Dachau:Rettung in Dresden

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Erzählt fesselnd und emotional aus ihrem Leben: Henny Brenner im Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte. (Foto: Toni Heigl)

Henny Brenner entgeht im Bombenhagel der Deportation

Von Moritz Köhler, Dachau

Mehr als eine Stunde lang erzählt Henny Brenner aus ihrem Leben: ihre Kindheit und Jugend in Dresden, die Verfolgung durch die Nationalsozialisten, die Bombardierung der Stadt, Flucht aus der DDR. Die knapp 50 Gäste im Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte lauschen gebannt. Brenner erzählt fesselnd, emotional. Ihre Geschichte ist spannend, das steht außer Frage. Doch ihre Art zu erzählen beeindruckt ebenso wie das Erzählte selbst. Sie berichtet von ihren persönlichen Erlebnissen, ihren Gedanken und ihren Gefühlen.

Brenner wurde 1924 in Dresden geboren. Die Mutter war eine Jüdin, die aus Russland nach Dresden gezogen war. Der Vater war ein Protestant aus einer alten Dresdner Familie. Er besaß ein Kino, die Familie war finanziell abgesichert. "Ich hatte eine normale, sehr schöne Kindheit", sagt Brenner. "Ich war ein Einzelkind, ein bisschen verwöhnt." Das Publikum lacht. Doch dann wird es schnell ernst. Sie sei ganz normal aufgewachsen - bis Hitler kam und mit ihm die Verfolgungen. Es sei schleichend vorangegangen, nach und nach sei es immer schlimmer geworden. Zu dieser Zeit besuchte sie noch das Gymnasium. "Wir waren drei jüdische Mädchen in der Klasse und plötzlich durften wir nicht mehr zum Schwimmen und zum Wandern. Alles, was Kindern Spaß gemacht hat, wurde uns verboten. Warum? Einfach weil wir Juden waren."

Lebhaft erzählt Brenner von der kurzen Zeit auf dem Gymnasium, den Wechsel an die jüdische Schule und die alltäglichen Diskriminierungen. Sie schildert, wie sie eines Morgens im November 1938 in die Straßenbahn stieg und an der brennenden Synagoge vorbeifuhr. "Spätestens da hätte man weggehen müssen", sagt sie. Doch die Familie blieb. Der Vater habe immer gesagt, dass sich die Nationalsozialisten nicht lange halten könnten und der Spuk bald vorbei sei.

Nach dem Kriegsausbruch war eine Flucht unmöglich geworden. Die Verfolgung wurde unerträglich. "Der Tag, an dem wir den Judenstern bekamen, war der schlimmste von allen. Wenn wir damit auf der Straße herumliefen, waren wir gebrandmarkt, vogelfrei", berichtet Brenner. Während des Krieges arbeitete sie in diversen Fabriken. Am 13. Februar 1945 erhielten Brenner und ihre Mutter den Deportationsbescheid. "Am 16. sollten wir weggeschafft werden. Heute weiß ich, dass wir bereits im Zug getötet worden wären. Auschwitz war ja bereits geschlossen." Die Bombardierung Dresdens begrub die Deportationspläne unter einer dicken Schicht aus Schutt und Dreck. Die Familie überlebte die Angriffe und versteckte sich anschließend in einem verlassenen Haus, bis die Rote Armee Dresden von den Nationalsozialisten befreite. Als 1950 in der DDR ein neuer Antisemitismus aufkam, zögerten die Brenners nicht lange: Kurz vor Weihnachten 1952 flohen sie nach Westberlin. Dort lernte Henny Brenner ihren späteren Mann kennen, mit dem sie bald nach Weiden in der Oberpfalz zog.

Henny Brenner besucht viele Schulen und erzählt dort von ihren Erlebnissen. Dadurch will sie den jungen Leuten eine Botschaft vermitteln: "Sie sollen aufpassen und für die Demokratie kämpfen. Es ist wichtig, dass niemand wegschaut." Für diese Gespräche reist sie häufig nach Dresden. Dort wohnen will sie aber nicht mehr. "Dresden hatte noch nie eine gute Politik. Pegida? Nein danke, davon habe ich genug", sagt sie.

© SZ vom 17.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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