Dachau:Überschäumendes Temperament

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Amtsgericht ahndet Schlag mit dem Masskrug mit Sozialstunden

Von Benjamin Emonts, Dachau

Dass Beweisbilder und Videos in Augenschein genommen werden, ist gängige Praxis am Amtsgericht Dachau. Am Montagvormittag bat Amtsrichter Daniel Dorner allerdings ein menschliches Objekt zu sich nach vorne. Er blickte dem jungen Mann aus nächster Nähe prüfend über das Gesicht. Und tatsächlich: "Da sieht man noch eine kleine Narbe unter dem linken Auge", stellte der Richter fest.

Die Narbe stammt von einem Schlag mit einem Masskrug, der dem jungen Mann auf dem vergangenen Oktoberfest zugefügt wurde. Der 25-Jährige Münchner erlitt eine stark blutende Platzwunde an der linken Schläfe und musste genäht werden, wie ein ärztliches Attest bestätigte. Dennoch setzte er alles daran, den gewalttätigen Übergriff dem Gericht als Lappalie zu verkaufen. Erst log er: "Ich musste nicht genäht werden." Dann, auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen, lenkte er ein und beschwichtigte sogleich: "Die Narbe ist in einem halben Jahr wieder zugewachsen."

Der Grund für die Untertreibung des 25-Jährigen war jedem im Gerichtssaal klar: Er wollte seine Freundin nicht belasten. Ihr nämlich warf die Staatsanwaltschaft vor, dem jungen Mann auf dem Oktoberfest den Masskrug ins Gesicht geschlagen zu haben. Polizei und Sicherheitspersonal waren seinerzeit umgehend am Tatort. Es wurde Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erstattet. Die 20-jährige Dachauerin auf der Anklagebank wirkte zurückhaltend und schüchtern - einen derart massiven Übergriff traut man ihr kaum zu. Sie schilderte dem Gericht, dass sie gerade an ihrer zweiten Mass Bier getrunken habe, als ein Streit mit ihrem Freund ausgebrochen sei. "Es ging um unsere Beziehung, mehr weiß ich nicht mehr", sagte sie dem Gericht. Auch an den Schlag mit dem Masskrug wollte sie sich nicht mehr erinnern können. Die Aussage eines unabhängigen Zeugen, die vor Gericht verlesen wurde, bestätigte die Attacke allerdings. Amtsrichter Dorner resümierte: "Ich habe keinen Zweifel, dass die Verletzung durch die Angeklagte verursacht wurde."

Mit dem Hinweis, dass eine Bierkrugattacke normalerweise mit einer Freiheitsstrafe geahndet werde, verurteilte der Vorsitzende die junge Frau zu lediglich 48 Sozialstunden. Zugunsten der Angeklagten wertete Dorner, dass die 20-Jährige bislang eine weiße Weste hatte und zum Tatzeitpunkt alkoholisiert und "emotional aufgewühlt" gewesen sei. Ausschlaggebend für das milde Urteil war jedoch das fehlende Strafverfolgungsinteresse des Geschädigten. Der 25-Jährige nahm seine Freundin nach dem Urteilsspruch erleichtert in den Arm - und so verließen sie auch das Gerichtsgebäude.

© SZ vom 16.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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