Die meisten Besucher bleiben erst einmal auf der Treppe stehen, bevor sie den Raum zwischen den roten Vorhängen betreten. Die ersten drücken sich an die Seiten des Vorhanges, wie im Spalier. Manche betreten den Raum erst gar nicht und bleiben draußen in der Apothekergasse stehen. Es gibt aber auch welche, die unsensibel herein stolpern. Die Besucher kommen diesmal über den Hintereingang direkt in die Galerie ohne Umweg über den Gastronomiebereich.
Der Korridor mit dem aufregend schwarz-weiß gemusterten Fußboden aus David Lynchs Krimiserie "Twin Peaks", den das Künstlerpaar Trommeter/Szabó für seine Ausstellung "Transmission" geschaffen hat, wirkt auf die meisten einladend, auf manche befremdlich, macht auf jeden Fall neugierig. "Ich fühle mich etwas beengt", sagt ein Besucher. Seine Begleiterin indes fühlt sich wie auf dem Laufsteg. Der Korridor ist zweieinhalb Meter breit und wird im Lauf des Abends mit den vielen Menschen tatsächlich ziemlich eng. Bistrotische säumen den Vorhang wie eine Gasse. Die roten Tischlampen darauf kippen die stylishe Filmkulisse in das Ambiente einer altmodischen Vorstadt-Bar. Die dudelnde Musik im Hintergrund, die aus dem Restaurant der Schranne kommt, passt wie bestellt. Eine sonderbare Stimmung. Zwischen mysteriös und altbacken. "Ein bisschen schwülstig", sagt jemand. "Zwielichtig wie im Puff", bemerkt ein anderer Besucher. Alle warten darauf, dass etwas passiert. Als die Getränke serviert werden, löst sich die Spannung. Man steht eng gedrängt an den Tischen und führt Smalltalk wie auf einer Stehparty.
Plötzlich herrscht Leben in dieser Zwischenwelt. Das ist die Performance. Sie bezieht ihre Magie aus dem roten Kunstraum mit Zickzackboden, in dem alle zu Akteuren werden. Der Korridor, an dessen Ende ein Bildschirm steht, verändert seine Besucher. Er versetzt sie in eine artifizielle Welt und gibt ihnen das Gefühl, dass etwas passiert. Man prostet sich zu. "Die Performance funktioniert", stellt ein befreundeter Künstler fest. Ein wesentlicher Bestandteil in dieser Verschmelzung aus Raum, Zeit und Wahrnehmung ist die Künstlerin Barbara Trommeter. Sie sieht aus wie ein Filmgeschöpf aus einem Mystery-Thriller. Im schwarzen Catsuit mit netzartigen Löchern am gertenschlanken Körper und nichts darunter als Haut, mit den ultrahohen nietenbewehrten Plateauschuhen mit samtroten Absätzen und der extravaganten Frisur wird sie zur Kunstfigur.
Dann passiert doch etwas: Barbara Trommeter führt in einem Prolog mit dem Sänger Christian Eberl das Publikum in die unbeschreibliche Macht des Vorhanges ein. Er ist das Mittel um zu verbergen und zu enthüllen, um zu eröffnen und zu beenden. In der Königsfarbe Rot, der Farbe der Emotion, der Bewegung, des Begehrens, hat er eine unglaubliche, magische Wirkung. Als Grenze zwischen Zuschauerraum und Bühne, zwischen Realität und Fiktion. Die Besucher hören gebannt zu. Nichts wird in diesem Raum so bleiben, wie es ist, prophezeit die Künstlerin. Er wird sich in den kommenden Wochen immer wieder verändern. Schon allein, weil Kunst ein Kreislauf der Kommunikation ist. Als Christian Eberl - nicht auf einer Bühne, sondern zwischen den Gästen stehend - den Song "Blue Velvet" anstimmt, ist der Bezug zum gleichnamigen Film von David Lynch hergestellt. Man fragt sich: Wo lauert hinter der Idylle die Gefahr? Zu Henry Purcells unheimlichem "Cold Song" kriecht kalter Nebel über den Fußboden und Barbara Trommeter spricht vom Vorhang als "Maske des Unsichtbaren". Der Bildschirm zeigt immer nur den menschenleeren Raum. Die "Transmission" ist gelungen, und langsam kehren die Besucher wieder in die Realität zurück. Der Bariton schmettert Sinatras "My Way und singt vom "final curtain", der bald fallen soll. Aber der Vorhang bleibt.