Dachau:Souverän und klar

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Zsuzsa Elekes verzichtet in ihrem Orgelskonzert in Sankt Jakob auf die Demonstration ihrer Virtuosität

Von Adolf Karl Gottwald, Dachau

Orgelkonzerten begegnet man selbst als Freund barocker und klassischer Musik mit einer gewissen Scheu: Präludien und Fugen, Choralvorspiele, riesige Orgelsymphonien bei den Franzosen, Polyfonie von Bach bis Reger, danach im Orgelklang besonders schwer erträgliche Dissonanzen: Schwere Kost! Zugegeben, unbeschwert unterhaltsam, ein Divertimento ist ein Orgelkonzert eher nicht. Jetzt aber konnten die Unentwegten, die standhaften Orgelfreunde Dachaus einen Abend erleben, der weniger aus sehr großer, bedeutungsschwangerer Musik bestand, sondern sogar gefällig und unbeschwert genießbar war.

Dabei verhieß das Programm von Zsuzsa Elekes das Gewohnte: Präludium, Fuge und Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach, Orgelsymphonie von Franz Liszt, Orgelmusik des 20. Jahrhunderts aus Ungarn und zuletzt einen harmonisch außerordentlich dichten Max Reger. Und doch war es ein Abend, bei dem man sich weder von der Wucht der Werke noch etwa von atemberaubender Virtuosität erschlagen fühlte, sondern letztlich in gute Stimmung versetzt wurde. Er begann mit Präludium und Fuge G-Dur von Johann Sebastian Bach BWV 541. Und dieses Werk stimmt nicht etwa auf Hochbedeutendes ein, sondern ist von einer geradezu überraschenden Lockerheit und Fröhlichkeit. In keinem zweiten Orgelwerk Bachs findet sich als Grundton der Ausdruck eines überströmenden Glücks jugendlichen Überschwangs wie in diesem, ist sich die Fachwelt einig. Eine glänzende, hell strahlende Registrierung und sehr lockeres Spiel auf den zwei Manualen und dem Pedal der Orgel unterstrichen diesen Eindruck.

Damit führte sich die ungarische Gastorganistin Zsuzsa Elekes auf sehr angenehme, sympathische Weise ein. Auch das kurze Choralvorspiel "Aus der Tiefe rufe ich" BWV 745 hat nichts von der Düsternis und Schwere, die der Titel vermuten lässt. Es ist ein Jugendwerk Bachs, bei dem der Choral in schöne Farben getaucht ist und, wie Keller sagt, "fast romantisch untermalt" wird. Und das nächste Stück mit dem Titel "Einleitung, Fuge und Magnificat (aus der Symphonie zu Dantes 'Divina Commedia')" von Franz Liszt geriet zu einer angenehmen Überraschung. Liszt tobt sich hier nicht in unerhört virtuosem Orgelgebrause aus; denn die Wanderer Dante und Vergil haben hier das Inferno und das Purgatorio hinter sich und sind nun im Paradies von leuchtenden und vor allem weihevollen Sphärenklängen umgeben. Da fühlt man sich auch als Besucher eines Orgelkonzerts wohl. Vielleicht war der Genuss dem in diesen Tagen gefeierten 750. Geburtstag von Dante Alighieri zu verdanken.

Die von Zsuzsa Elekes vorgestellten ungarischen Orgelwerke von zwei völlig unbekannten Kodaly-Zeitgenossen waren eine offenbar von Bachs eingangs gespieltem Präludium mit Fuge G-Dur inspirierte Toccata G-Dur, also munter perlende Musik, und ein sanftes Abendlied sowie sehr lebhaft nach dem Gemälde "Spielende Faunen" von Arnold Böcklin. Alle Stücke waren in ihrer rein tonalen, leicht ungarisch angehauchten Harmonik sehr angenehm zu hören. Zuletzt nun doch ein gewaltiges Orgelwerk, nämlich Introduction und Passacaglia f-Moll von Max Reger. Dieses Werk dürfte nach Johann Sebastian Bachs Orgel-Passacaglia c-Moll, von dem es unüberhörbar ausgeht, die wohl größte Auseinandersetzung mit der barocken Variationsform der Passacaglia nach Bach sein.

Zsuzsa Elekes spielte dieses harmonisch und figurativ sehr reiche, spieltechnisch höchst anspruchsvolle Werk so souverän und klar, dass es vor allem als sehr schöne und farbige und sogar eingängige Musik genossen werden konnte. Das aber ist höchste Kunst und der Idealfall von Interpretation.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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