Dachau:Trotzdem lachen

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"Allein unter Schwarzen" heißt das erfolgreiche Programm von Simon Pearce, aufgewachsen in Puchheim. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Kabarettist Simon Pearce weiß, wie sich Rassismus anfühlt

Von Julian Erbersdobler, Dachau

Wer sich bei einem Comedy-Auftritt in die erste Reihe setzt, der will es doch auch: Teil des Gag-Spektakels werden. Und wer wirklich sicher gehen will, in der Show nicht vom Künstler übersehen, gar ignoriert, zu werden, der lässt dazu einfach sein Handy an. Das klingelt dann gleich zweimal, wie an diesem Sonntagabend, bis Comedian Simon Pearce eingreift, das Handy einsackt und 'rangeht.

Das kurze Telefongespräch im Thoma-Haus in Dachau schafft es auf die Facebook-Seite von Pearce: Der nächtliche Anruf kam von der Dachauer Polizei, die zu später Stunde eine Dame in der ersten Reihe erreichen wollte und schließlich zum kuriosesten Part des ohnehin sehr unterhaltsamen Programms wurde. Entwarnung: Die Betroffene hat das anschließende Gespräch gut verkraftet und konnte zumindest den Rest des Abends herzhaft lachen.

Simon Pearce ist Comedian, Schauspieler, Synchronsprecher und, wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und er selbst zu sagen pflegt, ein "wunderbarer Neger". Passend dazu heißt sein Bühnenprogramm "Allein unter Schwarzen". Das Talent, andere Menschen zum Lachen, Staunen oder Räuspern zu bringen, liegt dem in Puchheim aufgewachsenen Gewinner des "ARD Toleranz Slams" im Blut. Simon Pearce ist Sohn der Schauspielerin Christiane Blumhoff und Enkel von Franz Leonhard Schadt, der in den frühen Sechziger-Jahren das Münchner Marionettentheater leitete.

Vielleicht liegt es auch daran, dass Simon Pearce Alltagsrassismus mit Humor begegnet und sich auf seine Art, nämlich mit der "Macht der Worte", wehrt. Besonders das jüngere Publikum, Paare und Studenten, können sich an vielen Stellen seines Programms nicht mehr halten. Wenn er über seine Kindheit spricht, über seine Hippie-Mutter und seinen zurückhaltenderen Vater, der aus Nigeria kommt. Wenn er auf der Bühne die örtliche Metzgereifachverkäuferin des Vertrauens nachahmt, die mit seinem Vater wie mit einem Neugeborenen spricht, obwohl der Mann Politik studiert hat.

Besonders gelungen ist die Nummer mit dem Wertstoffhof. Simon Pearce musste hier Sozialstunden leisten, obwohl es in den meisten Fällen weniger sozial zugegangen ist. So erinnert er sich vor allem an einen Kollegen, den alle nur Kurti nannten, ein Bilderbuchbayer, Bierbauch, Schnurrbart, dauergrantig. Kurti hatte jedenfalls ein augenscheinliches Problem mit ausländischen Mitbürgern, die er immer als Neger bezeichnete. Den in Puchheim sozialisierten Simon Pearce verschonte er mit dem Label, schließlich sei er "kein richtiger Neger". Ein Stich in Pearce' bayerisch-nigerianisches Herz.

Und so kommt es bei einer Zugfahrt zu einer Begegnung der besonderen Art. "Irgendwann spüre ich eine Hand in meinen Haaren und es ist nicht meine, sondern die einer alten Frau." Die sagt nach eingehender Kopfmassage: "Mei, wie ein Schaf." Simon Pearce besinnt sich auf die Macht der Worte, greift sich ihren schwabbeligen Hals: "Mei, wie ein Truthahn." Sekunden später fällt das N-Wort. "In diesem Moment wurde ich zum Nigger geschlagen", sagt der Comedian mit einem Augenzwinkern.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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