Dachauer Einrichtung erhält Zertifikat:Kulturschule in Bayern

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Kultusminister Michael Piazzolo hat jetzt die Greta-Fischer-Schule in Dachau für sein Pilotprojekt ausgewählt. Ebenso wie acht weitere Bildungseinrichtungen bekommt sie eine finanzielle Unterstützung, damit Kunst und Kreativität auch außerhalb des Lehrplans gefördert werden kann

Von David Holzapfel, Dachau

Drüben, im Altbau der Greta-Fischer-Schule in Dachau, bröckelt der Beton von den Stützpfeilern. Auch das Haupthaus, erst vor wenigen Jahren renoviert, besticht nicht wirklich durch eine außergewöhnliche Architektur. Doch das sieht man hier pragmatisch. Ingrid Warncke, zweite Konrektorin der Förderschule, deutet auf ein bodentiefes Fenster im Erdgeschoss: "Wenn mal wieder was undicht ist, dann muss eben der Hausmeister ran".

Bei allen Mängeln: Die Greta-Fischer-Schule ist etwas Besonderes. Das Schulhaus sprüht vor Leben, farbenfrohe Kunstwerke und Skulpturen in der Aula, in den Gängen, eigentlich überall. Sie entstammen den unzähligen Projekten, die von der Schule ins Leben gerufen worden sind, meist in Eigenregie, manchmal in Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden aus dem Dachauer Landkreis. "Respekt, Gemeinschaft, Kultur, diese Werte werden hier wirklich gelebt", sagt Viktoria Spitzauer, seit diesem Schuljahr neue Rektorin.

Kreativ und farbenfroh sind die Skulpturen der Schüler. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dafür wird das Förderzentrum jetzt ausgezeichnet. Zum neuen Schuljahr 2019/2020 wird es in das Pilotprojekt "Kulturschulen" aufgenommen. Dazu gehören bayernweit neun ausgewählte Bildungseinrichtungen. Kultusminister Michael Piazolo (FW) unterzeichnete unlängst eine entsprechende Fördervereinbarung mit der Stiftung Mercator. Konkret sieht diese Vereinbarung eine moderate finanzielle Unterstützung der Schule sowie Fortbildungsangebote für Lehrkräfte vor. Nach drei Jahren erhält das Förderzentrum das offizielle Zertifikat "Kulturschule in Bayern". "Diese Auszeichnung ist gut für unser Selbstbewusstsein", sagt Spitzauer.

Im Inneren der Schule empfängt den Besucher die Kreativität der Kinder und Jugendlichen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die neue Leiterin, eine gebürtige Dachauerin mit freundlichen Augen, hat sich schon gut eingelebt an der Greta-Fischer-Schule. "Ich bin heimgekommen", sagt sie. Vor zwölf Jahren war Spitzauer schon einmal hier, damals noch als Seminarleiterin. Nun ist sie Schulleiterin. Spitzauer tritt damit die Nachfolge von Gabriele Oswald-Kammerer und Irmgard Wilfurth an, die mit Ende des vergangenen Schuljahres beide in den Ruhestand eingetreten sind. 28 Jahre lang engagierten sich die zwei leitenden Sonderpädagoginnen mit viel Herzblut und Empathie für das Förderzentrum. Spitzauer möchte bewahren, was ihre Vorgängerinnen hinterlassen haben. Aber sie will auch weiterentwickeln, was für die Schule künftig wichtig wird: inklusive Konzepte und die Digitalisierung zum Beispiel. Was sie an dem Förderzentrum schätzt? "Alle mögen sich", sagt die Schulleiterin und lacht. Lehrer, Eltern, Schüler, das sei keine Selbstverständlichkeit. Bei ihrem Arbeitsantritt habe sie eine sehr kreative Schule, ein sehr engagiertes Kollegium angetroffen. Dies wolle sie weiter fördern.

Die neue Rektorin Viktoria Spitzauer freut sich über die Auszeichnung. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Aufnahme in das Projekt "Kulturschule" sieht Spitzauer nicht nur als Auszeichnung, sondern auch als Aufgabe. Für die Teilnahme wurden aus ganz Bayern vier Mittelschulen, drei Förderschulen, eine Realschule und ein Gymnasium ausgewählt. Es handelt sich um Schulen, die schon in den vergangenen Jahren besonders engagiert an Projekten zur künstlerisch-kreativen Bildung teilgenommen haben. So auch die Greta-Fischer-Schule. Bereits 2017 wurde sie von der Regierung Oberbayern als teilnehmende Schule für das Projekt "Schulentwicklung durch kulturelle Bildung an Förderschulen" ausgewählt. Hinter dem sperrigen Namen steckte eine simple Idee: nämlich Kunst und Kultur nicht nur im Rahmen des Lehrplans, sondern als zentralen Bestandteil im schulischen Leben zu verankern.

Von außen sieht die Greta-Fischer-Schule nicht wie ein Kulturzentrum aus. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Diese Saat ist aufgegangen an der Greta-Fischer-Schule. "Kultur hat zahlreiche Facetten", sagt Schulleiterin Spitzauer. Das Förderzentrum vereint viele von ihnen. Besonders deutlich wird das in der Aula, dem Epizentrum des Schullebens. Im Eingangsbereich grinst ein Haifisch gefährlich in Richtung Besucher. Echt ist das Raubtier glücklicherweise nicht, bunt bemalt entstand es während eines Kunstprojektes der Schule. An den Wänden hängen farbenfrohe Gemälde, Fotografien und Siebdrucke, von den 300 Schülern des Förderzentrums geplant und gestaltet. In der Mitte des weiten Raums steht ein hölzerner Flügel. Auch das ist das Selbstverständnis der Schule: Hier soll sich jeder einbringen können mit seinen ganz individuellen Fähigkeiten und Interessen.

Dieses Konzept sollen jetzt auch die anderen bayerischen Kulturschulen aufgreifen. Sie sollen sich austauschen, gemeinsam Konzepte entwickeln und Kooperationen eingehen. Ziel sei es, Vorbild für potenzielle neue Kulturschulen zu werden und diese beim Aufbau zu unterstützen, sagt Günther Schuster, Pressesprecher des Bayerischen Kultusministeriums.

Das Pilotprojekt wirkt wie eine Antithese zu jüngsten politischen Entwicklungen. Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen führt die Kultur in keinem der Aufgabengebiete ihrer 26 nominierten EU-Kommissare mehr im Titel. Kritiker befürchten, von der Leyen schade damit der demokratischen Debatte in Kultur und Medien und schwäche die ohnehin mit wenig Geld ausgestatteten Programme, mit denen Medien und Kultur gefördert werden. Die Greta-Fischer-Schule zeigt jedoch: Viel Geld braucht es nicht, um einen fruchtbaren kulturellen Nährboden zu schaffen.

© SZ vom 19.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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