Dachau:Streitbar wider Willen

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Der Künstler Heinz Eder ist 70 Jahre alt geworden

Es war einmal ein junger Mann, der zeichnete Akte, als würde er die Menschen von Innen heraus sehen. Er schraffierte nicht, er schuf auch keine richtigen Konturen, denn die zeichnerische Bewegung und das Gezeichnete flossen expressiv ineinander über. Auf diesen Rhythmus kam es ihm an. Die Bilder hatten etwas Existenzialistisches an sich, als wäre die Philosophie eines Jean Paul Sartre in die späten siebziger und frühen achtziger Jahre des vergangenen Jahres nach Dachau hinüber geschwappt. Aber die Person ist bis heute das Gegenteil, eher lachend, eher schelmisch, eher ab und an überbordend lustig - und vor allem engagiert.

Heinz Eder ist 70 geworden. Das Alter sieht man ihm wegen der grauen Haare an. Seine Biografie vermengt sich eng mit der Nachkriegsgeschichte der Stadt Dachau. Es hätte eine Hassliebe werden können. Eder zieht die Gelassenheit des Alters vor und das lachende Kopfschütteln ob der vielen, meist kulturpolitischen Wortgefechte mit der starrsinnigen Kommunalpolitik eines Bürgertums, das sich wegen des ehemaligen Konzentrationslager zu späten Opfern des Nationalsozialismus stilisierte. Das waren die achtziger und neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts.

Es waren - im Nachhinein betrachtet - die entscheidenden zur heutigen Offenheit eines Lernorts. Und mittendrin Heinz Eder, weil seine Zeichnungen gemeinsam mit den Werken zahlreicher anderer junger Künstler sich von der Landschaftsmalerei lösten und die zeitgenössische Kunst einschließlich ihrer Themen und Debatten nach Dachau brachten. Die passten überhaupt nicht zum selbstmitleidigen, scheinbar kunstsinnigen Dachau, das die ehemaligen Künstlerkolonien und deren Landschaftsmalerei feierte, als wären sie Gegenwart.

Kunst und Kulturpolitik fanden in Eders Person, in der damaligen Künstlervereinigung Dachau, schließlich in der Gruppe D gemeinsam mit Bruno Schachtner für einige Jahre zusammen. Denn die Künstler mussten sich ihre eigenen Ausstellungsmöglichkeiten schaffen - auch gegen den kommunalen Zweckverband der Dachauer Galerien und Museen von Stadt und Landkreis Dachau. Daraus entwickelte sich eine Politik der internationalen Begegnungen und auch Freundschaften, die Dachauer Kunst bis in die USA und nach Auschwitz brachte. Daraus entstand der Kunstbetrieb einiger Bürger als Galerie und Treffpunkt, den Heinz Eder mitgegründet hatte.

Aber in seinem Innern war er nie ein Kämpfer gewesen, sondern eher ein Mann der Kompromisse, der den Konsens anstrebte und Konflikte eigentlich scheute. Eigentlich schon. Aber es half damals nichts. Nach heftigen Jahren des Streits und der Auseinandersetzung hat er zu sich selbst zurückgefunden. Seitdem malt und zeichnet er ganz anders als in seinen jungen Jahren, wagt sich ins Dekorative oder ins Design, schafft schon mal einen Engelsflügel in den Farben der Wiener Sezession. Er hängt am ehemaligen Café Teufelhart.

Aber vor allem hat Heinz Eder in sich den Pädagogen entdeckt, der wegen der künstlerischen Arbeit an Schulen in der ganzen Region München bekannt und gefeiert wurde und wird. Der war er schon immer, weil seine Begeisterungsfähigkeit beispielsweise bei der Hängung von Ausstellungen ansteckend wirkte. Die vergangenen zwei Jahrzehnte bewies er, wie befruchtend es sein kann, wenn Künstler von Außen in den Unterricht hineinwirkten. Eders Ansatz glich einer Schule der Phantasie.

Übrigens ist Heinz Eder in der Dachauer Altstadt leicht zu erkennen. Am eiligen, dynamischen Schritt - er war mal ein ziemlich guter Fußballer beim hiesigen ASV - und am rund gestrickten Käppi, das zurzeit weltweit Mode ist. Er trägt diese Form seit Jahrzehnten.

© SZ vom 11.04.2015 / we - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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