Dachau:Von wahrem Reichtum

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Der Paradeislabend der Thoma-Gemeinde und Geschichten von Peter Rosegger, musikalisch begleitet durch die Huber Deandl

Von SONJA SIEGMUND, Dachau

Hell leuchten die vier brennenden Kerzen inmitten der liebevoll gebastelten Pyramidengestecke und dem Tannengrün. Bis Ende des 19. Jahrhunderts der Adventskranz heimisch wurde, schmückten Paradeisln mit roten Äpfeln und Buchszweigen die Wohnstuben. Diesen uralten Brauch lässt die Ludwig-Thoma-Gemeinde alljährlich am vierten Advent im Erchanasaal lebendig werden. Nur im vergangenen Jahr mussten die Gäste im Thomahaus auf den besinnlichen Kerzenschein verzichten - aufgrund neuer EU-Brandschutzbestimmungen für das Ludwig-Thoma-Haus.

Deshalb bedankte sich Edi Hörl, Vorsitzender der Theatergemeinde, insbesondere bei Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) und Kulturamtsleiter Tobias Schneider, die auch diesmal zu den Gästen des Paradeislabends zählten: "Sie haben eine pragmatische Lösung ermöglicht und somit können wir unsere alte Tradition bewahren." Zu einem altbairischen Adventsabend gehören schon immer Geschichten rund um die Heilige Nacht und echte Volksmusik jenseits von Jingle-Bells. Für den Paradeislabend 2016 haben die Organisatoren zwei Erzählungen des österreichischen Schriftstellers Peter Rosegger ausgewählt, in denen das entbehrungsreiche Leben der Waldbauern vor 150 Jahren beschrieben wird. Nach einem Zitat Roseggers hat die Theatergemeinde auch ihre Adventsfeier überschrieben: "Wie war ich so reich damals, als ich arm war." In seiner Begrüßung verwies Hörl auf dieses Thema als "einen Denkanstoß für uns selbst, die wir in einer Konsumgesellschaft leben, in der es an nichts mangelt".

Die Huber Deandl aus dem Chiemgau im Ludwig-Thoma-Haus. (Foto: Toni Heigl)

Peter Rosegger wurde 1843 in Alpl (Steiermark) als das Älteste von sieben Kindern einer Waldbauernfamilie geboren. Nachdem in dieser armen Gebirgsgegend noch kein Schulzwang bestand, erlebten Rosegger und andere Bauernkinder nur einen beschränkten Unterricht durch einen von der Schule verwiesenen Lehrer. Wegen seiner eher schwachen Konstitution begann der Bub eine Lehre als Wanderschneider. Jahrelang zog er als Schneidergeselle auf der Stör von Hof zu Hof. Dabei lernte Rosegger Land und Leute sowie deren Bräuche kennen. Um sein schmales Einkommen aufzubessern, begann er zu schreiben, zunächst vor allem Dorfgeschichten. 1869 veröffentlichte Rosegger seine ersten Erzählungen und Geschichten in Graz. "Als ich noch der Waldbauernbub war" ist sein wohl beliebtestes Werk. Darin erinnert sich der Schriftsteller an seine Kindheit in längst vergangener Zeit: Im Gebirge, in bescheidensten Verhältnissen und doch reich an menschlicher Wärme. Roseggers Geschichten erzählen von seiner großen Liebe zur Heimat, in einfachen und bisweilen humorvollen Worten.

Mit der besinnlichen Volksweise "Staad is worn in Woid und Flur" eröffneten die Huber Deandl aus dem Chiemgau die Adventsfeier der Theatergemeinde. In die geheimnisvollen Vorbereitungen auf das Christfest versetzte Bianca Mössinger das zumeist ältere, andächtig lauschende Publikum. Dabei dürften bei nicht wenigen Gästen teils wehmütige Erinnerungen an die eigene Kindheit wachgerufen worden sein.

Da wird von einer sauber gescheuerten, guten Stube erzählt, vom einfachen Fastenmahl in der Küche mit der "Ahnerl" und den Knechten, dem Streit der Eltern wegen der alten "Mooswaberl", einer Bettelfrau, die im Wald lebt und der die Mutter ein Stück Fleisch zum Christfest geschenkt hat. Da wird von dem beschwerlichen Kirchgang durch hohe Schneewehen berichtet, man riecht fast die weihrauchduftende Kirche und freut sich über das Kripperl. Da wird der völlig erschöpfte und beinahe erfrorene Bauernbub geradezu sichtbar, der seine Familie auf dem Heimweg verloren hat, sich im verschneiten Bergwald verirrt.

Den uralten Brauch der Paradeisln mit mit roten Äpfeln und Buchszweigen pflegt die Thoma-Gemeinde. (Foto: Toni Heigl)

Die zweite Erzählung "Als ich Christtagsfreude holen ging", von Ursula Kirchgesser und Edi Hörl im Wechsel vorgetragen, handelt von dem Abenteuer des Bauernbuben, den die Mutter zum Einkaufen fürs Christmahl ins Dorf schickt, von seiner köstlichen Brotzeit mit einer Semmel und Dörrzwetschgen, von dem hinterhältigen Kilian und dem freundlichen Grabler Hansl. Zu diesen Erinnerungen passten die Musikbeiträge der Huber Deandl, die als Dreigesang mit Harfenbegleitung oder als Instrumentalgruppe auftraten. Der herzliche Applaus bestätigte einmal mehr, wie besinnlich eine altbairische Adventsfeier sein kann, fernab von modernem Kitsch.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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