Dachauer Piraten:Kurz vor dem Entern

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Die Piratenpartei im Landkreis sieht sich gut aufgestellt, um einen Dachauer Kreisverband zu gründen.

Matthias Pöls

Es fehlt "Club-Mate". Das Getränk ist Kult und aus der Piratenszene nicht wegzudenken. Die Abgeordneten der Berliner Piratenfraktion haben die "Hackerbrause" salonfähig gemacht. Aber in der Dachauer Tafernwirtschaft gibt es diese Limonade nicht. Das bemängeln die Piraten. Dabei soll aus den bisher lockeren Versammlungen am Stammtisch eine richtige Struktur hervorgehen. Es stehen lange, arbeitsreiche Nächte bevor, da braucht es koffeinhaltige Verpflegung. Neun Piraten aus dem Landkreis planten kürzlich, wie der Kreisverband bis zum Ende des Sommers gegründet werden kann - sie wollen erwachsen werden und politisch partizipieren.

Die Piraten fühlen sich im Aufwind. Bis zum Ende des Sommers soll der Kreisverband stehen. (Foto: dpa)

Bisher liefen die Stammtische völlig locker ab. Pflichten oder Aufgaben gab es nur für wenige. Die beiden Hauptinitiatoren Dirk Waltert und Michael Stanscheck scheinen mit dem dritten Belebungsversuch der Piraten im Dachauer Land Erfolg zu haben. Seit über einem halben Jahr tauchen einmal im Monat 20 bis 25 Interessierte bei den Treffen auf - vom 20- bis zum 60-Jährigen, vom Feuerwehrmann, Handwerksmeister, Webentwicklerin, Mitarbeiter des Landratsamtes, Teamleiter, Schuldirektor bis zum Studenten. Ein Mann, der zum ersten Mal bei einem Stammtisch war, konnte sich bis zwei Tagen davor nicht vorstellen, zu einer Partei zu gehen. Dann entschloss er sich doch spontan bei den Piraten vorbeizuschauen. "Wären hier nur junge Nerds gewesen, hätte ich auf dem Absatz wieder kehrt gemacht", sagte er.

Die Internetaffinität ist dennoch vorhanden. Auf den Tischen stehen Laptops und iPads. Stanscheck protokolliert die Treffen gleich für die Homepage und stellt sie noch an Ort und Stelle online. "Können wir nicht einen eigenen Internetzugang bekommen?", fragte der Marketingmann für Speichermedien den Kellner. Dann müssten sie nicht jedesmal den lange Zahlencode für das Wlan von einem kleinen Zettel abtippen.

Die Anwesenden beschnupperten sich erstmal, die Gespräche sind eher locker gehalten. Es wurde über die Bilderberg-Konferenz spekuliert und falsche physikalische Zahlen bei der Energiewende kritisiert. Bei jedem Stammtisch stellen Waltert und Stanscheck die ersten politischen Gehversuche auf Kreisebene vor: Infostände, Schul- und Verkehrspolitik, Mittagsbetreuung und Schwimmbad. "Keiner von uns ist ein Politiker, aber auch das entwickelt sich", sagt Waltert.

Für die beiden Initiatoren ist es bis dato eher Grundsatzarbeit gewesen: die Homepage vorstellen, bekannt werden, Infostände veranstalten und Mitglieder werben. Laut Piratenwiki ist die Mitgliederzahl im Landkreis auf 90 gestiegen, allerdings sind davon aktuell nur 37 sogenannte Zahler, also bestätigte und stimmberechtigte Mitglieder. Diese Größe halten Waltert und Stanscheck allerdings für die Gründung eines Kreisverbandes völlig ausreichend. Um den ins Leben zu rufen, genügt theoretisch schon ein kleines Zimmer, Papier, Bleistift und eine Handvoll Idealisten. Fünf wählbare Personen sollen, laut der Datei "How-to-Gründung" auf der Piratenhomepage, zur Verfügung stehen. Eine Vorlage die bereits zahlreiche neue Verbände deutschlandweit nutzten um die Basis zu erweitern. "Dazu benötigen wir dann noch einen Wahlleiter, zwei Wahlhelfer und einen Protokollanten", erklärt Stanscheck am Montagabend. Für den Gründungstag, voraussichtlich im Spätsommer, müssen alle Mitglieder des Landkreises angeschrieben werden, um die Möglichkeit zu haben an der geplanten Wahl des Vorstandes teilzunehmen und den Kreisverband zu gründen.

Vorher soll es das berühmt-berüchtigte "Kandidatengrillen" geben, eine Fragerunde in der die potenziellen Vorstandsmitglieder auf Herz und Nieren geprüft werden sollen. Von den neun Mann, die am Montag in der Tafernwirtschaft sitzen, wollen sich zwei um den Fragenkatalog kümmern. Eine Woche vor der Wahl sollen die Antworten im Internet veröffentlicht werden. Am Wahltag hat dann jedes Mitglied die Möglichkeit seine Fragen zu stellen. Doch bis dahin ist es noch viel Arbeit, jetzt wurden erst einmal die Aufgaben verteilt: man muss eine Satzung erstellen, einen Raum buchen und den Bezirksverband informieren.

Die Piraten hoffen, dass sich noch weitere Bürger engagieren wollen. Angesichts der kontinuierlich steigenden Mitgliederzahl sind sie zuversichtlich. "Mittlerweile hat sich eine mannstarke Truppe entwickelt, so dass der geplante Kreisverband mehr sein könnte, als ein Häuptling ohne Stamm", sagte Waltert in einem Gespräch mit der SZ.

Auch wenn "diese Vereinsmeierei eigentlich keine Piratensache ist", wie Stanscheck findet, so habe diese doch erhebliche Vorteile. Der wichtigste ist: "Wir sind eine ordentliche Partei." - mit klaren Ansprechpartnern, einer Struktur und rechtlicher Absicherung. "Um etwas zu erreichen, musst du stinken wie die Großen", meinte er am Montag in der Tafernwirtschaft. Der Kellner erklärte beim Kassieren, dass er sich um Club-Mate kümmern wolle. Allerdings ist das Szenegetränk außerhalb Berlins nur schwer und selten zu bekommen.

© SZ vom 06.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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