Dachau:Selfie-Spiele

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In der Mitgliederausstellung der Künstlervereinigung Dachau greifen nur wenige Werke aktuelle Tendenzen der Porträtkunst auf. Besonders spannend ist die Videoarbeit von Simona de Fabritiis

Von Wolfgang Eitler, Dachau

In der Vergangenheit war die Mitgliederausstellung der Künstlervereinigung Dachau (KVD) eine lose Sammlung von Kunstwerken. Eine solche Veranstaltung hatte den Vorteil, dass die Künstler Werke auswählen konnten, von denen sie hofften, dass sie im Weihnachtsgeschäft Anklang finden. Dieses Jahr nun sollten sich alle Arbeiten um das Thema des Selbstporträts drehen.

Dieser Anspruch ist ein kunstgeschichtlich hoher. Denn seit der Renaissance setzen sich Künstler in Szene, die damit auch eine entsprechende kulturelle und gesellschaftliche Rolle dokumentieren. Das Thema drängt zudem die Frage auf, wer solch ein Werk kaufen möchte. Wohl nur jemand, der zu dem jeweiligen Künstler enge Beziehung pflegt und die Wiedererkennbarkeit genießt. Gleichzeitig will die KVD auf die Porträtkunst neu blicken, weil die Selbstdarstellung im Selfie überraschende Dimensionen eröffnet hat.

In der ganzen Ausstellung in der Galerie der KVD Dachau befassen sich vier Teilnehmerinnen mit eben diesem Blick im Blick. Annekatrin Norrmann hat in einen runden Spiegel die Insignien ihres Namens aufgeklebt. Dieses Verfahren wird ab absurdum geführt, weil sich der Betrachter nur selbst sieht. Beate Zollbrecht hat ein Fotobuch erstellt, das sie selbst in unterschiedlichen Situationen zeigt. Zur pfleglichen Behandlung mahnt sie durch einen weißen Handschuh, der neben dem gleichfarbigen Büchlein liegt. Einem ähnlichen Muster folgt die Fotografin Romy Karbjinski, indem sie kleine, teils extreme unterschiedliche Ansichten von sich auf Reisen, beim Arbeiten oder im Alltag zu einem Bild moniert. Die Künstlerin stellt die Identitätsfrage.

Dörthe von Haniel und ihr Porträt, das vordergründig keines ist. (Foto: Toni Heigl)

Die systematische Auseinandersetzung mit dem Selfie als Kunstprodukt wagt das neue KVD-Mitglied Simona de Fabritiis. In einem Video hält sie ein Handy mit ausgestreckter Hand von sich weg. Zu sehen ist dabei sie selbst, obwohl diese Ansicht technisch schwer möglich ist. Schließlich müsste der Betrachter in diesem Fall das Kameraauge sehen und nicht den Display. Vermutlich filmt Simona de Fabritiis gerade ein vorab gefertigtes Video ihrer selbst ab. Das Schein-Selfie mit dunkelgrünem Hintergrund eines Renaissancebilds hat auch einen bairischen Touch. Die Künstlerin kann nach neun Minuten das Handy fast nicht mehr stemmen. Auf dem Volksfest messen junge Männer üblicherweise ihre Kraft mit dem Maßkrug. Die junge Künstlerin fordert den Besucher heraus. Er muss sich fragen, was er denn nun wirklich sieht. Man darf auf ihre Einzelausstellung im nächsten Jahr gespannt sein. Videokünstlerin Agnes Jänsch bekommt mit Simona de Fabritiis eine Partnerin innerhalb der KVD mit ähnlichen Anliegen, die in die Porträtkunst hinein reichen.

Der KVD-Vorsitzende Johannes Karl nimmt in der Ausstellung eine Sonderposition ein. Er reduziert seine Selbstansicht auf wenige charakteristische Elemente und geht ähnlich der Karikatur der Frage nach, was die jeweilige Person visuell ausmacht und sie wiedererkennbar erscheinen lässt. Ansonsten sind vor allem Arbeiten zu sehen, in denen die Künstler sich in unterschiedlichen Facetten und mit für sie typischen Beigaben darstellen. Eine weitere Gruppe nähert sich dem Thema dialektisch, in dem sie sich der Porträtkunst verweigert. Stattdessen sind Bilder entstanden, die den bekannten Anliegen der jeweiligen Künstler entsprechen. Mit anderen Worten: Die meisten Bilder und Skulpturen sind durch ihre Machart schon identifizierbar. Sie sind Typisierungen.

Mitgliederausstellung "Selbstporträt-Selfie" in der Galerie der KVD, Kulturschranne in der Altstadt, bis einschließlich Sonntag, 3. Januar 2016.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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