Dachau:Stillstand bei der Windkraft

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14 von 17 Gemeinden hatten sich zu einer gemeinsamen Bauleitplanung entschlossen, um regenerative Energien im Landkreis zu erzeugen. Wegen der 10-H-Regelung geben sie nun auf und steigen aus

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Anti-Windkraftpolitik des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) hat die Energiepläne von fast allen Gemeinden des Landkreises endgültig zerstört. Vor wenigen Wochen einigten sich die Bürgermeister auf ihrer turnusmäßigen Dienstbesprechung darauf, die Idee eines gemeinsam Windkraftkonzepts aufzugeben. Denn Seehofers 10-H-Regelung, wonach eine Anlage einen Abstand von mindestens des Zehnfachen ihrer Höhe zum nächsten Wohngebiet einhalten muss, lässt in einem dicht besiedelten Ballungsraum den Bau von Windrädern faktisch nicht mehr zu. Altomünster und Petershausen haben bereits den offiziellen Ausstieg aus einer gemeinsamen Bauleitplanung beschlossen. Die übrigen werden folgen.

Die 10-H-Regelung hat die rechtlichen Bedingungen komplett geändert. Bis zu dem Vorstoß der bayerischen Staatsregierung vor zwei Jahren galten folgende rechtliche Voraussetzungen: Windkraftanlagen müssen die Distanz von mindestens 600 Metern zur nächsten Ortschaft einhalten. Außerdem greifen die Vorteile des privilegierten Bauens im Außenbereich, wie sie Landwirte für sich in Anspruch nehmen können. Aktuelles Beispiel ist die in der Öffentlichkeit umstrittene Aussiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebs aus dem Stadtgebiet Dachau in den Grünzug im Osten, der zum Landschaftsschutzgebiet erklärt werden soll.

Die Windräder bei Odelzhausen waren massiv umstritten (hier mit Blick auf den Ortsteil Taxa). (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die früheren Urteile der Verwaltungsgerichte eröffneten den Kommunen allerdings eine Option, wie sie die Abstandsflächen vergrößern können, ohne gegen die rechtlichen Vorgaben zu verstoßen. Deswegen schlossen sich 14 der 17 Kommunen des Landkreises zusammen, um einen eigenen Bauleitplan zu entwickeln. Darin legten sie die einzuhaltenden Abstand von Windrädern auf 900 Metern fest. Eine solche Entscheidung akzeptierten die Gerichte damals nur, wenn die Kommunen gleichzeitig Flächen anbieten konnten, auf denen Windkraftanlagen gebaut werden dürfen. In der Rechtsprechung hatte sich durchgesetzt, dass ein bis drei Prozent der Gesamtfläche ausreichten, um vor Gericht bestehen zu können.

Die Gemeinden gaben eine Planung in Auftrag, in der all die Areale eingezeichnet sind, die von Windkraft verschont werden sollten. Dazu zählten beispielsweise Dachau und Karlsfeld oder auch das gesamte Glonntal. Die übrigen Gemeinden sprangen in die Bresche. Damals waren die meisten Kommunalpolitiker unter dem bedrängenden Eindruck des Supergaus eines Atomkraftwerks im japanischen Fukushima zu Kompromissen bereit. Wegen Seehofers 10-H-Regelung ist der Bauleitplan für Windkraft im Landkreis Dachau aus Sicht der Bürgermeister Makulatur. Stellvertretend für die Kommunen sagt Christian Richter, Geschäftsführer der Rathausverwaltung in Altomünster, dass die nun schon fünf Jahre dauernde Hängepartie beendet werden müsse: "Es ist höchste Zeit."

Denn im Landkreis sind keine Abstände von zwei Kilometern und mehr bei Windrädern möglich, die mittlerweile eine Höhe von 230 Metern und darüber erreichen. Außerdem hatten viele Gemeinden im Entwurf zum Bauleitplan Abstandsflächen zugestanden, die unterhalb der von ihnen gewünschten 900 Metern waren. Der Bau solcher Anlagen ist in der Bevölkerung nicht mehr durchsetzbar. Ausnahmsweise werden nur noch so genannte Nebenanlagen genehmigt, wie für die Ziegelei Hörl und Hartmann in Pellheim.

Die stärksten Befürworter von Windkraft im Landkreis sind die Grünen und der Bund Naturschutz. Dessen Kreisvorsitzender Roderich Zauscher hält die Entscheidung der Dachauer Bürgermeister "nur für konsequent angesichts der inkompetenten bayerischen Energiepolitik". Stolz verweist er auf die Windräder bei Odelzhausen, die bereits laufen. "Vorher gab es ein großes Geschrei, jetzt hört man gar nichts mehr." Marese Hoffmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kreistag, spricht von einem Trauerspiel für den Landkreis. Die bayerischen Grünen haben am vergangenen Dienstag wegen der 10-H-Regelung das Ende der Windkraft in Bayern angekündigt.

Künftig wird also jede Kommune für sich überlegen müssen, ob sie unabhängig von der 10-H-Regelung Windkraft zulässt. Rechtlich gesehen, können auch kleinere Abstandsflächen genehmigt werden, wenn der jeweilige Gemeinderat es so will. Experten empfehlen unabhängig von den Vorgaben in Bayern, auf jeden Fall eine Bauleitplanung. Man stelle sich nur vor, es würden Windräder entwickelt, die bei 100 bis 150 Meter Höhe profitabel Energie erzeugten. Naturschützer Zauscher gibt sich siegessicher: "Die Windkraft kommt."

Nachdem die gemeinsamen Pläne der Kommunen hinfällig sind, hat das Bündnis für Dachau um Bürgermeister Kai Kühnel einen Antrag aus dem Jahr 2015 aktiviert. Demnach soll der Stadtrat ein eigenes Windkraftkonzept ausschließlich für das städtische Gebiet in Auftrag geben. "Gemäß der vorhandenen Daten aus dem Windatlas Bayern mit durchschnittlichen Windgeschwindigkeiten zwischen fünf und sechs Metern pro Sekunde in 130 Meter Höhe" sei ein "wirtschaftlicher Betrieb" zu erwarten.

© SZ vom 06.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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