Dachau:Verbindung der Herzen

Lesezeit: 2 min

Der vielseitige Komponist Yorgos Kazantzis gilt als bedeutendster Weltmusiker Griechenlands. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Yorgos Kazantzis berührt das Publikum mit seiner Musik

"Kalimerhaba": So nennt sich das Projekt, mit dem der griechische Komponist und Musiker Yorgos Kazantzis am Sonntag in Dachau zu Gast war. Die Wortschöpfung setzt sich zusammen aus dem griechischen "Kalimera" und dem türkischen "Merhaba", die beide in etwa das gleiche bedeuten: "Guten Morgen" oder einfach "Hallo". Nach Dachau kam Yorgos Kazantzis bereits zum zweiten Mal.

2014 gastierte er hier zusammen mit Lizeta Kalimeri, diesmal hatte er neben Kalimeri auch Nadine Kyriazi, ebenfalls Griechin, und Dilek Koc mitgebracht, eine türkische Sängerin, die mit ihrem griechischen Mann in Saloniki lebt und mühelos vom Türkischen ins Griechischen wechselt. Mit dabei war auch das Friendship Ensemble von Kazantzis: Kostas Tsougkras am Akkordeon und Kostas Matsigkos an Gitarre und Mandoline sowie die Sängerin Nadina Kyriazi.

Yorgos Kazantzis, der am Sonntag selbst am Klavier saß, ist in einer Welt groß geworden, in der es vielfache musikalische Einflüsse gab. Seine Familie stammt aus dem Pontosgebiet am Schwarzen Meer, in der sich griechische und türkische Musiktraditionen verbinden. Heute ist Kazantzis einer der bekanntesten Komponisten Griechenlands, von dem Orchesterwerke ebenso wie moderne Liedkompositionen und zahlreiche Film- und Theatermusiken stammen. Gleich zu Beginn des Konzerts hatte Katzantzis erklärt, dass Musik auch über Sprachbarrieren hinweg verstanden werde: "Musik verbindet", ließ er übersetzen", "das ist heute Abend die Botschaft".

Dilek Koc und Lizeta Kalimeri verkörperten diese Botschaft in überzeugender Weise. Gemeinsam sangen sie zu Beginn des Abends von der "Liebe" und vom "Himmel" im Wechsel von griechischem und türkischem Text und ergänzten sich dabei auch stimmlich ausgezeichnet. Von der Liebe war dann auch in vielen weiteren Liedern die Rede, die die beiden Frauen vortrugen: Koc, klein und zart, mit großer stimmlicher Kraft und starker persönlicher Ausstrahlung, Kalimeri mit viel emotionaler Leidenschaft, die gerade auch dort spürbar war, wo sich in die Melancholie ihrer dunklen Stimme ein rauer, rauchiger, für viele griechische Liedinterpretationen typischer Unterton mischte.

Ein Großteil dieser Lieder hat Yorgos Kazantzis geschrieben, manche stammen aber auch von Zülfü Livaneli, einem bekannten türkischen Komponisten und Sänger, mit dem auch Mikis Theodorakis und Maria Farantouri zusammengearbeitet haben. Ganz aus der Tradition der türkischen Volksmusik hat dagegen Asik Veysel geschöpft; von ihm stammt ein Lied, das Dilek Koc sang. Auch wer im Publikum nicht Türkisch sprach, konnte verstehen, dass es hier um Wesentliches ging: um Menschenrechte, erklärte Koc nach dem Konzert, und auch um die Liebe wieder.

Angesichts solcher Texte könnte man meinen, es ging Yorgos Kazantzis mit seinem Freundschaftsprojekt um politische Aussagen. So will er aber nicht verstanden werden. Ihm ist vielmehr die "Verbindung der Herzen" wichtig, die Ähnlichkeiten von Mentalität und Kultur in Griechenland und der Türkei. "Wir sind wie Geschwister verschiedener Eltern", formuliert Lizeta Kalimeri diesen Gedanken. Zwar habe es zwischen diesen "Geschwistern" auch Streit und Trennungen gegeben, dennoch könne man "die gemeinsamen Erinnerungen nicht vergessen".

Wie nah sich griechische und türkische Musik immer wieder sind, wurde besonders dort deutlich, wo Koc Rembetiko-Klänge aus ihrer Heimatstadt Antalya mitbrachte: In Griechenland waren es Flüchtlinge und aus Kleinasien umgesiedelte Griechen, die dieses musikalische Genre in die neue Heimat verpflanzten. Aus Kleinasien und Kappadokien stammten zwei ohne Instrumentalbegleitung gesungene Lieder von Koc und Kalimeri: ergreifende Klagegesänge von Trennung und Fremdsein.

Viele Zuhörer in der vollbesetzten Schranne dürften selbst griechische oder türkische Wurzeln haben: Sie kannten manche der Melodien und Texte und immer wieder gab es spontanen Beifall.

Tobias Schneider vom Kulturamt Dachau will die Reihe der griechischen Musik fortsetzen: Im nächsten Jahr werde unter anderen Sandra Midelia mit ihrer Band Si Bemól auftreten. Die junge Frau hatte am Sonntag für Kazantzis übersetzt und auch ein eigenes Lied vorgetragen.

© SZ vom 15.11.2016 / RZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: