Dachau:Unternehmer prellt Krankenkassen

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60-Jähriger gesteht Sozialversicherungsbetrug im großen Stil, will aber nicht gewusst haben, dass er sich strafbar machte.

Als Friedrich H. noch Inhaber eines Sicherheitsdienstes mit Sitz im nordwestlichen Landkreis war, hatte er genug Aufträge. Das 2001 gegründete Unternehmen beschäftigte mindestens 48 Subunternehmer und zahlreiche Arbeitnehmer. Seit diesem Montag sitzt Friedrich H., 60, jedoch auf der Anklagebank der Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München II. "Aktuell bin ich arbeitslos", sagte der gelernte Kfz-Mechaniker zum Auftakt der Verhandlung. Im Falle einer Verurteilung muss H. damit rechnen, die nächsten Jahre hinter Gittern zu verbringen.

Laut Staatsanwaltschaft soll er es mit dem Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen für seine Arbeitnehmer, die nur zum Teil gemeldet waren, nicht so genau genommen haben. In den Jahren zwischen 2005 bis Anfang 2011 entgingen den Krankenkassen den Ermittlungen zufolge in 321 Fällen Arbeitgeberanteile in Höhe von mehr als 305 000 Euro sowie Arbeitnehmeranteile von rund 312 000 Euro. Außerdem sollen dreizehn Personen, die für den Sicherheitsdienst des Angeklagten tätig waren, Scheinselbständige gewesen sein. Friedrich H. räumte die Vorwürfe ein. "Ich bin grundsätzlich geständig", sagte der 60-Jährige zu Richterin Michaela Welnhofer-Zeitler. Sein Mandant sei der Meinung gewesen, er hätte keine Arbeitnehmer beschäftigt, fügte der Verteidiger hinzu.

Der Steuerberater soll schuld gewesen sein

Auch wenn sich Friedrich H. geständig zeigte, so stellte er sich im Laufe seiner Vernehmung entweder ahnungslos dar: "Ich habe nie an das Gesetz der Scheinselbständigkeit gedacht." Oder er versuchte Schuld auf andere abzuwälzen, etwa auf seinen Steuerberater. Erst als er sich 2011 einen neuen genommen habe, sei er darüber aufgeklärt worden, dass ein Teil seiner angeblich selbständigen Mitarbeiter in Wirklichkeit abhängige Beschäftigte waren. Auch das Unternehmen, für das der Angeklagte als Subunternehmer arbeitete, kam nicht gut weg.

Bei der Firma handelt es sich um einen bundesweit agierenden Sicherheitsdienst, der auch in München mehrere Niederlassungen hat. Wenn Not am Mann gewesen sei, soll ihn das Unternehmen "genötigt" haben, so H., "Leute von der Straße zu holen, damit Objekte besetzt waren." Dazu gehörten etwa Fernsehsender, die Münchener Rück oder die Olympiahalle. Hätte er nicht geliefert, behauptete H., hätte er weniger Aufträge bekommen. "Jedes Nein hat seine Konsequenzen gehabt", so der 60-Jährige über die vermeintlich harten Bandagen, mit denen im Sicherheitsgewerbe gekämpft wird.

Der Angeklagte muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen

Doch seine angebliche Ahnungslosigkeit nahm Richterin Welnhofer-Zeitler Friedrich H. nicht ab und konfrontierte ihn mit einem Dokument, das Beamte des Zolls bei der Durchsuchung seines Unternehmens beschlagnahmt hatten. Daraus geht hervor, dass er bereits 2010 erstmals auf die Problematik der Scheinselbständigkeit in seinem Sicherheitsdienst hingewiesen worden war. Doch trotz dieses Hinweises machte H. weiter wie bisher. Er habe nicht "gecheckt, dass es um Sozialabgaben geht", lautete der Kommentar des 60-Jährigen.

Bei der Durchsuchung von H.s Firma fanden die Ermittler zudem ein verbotenes Butterflymesser sowie ein ebenfalls verbotenes Springmesser. Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft auch Anklage wegen unerlaubten Besitzes von Waffen erhoben. Mit einer Bewährungsstrafe wegen langer Verfahrensdauer könne er nicht rechnen, sagte die Vorsitzende zu Friedrich H. Die Anklage liegt dem Gericht bereits seit September 2012 vor. Inzwischen ist gegen den 60-Jährigen ein weiteres Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Bedrohung anhängig. Der Prozess dauert an.

© SZ vom 10.05.2016 / sal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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