Hell scheint die Sonne am frühen Morgen auf die grüne Wiese hinter dem Windrad nahe Steinkirchen. Es ist keine gewöhnliche Grünfläche. Denn auf dem Areal stehen in gleichmäßigen Abständen Obstbäume. Die Fläche ist die jüngste von insgesamt 14 Streuobstwiesen der Stadt Dachau, auf denen rund 300 Obstbäumen stehen. Zum Pflücken kann jeder kommen.
Die Stadt stellt die Streuobstwiesen ihrer Bevölkerung gratis zur Verfügung. "Bürgerinnen und Bürger können ihren eigenen Bedarf decken", sagt Johannes Frost. Er ist stellvertretender Sachgebietsleiter der städtischen Abteilung Stadtgrün und Umwelt. Es müsse nur darauf geachtet werden, dass nicht auf den angrenzenden privaten Flächen gepflückt werde, Hunden ist der Zutritt verboten. Aber nicht nur Dachauerinnen und Dachauer haben etwas davon, dass es Streuobstwiesen gibt, auch die Stadt selbst profitiert. "Streuobstwiesen werden gerne von Städten als Ausgleichsmaßnahme angelegt, wenn Wohnsiedlungen geplant und gebaut werden", erklärt Frost. Für die Grasfläche bei Steinkirchen gilt das zum Beispiel, auch wenn es nicht auf alle Dachauer Streuobstwiesen zutrifft.
Mit dem neuen Stadtgrün-Leiter kamen die Obstbäume
Dass es mittlerweile über ein Dutzend städtische Streuobstwiesen mit einer Fläche von insgesamt knapp 4,6 Hektar in Dachau gibt, ist erst seit einigen Jahren der Fall. Zwar gibt es die Grünfläche an der Gröbenrieder Straße seit über 30 Jahren, doch die anderen Streuobstwiesen wurden größtenteils erst in den Jahren 2013 und 2014 angelegt. Kein Zufall, denn in dieser Zeit wurde Stefan Tischer Sachgebietsleiter von Stadtgrün Dachau und ihm "lag das Projekt, mehr Streuobstwiesenflächen zu schaffen, sehr am Herzen", sagt Frost.
Verschiedene Obstsorten und auch Walnüsse sind auf den Flächen beheimatet. Auf dem Grün nahe Steinkirchen sind es unter anderem Sauer- und Süßkirschen, Birnen und Äpfel, am vorderen Rand der Wiesenfläche stehen Hagebuttensträucher. Vor allem die Vielfalt an Apfelsorten ist riesig. Über 130 Sorten sind auf den städtischen Streuobstwiesen in Dachau zu finden. Eine besondere Sorte hält Frank Großhans, Mitarbeiter von Stadtgrün Dachau und für die Kontrolle der Bäume zuständig, in seiner Hand - den Korbiniansapfel.
Der Apfel hat seinen Namen vom bayerischen Pfarrer Korbinian Aigner, der in seiner Gefangenschaft im Dachauer Konzentrationslager unter anderem diese Sorte züchtete. "Sie sind perfekt für einen Apfelstrudel", sagt Großhans. Auf Kopfhöhe ist am Stamm des Baumes, wie an den meisten anderen, ein kleines weißes Schild angebracht. Dort stehen Daten wie die Genussreife und der Geschmack der jeweiligen Frucht.
Aber Wiese ist nicht gleich Streuobstwiese. Welche Fläche sich für eine Streuobstwiese eignet und worauf beim Anlegen geachtet werden sollte, hängt von mehreren Faktoren ab. "Vor allem die Exponierung nach Süden ist wichtig", macht Frost, studierter Ingenieurökologe und Umweltplaner, deutlich. Auch sollten die Obstbäume in einem Abstand von mehreren Metern stehen, damit Licht und Wurzeln sich genug entfalten können. Zudem sei der Schutz vor Wind bedeutend, sagt Großhans. Daher sind rund um die Streuobstwiesen Hecken aus Sträuchern angelegt. Ebenfalls muss beachtet werden, wie der Grundwasserstand an der Grünfläche ist, denn Staunässe sollte verhindert werden. Direkt nach dem Anpflanzen der Bäume muss der sogenannte Verbissschutz angebracht werden. "Das ist vor allem im jungen Stadium der Bäume von großer Bedeutung", erklärt Michael Paulsen, der für den Obstbaumschnitt zuständig ist und die Bäume im Schnitt alle drei Jahre schneidet.
Eines wird deutlich: Die Streuobstwiesen sind nicht nur ein Ort für frische Früchte, sondern auch ein wichtiger Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Daher ist auch die Pflege der Grasfläche rund um die Obstbäume ein wichtiger Aspekt. Christian Heinzlmeir arbeitet seit acht Jahren bei der Stadt Dachau und ist für die Mäharbeiten der städtischen Streuobstwiesen zuständig. Zweimal im Jahr schneidet er das Gras - einmal im Zeitraum Juli bis August, ein weiteres Mal zwischen Oktober und November.
Auch für die Mahd gibt es Vorgaben
Wann genau gemäht wird, unterscheidet sich von Jahr zu Jahr. "Manche Pflanzenarten wie der Wiesen-Salbei können dann besser versamen", erklärt Heinzlmeir die Vorteile einer späteren Mahd. Andere Arten würden dagegen von einem etwas früheren Schnitt im Juni und einem zweiten späten Ende September profitieren. Außerdem sollte nicht auf allen Flächen gleichzeitig gemäht werden, damit immer Blütenangebote für Insekten vorhanden sind. Beim Schlendern über das Gelände fällt vor allem eine gelbe Pflanze auf, die große Teile der Wiese säumt: das Jakobskraut, ein sogenannter Neophyt. Neophyten sind für die Stadtgärtner unerwünschte Pflanzen, die sich selbständig ausbreiten. "Neophyten wie Goldrute oder Feinstrahl müssen bei Vorkommen direkt entfernt werden", erklärt Frost. Denn sie breiten sich so schnell aus, dass sie die heimische Pflanzenwelt verdrängen. Bei der anstehenden Mahd wird daher ein großes Augenmerk darauf liegen, das Jakobskraut so gut es geht zu eliminieren.
Dass die ökologische Artenvielfalt ein großes Anliegen ist und bei der Pflege der Streuobstwiesen eine große Rolle spielt, ist auf der Wiese bei Steinkirchen gut zu beobachten. So liegen zum Beispiel dort auch Totholz und Steine an einem Rand. Hier sollen sich Eidechsen, Schlangen, aber auch Insekten und Pilze wohlfühlen. Ein Vogelhäuschen ist in einer der Windschutzhecken angebracht, und einige Imker haben sogar ihre privaten Bienenkästen auf den Obstwiesen platziert. Nur die Früchte selbst machen sich in diesem Jahr eher rar auf der Streuobstwiese nahe Steinkirchen. Grund sei der frühe Frost heuer, sagt Großhans. Ein bisschen was lässt sich aktuell sicher noch ergattern, aber nicht mehr lange.