Dachau:Wie sich Schüler in Demokratie üben

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Jeweils zwei Schulstunden täglich haben die Schüler gemeinsam mit dem Verein Creative Change gelernt, im Team zu arbeiten und Vorurteile abzubauen. (Foto: Toni Heigl)

Sechs Klassen der Greta-Fischer-Schule in Dachau nehmen an einem bundesweiten Projekt teil. Zusammen mit dem Verein Creative Change lernen sie, Vorurteile abzubauen und Konflikte im Dialog zu lösen.

Von Franziska Hofmann, Dachau

Der Verein Creative Change hat den Kindern der sonderpädagogischen Greta-Fischer-Schule in Dachau eine Woche lang gezeigt, was es heißt, Demokratie zu leben.

"Die fünfte, sechste und siebte Jahrgangsstufe haben jeweils zwei Klassen und sind noch jung genug, um sich dem Projekt gegenüber zu öffnen", sagt die stellvertretende Schulleiterin Petra Frank. Deshalb durften diese Schulklassen mitmachen. Jeweils zwei Schulstunden täglich haben die Schüler gemeinsam mit dem Verein gelernt, im Team zu arbeiten und Vorurteile abzubauen. Ermöglicht hat das Projekt Ludwig Gasteiger, stellvertretender Geschäftsführer des Kreisjugendrings Dachau. Im Rahmen des Programms "Demokratie leben" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend lag es Gasteiger am Herzen, auch in einer Dachauer Schule ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.

Gemeinsam mit der Jugendsozialarbeit hat die stellvertretende Schulleitung dann ein Projekt ausgewählt und sich für Creative Change entschieden. Der Verein wurde erst vergangenes Jahr gegründet und macht gerade eine Deutschlandtour. "In wenigen Wochen waren alle Teams ausgebucht", sagt Pedram Aghdassi, Gründer und Geschäftsführer von Creative Change. Mit Theaterstücken, Musik, Videos und theoretischem Material will das multikulturelle Team die Kinder vor allem auf Flüchtlinge in ihren Wohnorten aufmerksam machen und sie zu einem besseren Miteinander motivieren. Ihre Motivation beschreiben sie sehr schön auf ihrem Internetauftritt: "Zu einer gewachsenen und gelebten Demokratie gehört auch eine verantwortungsvolle Integrationskultur." Damit zielt er genau auf das Jahresmotto der Schule, ein Zitat von Greta Fischer, ab: "Mit ganz wenig können Menschen einander helfen".

Für die sonderpädagogische Schule hat sich das vierköpfige Team auf Theaterstücke beschränkt. Das kommt bei Autisten und anders behinderten Kindern wohl am besten an, wie Aghdassi meint. In den gespielten Szenen ging es zum Beispiel um drei streitende Kinder, die alle eine Idee haben, der Nachbarschaft zu helfen. Weil jeder auf seiner Idee beharrt, geraten sie in Streit, bis ein viertes Kind alle Ideen kombiniert und so den Streit schlichtet: "Eigentlich geht es ja darum, den Leuten zu helfen." Gespielt wurden die Kinder von den Kursleitern Aghdassi, Philip Badi Blom, Hanna Hafemann und Sertac Heris.

Nach den spielerischen Einlagen diskutierten die Erwachsenen mit den Schülern über das Gesehene, was gut war, was nicht so gut war und was man besser machen könnte. An einem Workshoptag ging es auch darum, Vorurteile abzubauen: "Man soll die Menschen mit einem positiven Auge betrachten, egal welcher religiöser oder kultureller Herkunft er ist", sagt Aghdassi.

In einem Theaterstück ging es vor allem um die Integration von Flüchtlingen und Ausländern. Die vier Kursleiter zeigten eine Situation, in der ein Asylbewerber in einem Restaurant arbeitet und ein Kunde sich durch ihn sehr gestört fühlte. Der Kunde führte gerade ein Bewerbungsgespräch und bat die Bewerberin, einen Artikel zu veröffentlichen, der das Restaurant und die Flüchtlinge schlecht macht. In Kleingruppen diskutierten die Schüler danach über das Verhalten des Kunden und durften danach in der Rolle der Bewerberin das Stück zu Ende spielen. Dabei kam heraus, dass eigentlich kein Schüler Schlechtes, sondern nur Gutes über das Restaurant schreiben wollte.

Viele der Schüler haben selbst einen Migrationshintergrund und kennen die Probleme aus dem Theaterstück. Ein Schüler hat eine ähnliche Situation sogar schon im elterlichen Restaurant mitbekommen. Deshalb ist der Großteil der Meinung, man müsse den Flüchtlingen helfen, ihnen Deutsch beibringen und nett zu ihnen sein.

Aghdassi liebt an der Arbeit, "dass die Kinder so mit dem Herzen dabei sind." Sie können Gefühle noch viel besser beschreiben und finden schönere Wörter, ihre Stimmung auszudrücken. "Einer der Schüler hatte gesagt: Unfreundlich sein, macht die Seele kaputt. Das ist so offen und ehrlich", erinnert Aghdassi sich. In den nächsten Monaten möchte er Konzepte und Materialien entwickeln, damit Lehrer und Schüler auch nach der Themenwoche weiter an dem Projekt arbeiten können. So können sie etwa ein eigenes Konzept erstellen, wie man Flüchtlingen vor Ort helfen kann.

Das Bundesprogramm "Demokratie leben" läuft noch bis 2019 und unterstützt vor allem Projekte wie Creative Change, "die sich in der Demokratieförderung und der Extremismusprävention engagieren", so das Ministerium. Allein 2015 gab es dafür 40,5 Millionen Euro an Fördergeldern. Bis 2019 kann so in Dachau noch viel für die Demokratie getan werden.

An der Greta-Fischer-Schule war das Programm ein voller Erfolg. Nicht nur die Kinder haben etwas über Teamwork, Vorurteile und ein besseres Miteinander gelernt, auch die Lehrer erfahren mehr über ihre Schüler. "Viele benehmen sich uns gegenüber anders, weil wir sie nicht kennen, da können sie sich noch einmal neu beweisen", sagt Aghdassi.

Das Projekt an der sonderpädagogischen Schule war nicht das erste, das der Kreisjugendring im Rahmen des Bundesprogramms umsetzen konnte: Bereits Ende Oktober gab es einen Runden Tisch gegen Rassismus. Nach einer Undercover-Dokumentation über Rechtsrock konnten die Anwesenden mit Regisseur Peter Ohlendorf diskutieren. In den darauffolgenden Tagen haben er, Gasteiger und der Dachauer Polizist Thomas Slamanig, mehrere Jugendzentren und Schulen besucht, um die Jugendlichen über die Ursprünge von Gewalttaten mit rechtem Hintergrund aufzuklären.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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