf der im 20. Jahrhundert erfundenen sogenannten Bach-Trompete spielte. Natürlich war die Ausführung perfekt.

Von der noch vom barocken Generalbass gestützten Musik wagte man einen Sprung zu Musik von Antonín Dvořák, zu seinem "Nokturno H-Dur op. 40". Dieses ursprünglich als Satz für ein Streichquartett oder Streichquintett komponierte Stück wirkte an dieser Stelle des Programms überraschend und fremd, der bekannte und beliebte Dvořák kam erst im zweiten Teil des Programms mit seinen zwei Walzern für Streichorchester op. 54 und einer Zugabe zum Zug.

Im Dachauer Schloss kam jetzt ein österreichischer Komponist zu Wort, nämlich der 1774 in Pressburg, dem heutigen Bratislava, geborene Johann Nepomuk Hummel, der in Wien Schüler Mozarts wurde und in Eisenstadt sogar die Nachfolge von Joseph Haydn beim Fürsten Eszterházy abtreten durfte. Das war nun wie "Luft von einem anderen Planeten". Gábor Boldoczki brachte für seine Bearbeitung eines Oboenkonzerts von Hummel gleich drei verschiedene Trompeteninstrumente auf das Podium, die hohe "Bach-Trompete", eine Spezialtrompete für die Mittellage und ein Flügelhorn für die tieferen Regionen. Die drei Instrumente und sein virtuoses Spiel auf ihnen beeindruckten das Publikum sehr, die Musik, bestehend aus Introduktion, Thema und Variationen in f-Moll vielleicht sogar noch mehr.

Nach der Pause wartete der größte Eindruck auf das Dachauer Publikum, eine Sinfonie g-Moll von Johann Baptist Vanhal. Dieser irgendwo in Böhmen geborene Haydn-Zeitgenosse kam als 21-Jähriger nach Wien und wurde dort später so beliebt, dass er ohne feste Anstellung nur von seinen Kompositionen und vom Unterrichten leben konnte - der erste freischaffende Komponist. Auch Haydn führte seine Sinfonien in Eisenstadt oder Schloss Eszterházy auf. Vanhals g-Moll-Sinfonie ist ein großartiges Werk, das der klassischen Sinfonie Haydns und Mozarts Konkurrenz machen könnte. Vor allem der zweite Satz, eine Sinfonie concertante für Violine, Viola und Orchester bezauberte. Er wurde von Konzertmeister Jan Fišer und einer ungenannten Bratschistin des Orchesters sehr schön gespielt.

Zuletzt durfte man noch einmal Gábor Boldoczki bewundern. Er spielte das Kontrabasskonzert von Vanhal in einer Bearbeitung für Flügelhorn, die er sich selbst auf den Leib geschrieben hat. Das war freilich die absolute Perfektion in jeder Hinsicht.

© SZ vom 25.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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