Dachau:Seelentrost bei Kerzenschein

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Mit Spendenaufrufen und Konzerten sammelt die Gemeinde Geld für eine neue große Orgel. (Foto: Niels P. Joergensen)

Dachauer Kammerchor gibt ein zu Herzen gehendes Nachtkonzert

Von Dorothea Friedrich, Dachau

"Locus iste", so heißt eine vierstimmige Motette von Anton Bruckner. Locus iste, also dieser Ort, "ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm". So geht es weiter. Mag sein, dass Kirchenmusiker und Chorleiter Rainer Dietz das Werk nicht nur wegen seiner schlichten Schönheit als Eingangsstück für das Nachtkonzert bei Kerzenschein mit dem Dachauer Kammerchor am Samstagabend in Mariä Himmelfahrt gewählt hat. Dem Gotteshaus fehlt bekanntlich immer (noch) die neue große Orgel, und es gibt (noch) eine Finanzierungslücke. Ein Blick auf die Orgelempore vermittelt inzwischen zwar mehr als eine Ahnung davon, welche würdige Vertreterin der Königin der Instrumente am Sonntag, 25. Oktober, erstmals erklingen soll. Von den geschätzten Kosten von 520 000 Euro hat die rührige Pfarrgemeinde bislang 466 000 Euro aufbringen können. Der Rest soll durch Spenden und durch Veranstaltungen wie das Nachtkonzert zusammenkommen.

Unter Nachtkonzert bei Kerzenschein an einem Sommerabend könnte man sich leichte Kost vorstellen. Die gab es auch - in gewissem Sinne. Zum Beispiel bei der sechsstimmigen Motette "Jesus und der Oberzöllner Zacharias" von Siegfried Strohbach. Der 1929 geborene Komponist, Dirigent und frühere Hochschullehrer erzählt eine Geschichte aus dem Lukas-Evangelium. Für nicht ganz so Bibelfeste: Zacharias hatte von einem Baum aus beobachtet, wie Jesus und seine Jünger in Jericho einzogen. Jesus rief ihn herunter und kehrte bei ihm ein. Eine für damalige Verhältnisse unerhörte Tat, weil die Zöllner ob ihrer ausbeuterischen Haltung gegenüber der Bevölkerung verhasst waren. Strohbachs Musik zu dieser zeitlosen Erzählung hätte allerdings auch gut als Untermalung für einen Hollywood-Bibelschinken aus den Sechzigerjahren dienen können.

Eine leichte Übung also für die 28 Sänger des Kammerchors. Die zeigen vor allem bei Anton Bruckners (1824-1896) "Ave Maria" und dessen "Virga Jesse", was Kirchenmusik par excellence ist - und wie man sie gekonnt interpretiert. Hinter dem fast verhalten klingenden Anfang von Virga Jesse verbergen sich hohe Anforderungen und bewegende Passagen, die im oft zur Osterzeit gesungenen "Halleluja" ihren glanzvollen Höhepunkt finden. Der Chor meistert diese Aufgabe mit Können und Empathie, präzise geführt von Rainer Dietz. Auch bei Johann Sebastian Bachs (1685-1750) "Lobet den Herrn, alle Heiden" und bei Otto Nicolais (1810-1849) "Herr auf dich traue ich" zeigt sich der Kammerchor von seiner besten Seite. Der heute vor allem als Opernkomponist (Die lustigen Weiber von Windsor) bekannte Nicolai hat eine wunderschöne, hochmelodische Vertonung des 31. Psalms geschaffen - die in der innigen Interpretation von Chor und Chorleiter ihre Entsprechung findet.

Dietz spielte zudem an der kleinen Orgel eine sehr persönliche Auswahl aus der schier unendlichen Fülle der Kompositionen für dieses Instrument. Auch hier gab es Kontrastprogramm: Bachs gigantischem Präludium und der Fuge in D-Dur stellte Dietz zwei Werke des 1965 geborenen Carsten Klomp gegenüber. Während über Bachs Genius längst fast alles - und nie genug - gesagt und geschrieben worden ist, ist Klomp zumindest Laien kaum bekannt. Ob das gut so ist oder nicht, bleibt dem Urteil von Zuhörern und Fachleuten vorbehalten. Im Nachtkonzert ist er die Überraschung des Abends mit seinen eigenwilligen Bearbeitungen von "Lobet den Herren alle, die ihn ehren" und von "Großer Gott, wir loben dich". Letzteres hat der an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg lehrende Klomp mit neckischen Dreivierteltakt-Passagen umrankt. Das ist amüsant, zumal wenn es mit einem "Augenzwinkern in den Fingern" von Dietz gespielt wird. Im Grunde aber ist eine pseudomoderne Bearbeitung dieses echt ökumenischen Kirchenlieds mit seiner suggestiven Kraft ziemlich überflüssig.

Bleibt als Resümee: Ein Nachtkonzert bei Kerzenschein mit geistlicher Musik kann erhaben-erhebender Seelentrost sein und fröhliche kirchenmusikalische Unterhaltung bieten, vorausgesetzt, die Mitwirkenden lassen sich auf jede Nuance der einzelnen Stücke ein. Dem Kammerchor und seinem Dirigenten ist das gelungen.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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