Dachau:Selbst erlebt

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Autorin und Dramaturgin: Ingrid Zellner aus Dachau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Ingrid Zellner liest aus Büchern, deren Grundlagen Reisen sind

Von SONJA SIEGMUND, Dachau

Endlose Wälder, atemberaubende Schluchten, schroffe Klippen und malerische Waldseen im geheimnisvollen Polarlicht - die abwechslungsreichen Landschaften Skandinaviens zählen zu den schönsten Naturerlebnissen Europas. Wenn Ingrid Zellner nur mit einem Rucksack verreist, dann zieht es sie in ihre Wahlheimat nach Schweden. So wurde die Lesung am Donnerstagabend im besten Sinne zu einem schwedisch-bayerischen Abend, zu der die gebürtige Dachauerin in die Stadtbücherei eingeladen hat. Etwa 20 Gäste, allesamt Frauen mittleren Alters, waren gekommen, um sich von den herrlichen Landschaften Schwedens, von Sagen über sonderbare Trolle und wundersamen Rentieren inspirieren zu lassen.

Im ersten Teil der rund einstündigen Lesung stand der 2016 veröffentlichte Roman "Ein Schwede zum Verlieben" im Mittelpunkt. Mit dieser teils autobiografischen Geschichte um eine deutsch-schwedische Freundschaft, aus der sich mit der Zeit eine Liebesbeziehung entwickelt, hat Zellner ihrer Heimatstadt Dachau ein literarisches Denkmal gesetzt. Bei der Lesung kann die 55-Jährige ihre langjährige Erfahrung als ehemalige Dramaturgin der Bayerischen Staatsoper, als Chorsängerin und Schauspielerin einfließen lassen. Zellner liest ihre Texte nicht nur, sie spielt sie und verleiht ihnen damit Lebendigkeit und Authentizität ohne lästigen Unterhaltungskitsch. Mit viel Liebe zum Detail, guter Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen gelingen der Autorin fast poetisch anmutende Naturschilderungen und subtile Dialoge.

Da geht es um eine Freundschaft zwischen der deutschen Touristin Verena und dem Stockholmer Törbjörn, die sich bei einem Open-air-Festival in der schwedischen Hauptstadt begegnen. Sie finden sich sofort sympathisch, haben den gleichen Humor und outen sich als überzeugte Singles. Verena ist selbst überrascht, als sie den netten Schweden in ihre Heimatstadt einlädt. Ihre Sympathie zu Törbjörn wächst sogar noch angesichts dessen völlig unaufgeregter Reaktion auf den Namen "Dachau".

Der schwedische Single nimmt die Einladung Anfang August tatsächlich an. Verena zeigt ihrem Stockholmer Freund die Dachauer Altstadt, das Schloss mit dem Hofgarten und sie genießen das Volksfest. Die beiden verbringen einige wunderschöne Sommertage miteinander, so schön, dass Verena erstmals ihr bisheriges Single-Dasein in Frage stellt. Ob sie indes zusammenfinden und ein gemeinsames Leben verbringen, soll hier verraten werden. Nicht weniger lesenswert erweisen sich auch Zellners magisch-märchenhafte Geschichten für Kinder und Erwachsene in ihrem Erstlingswerk "Malin und das weiße Rentier". In diesem Buch wird die Freundschaft zwischen dem kleinen Mädchen Malin und dem klugen Rentier Dalvi dargestellt, das sprechen kann. Die im Herbst 2015 herausgegebenen fünf Geschichten spielen in Nordschweden, der Heimat des indigenen Volkes der Sami. Bis heute leben die Samen als Nomaden von der Rentierzucht. So wird denn auch die prächtige Natur, Jahreszeiten und Rentierhaltung in ihren uralten Mythen und Legenden thematisiert.

Die Idee zu ihrem ersten Buch sei in einer wunderschönen Sternennacht im Winter entstanden, als Zellner wieder einmal in den hohen Norden gereist war. Dabei habe sie selbst eine traumhafte Begegnung mit einem weißen Rentier erlebt. In ihrer Frühlingsgeschichte schildert Zellner höchst anschaulich die Schöpfungsmythen der Samen, die auf einem großen Rentier beruhen, mit dessen weißen Fadenhaaren alle Menschen, die Tier- und Pflanzenwelt und sogar die Naturgewalten miteinander verbunden sind.

Seit 2008 widmet sich Ingrid Zellner intensiv der Schriftstellerei und Regiearbeit bei Theaterprojekten. Als ihr Engagement in München durch einen Intendantenwechsel endete, sah Zellner die Zeit für eine Neuorientierung gekommen. Sie wagte sich in die Freiberuflichkeit, begann Sprachkurse für Schwedisch zu geben und in einem Übersetzerbüro zu arbeiten. Zugleich intensivierte die Dachauerin ihr Hobby, das Schreiben. Zwei Theaterstücke für Kinder, Kurzgeschichten sowie Publikationen der Bayerischen Staatsoper stehen am Anfang ihrer Autorenkarriere.

Für 2017 hat sie bereits einige Pläne: Noch in diesem Jahr wird Zellner ihren ersten Kriminalroman "Sonnenrätsel" veröffentlichen, der in Island und am Bodensee spielt. In Teamarbeit mit der Autorin Simone Dorra hat die Dachauerin die siebenbändige Romanserie Kashmir-Saga geschrieben, die ebenfalls von 2017 an veröffentlicht wird.

Von Ingrid Zellner sind in den vergangenen Jahren erschienen: 2016: "Ein Schwede zum Verlieben" (Roman; Magic Buchverlag), 2015: "Malin und das weiße Rentier" (Eine Geschichte für Kinder und Erwachsene; Magic Buchverlag), 2003 bis2005: "Drei Kurzgeschichten" (Anthologien des Magic Buchverlag); 1995: Zwei Theaterstücke: "König Drosselbart" und "Der falsche Prinz" (Deutscher Theaterverlag Weinheim. Für 2018 ist gepöant: Kuckuckssohn (Arbeitstitel; Roman), eine schwäbisch-schwedische Liebesgeschichte in Zusammenarbeit mit Simone Dorra. Weitere Informationen: ingrid-zellner.de

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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