Dachau:Anwohner klagt gegen Jugendzentrum

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Wegen unzumutbaren Lärms zieht ein Dachauer vors Verwaltungsgericht. Die Stadtverwaltung stellt sich hinter die Jugendlichen.

Von Daniela Gorgs, Dachau

Wer in die Brunngartenstraße 7 kommt, an einer mit Graffiti besprühten Wand vorbei die Stufen zum Jugendzentrum des Vereins Freiraum hinuntergeht und dort auf die Bühne und die vielen Jugendlichen blickt, die sich in den gemütlich hergerichteten Kellerräumen tummeln, hat keinen Zweifel: In diesen 230 Quadratmetern Fläche steckt viel Engagement von Jugendlichen für Jugendliche. Die Vereinsmitglieder bauten die Lagerräume der Stadt Dachau in Eigenregie um zu einem Platz für Kunst, Kultur, Theater und Cafébetrieb. Der Freiraum ist ein Treffpunkt, an dem junge Menschen Musik machen, Konzerte veranstalten und sich austauschen. Ein Treffpunkt, den es in dieser Form in Dachau nur einmal gibt. Und den die Jugendlichen schätzen - nicht aber die Anwohner.

Der Verein hatte schon Ärger mit Nachbarn, bevor er sein selbstverwaltetes Jugendzentrum überhaupt eröffnen durfte. Anwohner beschwerten sich bei der Regierung von Oberbayern, weil sie Lärm befürchteten. Doch die Klage vor dem Verwaltungsgericht wurde abgewiesen, die Umnutzung als Jugendtreffpunkt genehmigt. Die Probleme blieben, die Jugendlichen aber reagierten. Sie isolierten die Wände und Fenster, ersetzten die Decke durch eine freischwingende, damit möglichst wenig Lärm nach außen dringt, und bauten eine Schalltüre ein. Um präventiv weiterem Unmut vorzubeugen, steht bei Veranstaltungen ein Vereinsmitglied vor der Tür und bittet die Raucher, sich ruhig zu verhalten. Und doch, eine weitere Klage eines Anwohners gegen die Stadt Dachau als Eigentümerin des Gebäudes folgte.

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(Foto: Toni Heigl)

Ganz hinten, bei dem kleinen weißen Punkt am Ende des Weges, dort befindet sich das Jugendzentrum Freiraum, die angebliche oder vermeintliche Ursache dafür, dass Menschen in der Nacht auf der Bank sitzen und Anwohner um den Schlaf bringen.

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(Foto: Toni Heigl)

Wer aber sagt, dass die Ruhestörer nicht von der benachbarten Wirtschaft kommen?

Kulturamtsleiter Tobias Schneider stellt sich hinter den Freiraum.

"Subkulturelles Flair und authentisches Ambiente"

Wie jetzt in der Verhandlung vor der 7. Kammer des Verwaltungsgerichts herauskam, stört den Anwohner vor allem eine Bank. Diese Ruhebank steht auf einem Weg entlang der Amper zwischen Jugendzentrum und Wohnung des Klägers. Auf dem Heimweg nach Veranstaltungen im Freiraum würden sich dort Jugendliche niederlassen, Bier trinken, schreien, grölen und singen, klagt der Anwohner. Und zuweilen auch ihre Notdurft verrichten, direkt unter dem Schlafzimmerfenster des Nachbarn. Der Anwohner, der selbst nicht vor Gericht erschien, fühlt sich laut seinem Anwalt erheblich in der Nachtruhe gestört. Ein Lärmgutachten zeigt, dass die Geräusche, die bei Konzerten nach außen dringen, um zwei Dezibel zu laut sind, der Lärm der Gäste auf dem Heimweg den Grenzwert um neun Dezibel übersteigt.

Der Kulturamtsleiter der Stadt Dachau, Tobias Schneider, weiß, dass die Interessen von Jugendlichen und der Lärmschutz oft unvereinbar sind. Schneider beschreibt den Freiraum als "zentralen Ort für junge Menschen" mit einzigartigem "subkulturellen Flair und authentischem Ambiente". Er fragt: "Wo sonst können Jugendliche in Dachau eine große Bandbreite an Musikstilen von Punk, Rock, über Reggae bis Hiphop erleben?" Im Ludwig-Thoma-Haus wäre das sicher nicht möglich. Die Zusammenarbeit des Freiraums mit dem Kulturamt sei sehr gut, völlig problemlos. Die Jugendlichen, die ihren Treffpunkt selbst verwalten, seien sehr verantwortungsvoll und stets um Ausgleich bemüht. So wie auch die Stadt Dachau selbst. Allein mit der Anzahl von Musikveranstaltungen auf dem Rathausplatz in der Altstadt etwa versuche man, Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen.

Partys gehen schon mal bis 4 Uhr

Der Freiraum veranstaltet pro Monat zwei Konzerte, die nachts um 1 Uhr enden. Partys gehen schon mal bis 4 Uhr. Joel Zambito, zweiter Vorsitzender des Freiraums, erklärte dem Verwaltungsgericht, dass man die Besucher bitte, den Heimweg leise anzutreten. Die Vorsitzende Richterin erkannte das Problem und versuchte es mit einem Einigungsvorschlag. Die öffentliche Ruhebank, die idyllisch in den Amperauen zwischen Jugendzentrum und Wohngebäude platziert ist, solle versetzt werden. Und der Freiraum dürfe nicht mehr als ein Konzert pro Monat veranstalten. Im Falle einer Einigung sei der Rechtsstreit erledigt.

Josef Hermann, Hauptamtsleiter der Stadt Dachau, wird den Vorschlag prüfen lassen. Wie der Kulturamtsleiter äußert sich auch Hermann lobend über die Zusammenarbeit mit den Jugendlichen vom Freiraum, mit denen die Stadt eine Nutzungsvereinbarung geschlossen hat. Damit besteht rechtlich ein Vertrag, Konzerte veranstalten zu dürfen. An der Versetzung der Bank solle die Einigung mit dem Anwohner nicht scheitern, sagt Hermann. Da werde man eine Lösung finden. Und doch könnte es passieren, dass es bei einem Versuch der Einigung bleibt. Wie Joel Zambito erklärt, möchte der Freiraum die Anzahl der monatlichen Musikabende nicht auf einen einzigen begrenzen. 16 Konzerte zählt er bislang in diesem Jahr. Das sei sowie schon wenig, um die verschiedenen musikalischen Interessen der Jugendlichen abzudecken. Dann merkt er noch an, dass es sich nicht immer um Besucher aus dem Freiraum handeln müsse, die den nächtlichen Lärm auf der Bank verursachten. Das könnten auch Betrunkene auf dem Heimweg vom Stadtkeller sein.

© SZ vom 08.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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