Dachau:Sanfter Paukenschlag

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Im Kreistag zeichnet sich zumindest eine beachtliche Minderheit für eine Musikschule ab

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die erste Beratungsrunde über die Einführung einer Kreismusikschule im Landkreis Dachau hat am vergangenen Freitagmorgen mit einer erfreulichen Überraschung geendet. Im Ton, weil sie größtenteils im moderaten Tempo eines Adagio geführt wurde. Im Ergebnis: Weil Schul- und Kreisausschuss in ihrer Mehrheit nicht pauschal dagegen sind, sondern sich weitere Sondierungsgespräche wünschen. Jetzt soll die Landkreisverwaltung herausfinden, wie eine solche Einrichtung organisiert werden kann. Dabei vertreten SPD, Grüne und Freie Wähler die Ansicht, dass die musische Bildung ausgebaut und qualitativ verbessert werden soll. Sie möchten vor allem wissen, wie eine Kreismusikschule dabei mitwirken kann.

Den Wunsch nach mehr Bildung trägt auch die skeptischere CSU-Fraktion mit. Sie sorgt sich aber um die Existenz der bestehenden privaten Einrichtungen und Vereine im ganzen Landkreis. Karlsfelds Bürgermeister Kolbe warnte im staatsmännischen Ton davor, dass Kommunen in den freien Musikmarkt eingreifen könnten. Landrat Stefan Löwl, ebenfalls CSU, hält einerseits die Strukturen aus Vereinen und kommerziell geführten Schulen für ausreichend, andererseits sieht er die Notwendigkeit, mehr Geld in die musische Bildung zu investieren.

In den vergangenen Jahrzehnten waren Vorstöße aus den Reigen der Musikpädagogen von der Kommunalpolitik in Stadt und Landkreis abgeschmettert oder nicht einmal ernst genommen worden. Ein Antrag der Grünen-Fraktion hat jetzt zumindest die Bereitschaft gefördert, sich dieses Anliegens erstmals ernsthaft anzunehmen.

Wie die Beratung am Freitag allerdings zeigte, könnte sich die Verwaltung in diesem Fall als Wolf im Schafspelz erweisen. Denn wie soll der größte Gegner ein schlüssiges Konzept entwerfen? Schulreferent Albert Herbst ließ keinen Zweifel, dass er eine Kreismusikschule ablehnt. Seine schriftliche Ausarbeitung zum Prüfantrag von Grünen-Sprecherin Marese Hoffmann kommt letztlich nur zu dem einen Schluss, dass Aufbau und Unterhalt einer Kreismusikschule jährlich ungefähr eine Million Euro kosten würden. Als die Vertreterin des Verbands der Bayerischen Musikschulen, Marianne Lauser aus Dachau, ihre weniger alarmierenden Zahlen präsentierte, brach er gemeinsam mit Kollegen der Verwaltung in Hohngelächter multo furioso aus.

Schulreferent Herbst konzentrierte sich in seinen Ausführungen auf die teuerste Variante einer Kreismusikschule. Sie würde kommunal geführt, sämtliche Lehrkräfte wären beim Landkreis angestellt und außerdem würde ein zentrales Gebäude bestehen, in dem die Mehrzahl der Schüler unterrichtet wird. Da kommt ein Betrag von jährlich mehr als zwei Millionen zusammen. Zieht man die Beiträge für den Unterricht und die staatlichen Zuschüsse des Kultusministeriums ab, dann ergibt sich der als Horrorszenario vorgestellte Betrag. Als Beispiel führte Herbst den Nachbarlandkreis Fürstenfeldbruck an. Was er verschwieg: Die musische Bildung dort zählt qualitativ zur besten in Bayern. Dagegen zitierte Herbst aus Stellungnahmen zum Beispiel der Dachauer Knabenkapelle und der Dachauer Stadtkapelle, die ihre Arbeit selbstredend als so herausragend beurteilen, dass sie eine Musikschule als Konkurrenten ablehnen.

Michael Reindl von den Freien Wählern ist für den Prüfantrag. Laut ihm leistet die Musikschule einen wichtigen Beitrag für die Bildung im Landkreis. (Foto: oh)

Deren Haltung hätte Herbst wohl gerne zum Kopfsatz der gesamten Diskussion erhoben und sich als Dirigent aufgespielt. Gerhard Hainzinger, Bürgermeister und CSU-Kreisrat aus Sulzemoos, war dafür und forderte, die musische Bildung allein den jeweiligen Kommunen zu überlassen. Aber just Bürgermeisterkollege Harald Dirlenbach (SPD) aus Vierkirchen widersprach; und damit der Vertreter einer Gemeinde, welche das bürgerschaftliche Engagement und das Netzwerk der Vereine zum politischen Credo erhoben hat. Dirlenbach sagte: "Wir wissen zu wenig. Und es gibt im Landkreis auch graue Felder wie die klassische musische Bildung."

Antragstellerin Marese Hoffmann (Grüne) missfiel an der Verwaltungsvorlage der Tonfall und die ihrer Ansicht nach rigide Perspektive auf die Finanzierung. "Es geht doch um den Menschen." Sie fügte hinzu: "Besonders um dessen emotionale Bildung." Sie zitierte einschlägige Erkenntnisse über die Bedeutung musischer Erziehung auch für alle kognitiven Fähigkeiten. Deshalb wünschte sie sich im Kreistag eine Debatte auf diesem Niveau. Deshalb lehnte sie schnelle Entscheidungen ab und mahnte eine bedächtig geführte Debatte an.

Marianne Lauser lebt in Dachau, ist hier geboren und arbeitet als Referentin für den Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen. Das bayerische Kultusministerium unterstützt diesen Verein. Lauser skizzierte kurz, wie vielfältig sich Musikschulen in Bayern organisieren. In Vereinen, dezentral und auch gemeinsam mit kommerziell geführten Angeboten. Lauser sicherte auch zu, dass eine Musikschule sich nicht über bestehende Strukturen überstülpen will. Wichtig ist nur eines, die qualitative Sicherung: Dazu gibt es einen mit dem Kultusministerium abgestimmten Lehrplan. Außerdem ausgebildete Lehrkräfte. Unterricht und Qualität werden ständig evaluiert. Am liebsten gehen die Vertreter einer Musikschule direkt in die Kindertagesstätten und in die Grundschulen, um dort mit der musischen Erziehung zu beginnen.

Vor einigen Jahren wagten Musiker und Chorleiter wie Anton Schiela oder Peter Frank von der Liedertafel die dezent vorgetragene Kritik, dass die musikalische Erziehung zu wünschen übrig lässt. Kürzlich erneuerte sie Hans Blume, Musiklehrer am Josef-Effner-Gymnasium und Vorsitzender des Vereins Musik erleben. Er sieht erhebliche Defizite im Grundsätzlichen: "Es fehlt ganz einfach an Zusammenschlüssen von Musikschulen, hier in Dachau ist alles zu dezentral, es gibt nur private Institute und Vereine."

Marese Hoffmann, Sprecherin der Grünen im Kreistag, forderte eine ernsthafte Diskussion über die Notwendigkeit einer Kreismusikschule. (Foto: Heigl)

Was Hans Blume damit meinte, erläuterte Wolfgang Greth, Geschäftsführer des Verbands Bayerischer Musikschulen in Bayern, am Beispiel Unterhaching. Zunächst ist der Begriff Musikschule ein rechtlich geschützter. Offiziell dürfen sich nur solche kommunalen oder privat organisierten Einrichtungen so nennen, die "ein umfassendes Angebot" vorhalten können, wie Greth ausführt. Dazu zählt ein kompletter Instrumentalunterricht, der Bläser und auch Streicher oder den Gesang umfasst. Vor allem aber betont Greth, dass jeder Unterricht durch das Spiel im Ensemble gestützt und ergänzt werden muss: "Von Anfang an."

In Unterhaching gehen die an Musikhochschulen ausgebildeten Lehrer beispielsweise in alle Kindertagesstätten und Grundschulen. Ihrer Tätigkeit ist in den allgemeinen Unterricht integriert. Für die Finanzierung dieses Beitrags muss die Kommune allein aufkommen, weil Eltern nach dem Erziehungs- und Unterrichtsgesetz für den Unterricht nicht bezahlen dürfen. Anders sieht es am Nachmittag aus. Dann haben die Eltern einen Teil der Beiträge zu übernehmen. Elf Prozent der Kosten trägt der Freistaat über Zuschüsse an Musikschulen, soweit sie im bayerischen Verband organisiert sind.

Bekanntlich haben sich die Freien Wähler im Landkreis Dachau den Nimbus der kritischen Wächter über die kommunalen Finanzen energisch erarbeitet. Bei allen sich bietenden Gelegenheiten pochen sie auf die Wirtschaftlichkeit der fraglichen Projekte und suchen nach Einsparungen. Ihr Sprecher im Kreistag, Michael Reindl, aber sprach sich am Freitag in einem dezenten Paukenschlag eindeutig für eine Kreismusikschule aus. Denn: "Die musikalische Bildung ist enorm wichtig."

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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