Dachau:Wirtschaft wirbt für Ausbildung

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Schulleiter Johannes Sommerer verabschiedet 244 Absolventen der Berufsschule Dachau zuversichtlich ins Berufsleben. (Foto: Niels P. Jørgensen)

179 Lehrstellen sind im Landkreis Dachau offen. Immer mehr Jugendliche wollen Abitur machen und studieren. Jetzt steuert die Industrie- und Handelskammer gemeinsam mit dem Jobcenter Dachau dagegen

Von Tobias Roeske, Dachau

Jeder will Abitur machen. Jeder möchte auf die Universität. Keinem reicht mehr "nur" eine Ausbildung. So könnte man zusammenfassen, was derzeit vor allem kleine und mittlere Unternehmen beklagen. Wie die Industrie- und Handelskammer (IHK) München und Oberbayern mitteilt, gibt es im Landkreis 179 freie Ausbildungsplätze, auf die 157 unversorgte Bewerber kommen. Dabei sind die Chancen, mit einer Lehre im Berufsleben durchzustarten, so gut wie noch nie. Peter Fink, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Dachau, sagt zuversichtlich: "Angesichts der guten Wirtschaftslage und des drohenden Fachkräftemangels ist die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ungebrochen hoch, doch es fehlt immer häufiger an Bewerbern."

Der bildungspolitische Sprecher des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK), Hubert Schöffmann, weiß, dass viele Jugendliche und auch deren Eltern einen akademischen Abschluss einer Berufsausbildung vorziehen. "In den Augen der Jugendlichen hat die klassische Berufsausbildung immer mehr an Attraktivität verloren", bedauert der Experte. Es herrsche die Ansicht, dass man nur mit einem Studium erfolgreich in das Berufsleben einsteigen könne. Laut Trend des IHK Fachkräfte Monitors für München und Oberbayern wird es im Jahr 2030 mehr als 130 000 freie Stellen für beruflich Qualifizierte geben. Schöffmann sagt: "Man hätte wirklich gute Karrierechancen, wenn man sich in den kommenden Jahren für einen Ausbildungsberuf entscheidet."

Besonders gravierend ist der Auszubildendenmangel im Landkreis im Einzelhandel. Laut IHK sind für angehende Einzelhandelskaufleute, Verkäufer und Fachverkäufer noch mehr als 150 Stellen frei. Jedoch haben sich nur 54 auf einen entsprechenden Ausbildungsplatz beworben. Für den Bereich Lebensmittelverkäufer gibt es gar keine Interessenten. "Die Leute haben teilweise einfach veraltete Ansichten, und als Lebensmittelverkäufer zu arbeiten, gilt bei manchen als extrem unattraktiv", sagt Schöffmann. Das sei jedoch nicht begründet, auch dieser Bereich sei sehr viel moderner geworden und die Anforderungen für die Auszubildenden seien enorm gestiegen. "In Zeiten, in denen die Menschen immer mehr Wert auf eine fundierte Beratung legen, benötigt man entsprechend fachlich gut ausgebildete Verkäufer."

Die IHK versucht deshalb, Jugendlichen und auch deren Eltern die Vorteile einer Berufsausbildung näherzubringen. "Beispielsweise haben wir die Image-Kampagne "Elternstolz" ins Leben gerufen. Mit der wollen wir Eltern signalisieren, dass sie durchaus stolz auf ihr Kind sein können - auch wenn es eine Lehre begonnen hat", sagt Schöffmann. Neben Image-Kampagnen und Jobmessen gibt es auch sogenannte IHK-Aubildungsscouts: "Diese Scouts sind Azubis aus dem zweiten Lehrjahr, die an allgemeinbildende Schulen gehen, um den Schülern eine Karriere in Ausbildungsbetrieben schmackhaft zu machen und ihnen erzählen, welche Zukunftsmöglichkeiten ihnen damit offenstehen", sagt Schöffmann.

Für den Geschäftsführer des Jobcenters Dachau, Peter Schadl, gibt es für den Azubimangel noch einen weiteren Grund: "Die Schulabgängerzahlen sind in den vergangenen Jahren einfach zurückgegangen." Damit fehle es an qualifiziertem Nachwuchs für die Ausbildungsbetriebe. Das Jobcenter Dachau bietet deswegen Nachhilfeunterricht für Jugendliche an, damit sie die Schule erfolgreich abschließen können. "Zusätzlich gibt es von Ende Mai bis Ende August einen zwölfwöchigen Kurs für 20- bis 34-Jährige, die bisher noch keinen Berufsabschluss haben." Dort sollen sie die nötigen Qualifikationen erwerben, die sie für eine Lehre benötigen.

Große Hoffnung setzen sowohl die IHK, als auch das Jobcenter Dachau auf junge, anerkannte Flüchtlinge. "Viele Unternehmen sehen in diesem Personenkreis Potenzial für ihre freien Ausbildungsplätze", sagt Peter Fink vom IHK-Regionalausschuss Dachau. Deren Einstellung scheitere jedoch häufig an der mangelnden Planungssicherheit und den vielen bürokratischen Hürden. Deswegen fordert Fink die schnelle Umsetzung des "3+2-Modells". Laut diesem dürfen junge Flüchtlinge, die eine Lehre aufnehmen, in den drei Jahren der Ausbildung und den zwei darauf folgenden Jahren nicht abgeschoben werden. Der BIHK hat einen entsprechenden Vorschlag in das neue Integrationsgesetz eingebracht. "Dieses Modell löst vielleicht nicht das komplette Problem. Aber es ist ein helfender Baustein," sagt Schöffmann. Diese Hoffnung könnte sich bestätigen, wie die Abschlussfeier an der Dachauer Berufsschule vermuten lässt. Schulleiter Johannes Sommerer entlässt 244 Absolventen mit guten Perspektiven und 29 Flüchtlinge, die sich auf eine Lehrstelle vorbereitet haben.

© SZ vom 21.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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