Dachau:Visionär im Rückblick

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Auf der Vernissage in der KVD-Galerie wird Bruno Schachtner als maßgeblicher Wegbereiter des heutigen Dachaus gewürdigt. Und die Ausstellung des Grafikers und Künstlers als Zeitdokument dieses Wirkens

Von Bärbel Schäfer, Dachau

Dass er 40 Jahre lang das kulturelle, politische und gesellschaftliche Leben Dachaus wesentlich mitgeprägt hat, lässt er sich auch an diesem Abend nicht anmerken. Keine Spur von Überheblichkeit oder übermäßigem Stolz. Bruno Schachtner ist ein freundlicher, bedächtiger und ausgesucht höflicher Mann. Seine spontane Dankesrede nach den Laudationes auf der Vernissage seiner Ausstellung "Dachau in uns . . . " wird deshalb vor allem zu einer Hommage an Wegbegleiter, Freunde und seine Frau Gisela, ohne die seine vielfältigen Projekte nicht möglich gewesen wären. Nur diejenigen, die ihn besser kennen, wissen, wie hartnäckig, unnachgiebig und zielstrebig er sein kann. Dabei geht es dem gelernten Grafiker, leidenschaftlichen Künstler und Kunstmäzen, kritischen Ex-Stadtrat und früheren Zeitgeschichtsreferenten nie um sich selbst, sondern immer um die Sache.

Die Ausstellung in der KVD-Galerie belegt dieses aus heutiger Sicht visionäre Engagement für seine Heimatstadt Dachau in einer klaren, unmissverständlichen typografischen Sprache. Zu Konvoluten geordnete Druckgrafiken und Plakate aus den 70er Jahren bis heute belegen neben dem interkulturellen und künstlerischen Engagement Bruno Schachtners sein unermüdliches Ringen um den offenen Umgang Dachaus mit der jüngsten Geschichte und offenbaren dabei seine stets versöhnliche Tonart. Die Ausstellung "Dachau in uns . . . ." ist ein Ausweis seiner Lebensleistung. Insofern war sie als Gesamtschau seines Wirkens längst überfällig.

Die Ausstellung "Dachau in uns... ." ist noch bis Sonntag, 18. Oktober, täglich in der KVD-Galerie zu sehen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Dass Bruno Schachtner eine wichtige und ernstzunehmende Person ist, erkennt man an diesem Abend allein schon an den vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich unter den Besuchern in der Galerie drängen. Kommunalpolitiker, Vertreter der KZ-Gedenkstätte und viele befreundete Künstler, mit denen Bruno Schachtner im Lauf der Jahrzehnte einmal zusammengearbeitet hat, sind gekommen. Max Mannheimer und Schwester Elija Bossler lassen herzliche Grüße ausrichten. Gisela von Thümen, die ehemalige Leiterin des deutsch-paraguayanischen Kulturinstitutes, überbringt offizielle Grüße aus Asunción und berichtet über kulturpolitische Projekte, an denen auch die Schachtners ihren Anteilhaben. Für den Kulturaustausch mit Paraguay und soziale und kulturelle Projekte für Kinder setzen sich Bruno und Gisela Schachtner seit Jahrzehnten ein.

Der musikalische Rahmen könnte passender nicht sein. Der Ludwigsfelder Chor singt Lieder unterschiedlicher Kulturkreise, aus Afrika, Deutschland, Frankreich und Osteuropa. Die Siedlung Ludwigsfeld entstand nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet eines KZ-Außenlagers und wurde dauerhafter Wohnort für ehemalige Zwangsarbeiter, Displaced Persons und Heimatvertriebene aus 20 Nationen. Bruno Schachtners Arbeit umfasst ebenfalls mehrere Generationen und Nationen.

Barbara Distel, ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte, hält eine Laudatio. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das bringt auch der KVD-Vorsitzende Johannes Karl in seiner Rede zum Ausdruck. Es sei schwierig, als Jüngerer eine Laudatio auf ihn zu halten. "Vieles an den Wänden habe ich live gar nicht miterlebt", so Karl. Aber der damalige Vorsitzende Schachtner sei es gewesen, der ihn als Mitglied zur KVD brachte. Oberbürgermeister Florian Hartmann (Florian) betont, dass Bruno Schachtner als Politiker und Stadtrat den Weg Dachaus zu einem internationalen Erinnerungsort ebnete. Als Grafiker habe er im öffentlichen Raum deutliche Spuren hinterlassen, beispielsweise mit den Tafeln "Weg des Erinnerns". Schachtner war und ist auch Motor für andere Künstler. So ist die Plastik von Hermann Guggiari an der KZ-Gedenkstätte seiner Initiative zu verdanken. Politisch hat er sich immer eingemischt, den Preis für Zivilcourage initiiert. Hartmann gelang eine Charakterstudie: "Unzählige Ideen, unbequem und unnachgiebig in der Sache."

Barbara Distel, die ehemalige Leiterin der KZ-Gedenkstätte, würdigte in einer wunderbaren Laudatio Schachtners Engagement im Bereich der Zeitgeschichte. Ihm sei ein langsamer Mentalitätswandel von einer ablehnenden und indifferenten Haltung bis hin zur Akzeptanz und Aufarbeitung gelungen, so Distel. Seine Arbeit als Grafiker prägte über vier Jahrzehnte hinweg auch die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen in Dachau. Er gestaltete Plakate und Publikationen für den Förderverein für "Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit" sowie bis 2008 alle Publikationen der KZ-Gedenkstätte und des Comité International de Dachau.

Bruno Schachtner tritt wie immer mit Mütze auf. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung des KZ Dachau 2005 konzeptionierte und gestaltete Bruno Schachtner zwölf Großplakate mit Gesichtern von Menschen, entrechteten Gefangenen des Konzentrationslagers, die auf diese Weise "für eine Zeit Dachauer" waren. Die Porträts markierten während des Jahres 2005 auf Plakatsäulen den "Weg des Erinnerns" vom Bahnhof zur Gedenkstätte. Heute sind sie im Jugendgästehaus zu sehen. Entscheidenden Anteil hatte Bruno Schachtner auch an der Auseinandersetzung der Dachauer Künstler mit der Zeitgeschichte als Gruppe D.; er knüpfte Kontakte nach Frankreich, Ungarn und dem polnischen Auschwitz, mit dem bis heute ein intensiver Künstleraustausch besteht. Barbara Distel schloss mit den Worten: "Sein Wirken kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es kann nur als Glücksfall für Dachau und die gesamte Erinnerungskultur betrachtet werden."

In einem kleinen Kreis schaute sich auch Max Mannheimer die Ausstellung gemeinsam mit Schwester Elija vom Karmelkloster in Dachau an, die über viele Jahre ehemalige Häftlinge fotografierte und somit die Grundlage für einer wichtigsten Plakataktionen des Fördervereins für Internationale Jugendbegegnung schuf: "Für eine Zeit Dachauer." Mannheimer sagte zu Schachtner: "Ich wusste gar nicht, dass Du ein Künstler bist." Der Satz war ein Ritterschlag von Kollege zu Kollege. Bekanntlich hat Mannheimer gerade eine große Ausstellung im Gabriele-Münterhaus in Murnau hinter sich. Den klarsten und gleichzeitig rührendsten Einblick in Schachtner Motivation gewährte dessen Frau Gisela. Das was sie mitteilen wolle, könne als makaber empfunden werden. Denn die Zeitzeugen, denen sie und ihr Mann in den vergangenen 50 Jahren begegnet seien, hätten Schlimmes in den Konzentrationslagern. "Aber trotzdem muss ich sagen: Diese Menschen waren die große Bereicherung in unserem Leben."

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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