Dachau:Schöne Ernsthaftigkeit

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Die Neue Galerie Dachau zeigt sieben Künstlerinnen und Künstler, die sich mit dem Handwerk des Webens auskennen und die Technik beherrschen. Die Ausstellung ist der analoge Gegenentwurf zur Vision digitaler Vernetzung

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Auf den ersten Blick wirken die Objekte in der kommunalen Neuen Galerie dekorativ. Die Wolke des in Dachau bekannten Künstlers Lars Koepsel aus Hohenkammer, ganz besonders die kleinen Quadrate der Franziskanerin Schwester Pietra Löbl aus Ulm oder die filigrane Bergstudie aus Draht von Brigitte Schwacke, die in München lebt. Das zentrale Werk der früheren Professorin für textile Gestaltung und wohl bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerin im Bereich der textilen Gestaltung, Dorothea Reese-Heim, sieht wie eine Wolke aus. Es könnte sich um Quallen handeln, zumindest liegt die Assoziation nahe. Auch die Drahtgebilde der Münchner Architektin Monika Supé wirken leicht, schwebend. Die Flechtwerke aus Fotostreifen der Kunsterzieherin Katrin von Lehmann flirren im sanften Licht, das in die Galerie eindringt. Peter Weber wiederum schafft aus einem einzigen Stück Filz gefaltete Reliefs, bei denen man darüber staunt, wie er die Strukturen und Formen technisch überhaupt hinbekommt.

Kuratorin Jutta Mannes wollte eine Ausstellung schaffen, in der die Kunst nicht um Themen kreist, die gesellschaftlich, psychologisch oder politisch interessant sind. Vielmehr war sie an Werken und Künstlern interessiert, die sich mit einer besonderen kulturellen Technik befassen und ihr spannende Aspekte abgewinnen. Tatsächlich schafft Katrin von Lehmann Bilder, die an die Tradition des Pointilismus erinnern und auch eine Persiflage auf die digitale Technik darstellen. Denn die kleinen Quadrate, die in der Flechtarbeit aus Fotos entstehen, muten gleichzeitig wie Pixel eines digital hergestellten Fotos an. Aber letztlich findet eine Auflösung oder Zerstörung der jeweiligen Vorlage statt, weshalb mit der Technik auch der Inhalt der Fotos verloren geht. Insofern kommen die Werke schön daher, sind es aber nicht bloß. Der Betrachter weiß ja nicht, was er hier wirklich sieht. Damit reißt die Künstlerin ein Thema an, das beispielsweise die amerikanische Schriftstellerin Susan Sonntag ins Zentrum ihrer Essays über Fotografie rückte. Man sollte sich von der Ausstellung nicht täuschen lassen. Auch nicht von den Quallen, die Reese-Heim in Szene setzt und die wegen ihrer Giftigkeit auch "Medusen" heißen.

Die Quadrate der Franziskanerin Pietra Löbl sind einfach gemacht. Aus weißem Leinengewebe löst sie Fädchen, so dass eine transparente Struktur entsteht. Die Nähe zu meditativen Fragen des Sehens und Erfahrens liegt auf der Hand. Genau so wie bei Lars Koepsel, der die traditionelle Form des buddhistischen Endlosknotens nachzeichnet. Dazu schrieb er die Abhandlung über Freundschaft aus der Nikomachischen Ethik von Aristoteles zu einem dichten Geflechte aus Worten ab. Und die Wolke besteht aus dem Text eines unbekannten englischen Kartäusermönchs mit dem Titel "Wolke des Nichtwissens". Form und (nicht mehr lesbarer) Inhalt fügen sich zusammen. Dekorative Elemente wie der Goldaufdruck eröffnen also den Zugang zu einer philosophischen Ernsthaftigkeit, die sich mit Fragen der Existenz befasst.

In eine ähnliche Richtung lassen sich die Drahtgebilde von Brigitte Schwacke deuten. Ihr "Schmaler Grat" ist eine Zeichnung als Skulptur, die gleichzeitig keine ist. Denn Volumen, Größe und Präsenz werden in dem Drahtgeflecht nur angedeutet. Da ließen sich durchaus Fragen nach Existenz und Bodenhaftigkeit stellen, denn die fehlt dem Berg völlig.

Der übergeordnete Titel der Ausstellung lautet "Webarbeiten". Die Ausstellung ist eine spielerische Auseinandersetzung mit handwerklichen Techniken und auch mit der Idee des Zusammenlebens. Die Zartheit und auch die Leichtigkeit sind ein Gegenentwurf zur heutigen Programmatik digitaler Vernetzung. Deren Credo haftet im Vergleich zur Webarbeit etwas Gewalttätiges an. Die Ausstellung ist dazu der analoge Gegenentwurf.

Neue Galerie Dachau: "Webarbeiten" mit Werken von Dorothea Reese-Heim, Brigitte Schwacke, Monika Supé, Peter Weber, Lars Koepsel, Katrin von Lehmann und der Franziskanerin Schwester Pietra Löbl. Bis Sonntag, 15. November. Führungen am Sonntag, 4. Oktober, und Sonntag, 15. November, 14 bis 15 Uhr.

© SZ vom 25.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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