Dachau:Rechte Gefahr

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Das Jugendgästehaus Dachau ist ein Forum der Begegnung und der Beschäftigung mit aktueller Politik. (Foto: Jørgensen)

Eine dreiteilige Serie zur AfD des Max-Mannheimer-Studienzentrums im Jugendgästehaus

Von Anna-Sophia Lang, Dachau

Die Alternative für Deutschland (AfD) ist vermutlich die Partei in der Bundesrepublik, über die im Moment am meisten gerätselt wird. Seit den Wahlen im März sitzt sie in der Hälfte der deutschen Landtage, und ihr Mobilisierungspotenzial scheint größer denn je zu sein. Journalisten und Wissenschaftler beschäftigen sich gleichermaßen mit dem Phänomen AfD und suchen nach Gründen für ihr plötzliches Erstarken. Aber auch Fachkräfte und Ehrenamtliche in der Jugendarbeit setzen sich seit Jahren mit Mobilisierung vom rechten Rand auseinander. Eine Aufgabe, der in einem Klima erstarkenden rechten Gedankenguts durch AfD, Pegida und andere Bewegungen umso mehr Bedeutung zukommt.

Deshalb hat das Max-Mannheimer-Studienzentrum im Jugendgästehaus gemeinsam mit dem Kreisjugendring Dachau eine dreiteilige Veranstaltungsreihe mit dem Titel "Rechtspopulismus und Rechtsextremismus - Herausforderungen für die Jugend- und Bildungsarbeit" konzipiert. Zum Auftakt referierte Sebastian Friedrich. Der Sozialwissenschaftler und Publizist aus Berlin hat 2015 ein Buch veröffentlicht, in dem er den Aufstieg der AfD nachzuvollziehen versucht. Sein Fazit: Das "rechte Projekt", zu dem er neben der AfD Bewegungen wie Pegida, Aktivitäten auf Blogs oder in sozialen Netzwerken, Medien wie die "Junge Freiheit", Think Tanks wie das Institut für Staatspolitik und Stichwortgeber wie Thilo Sarrazin zählt, habe sich bereits vor der Gründung der AfD im Jahr 2013 formiert. Es sei nun bloß stärker auf die Partei fokussiert.

Als Grund für das Erstarken der Partei macht er vier Krisenlinien aus. Zusammengenommen hätten sie dazu beigetragen, dass "das wärmende Gefühl der sozialen Sicherheit zunehmend einer klammen Abstiegsangst weicht." Konservative Parteien hätten sich zunehmend modernisiert, wodurch Bürger aus traditionellen Milieus immer mehr Repräsentanten verloren hätten. Gleichzeitig sei die Wahlbeteiligung gesunken und die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie stärker geworden. Parallel dazu seien Einkommen und Vermögen immer ungleicher verteilt, die Mittelschicht schrumpfe. Ob durch die Erfahrung einer tatsächlichen ökonomischen Krise begründbar oder nicht, könne die Angst vor dem sozialen Abstieg in bestimmten Gruppen zu einem reaktionären Krisenbewusstsein führen, sagt Friedrich. Abwertende Einstellungen gegenüber Juden, Muslimen oder Erwerbslosen seien bei ihnen proportional größer.

Die Debatte im Anschluss an Friedrichs Vortrag zeigte, wie unsicher auch die Teilnehmer des Workshops dem Phänomen AfD begegnen. Wird sie so stark bleiben oder am Ende gar in den Bundestag einziehen? Was will sie eigentlich genau? Könnte sie der deutsche Front National werden? Was tun die anderen Parteien? Was macht der Verfassungsschutz? Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, ob die AfD so stark geworden wäre, wenn im vergangenen Jahr nicht Hunderttausende Menschen auf der Flucht nach Deutschland gekommen wären. Ursächlich ist die Fluchtbewegung nach Europa in Friedrichs Augen nicht. Er bezeichnet sie als "Gelegenheitsfenster", wie auch die Eurokrise eines gewesen sei. Viele Themen, die von der AfD im Zuge der Debatte über Flüchtlinge aufgegriffen würden, seien schon lange da gewesen. Selbst wenn die Debatte aufhört, so Friedrichs Prognose, werde die AfD stark bleiben. Auch deshalb, weil sie immer stärker den Islam zu ihrem zentralen Thema mache.

Einen gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck hat Friedrich im Zuge der Flüchtlingsdebatte und der AfD-Entwicklung nicht beobachtet. Er spricht stattdessen von einer gesellschaftlichen Polarisierung. Radikalisierung gebe es zwar durchaus, aber nur in Teilen, nicht in der Breite der Gesellschaft. Dennoch glaubt er, dass vom "rechten Projekt" eine reale Gefahr ausgeht, weil die unterschiedlichen Akteure besser vernetzt seien als entsprechende Gruppen in den 90er Jahren. An der AfD alleine liege das aber nicht.

Wie rechte Akteure junge Menschen beeinflussen können und was das für die Jugendarbeit bedeutet, war an diesem Abend nicht Thema. Darum geht es beim zweiten Teil des Workshops am Donnerstag, 12. Mai. Dann sollen auch Gegenstrategien ermittelt werden. Referent ist Johannes Scholz, Mitarbeiter der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München und freier Mitarbeiter am Max-Mannheimer-Studienzentrum. Im ersten Teil des Workshops geht es um die Strukturen der bayerischen rechten Szene. Im zweiten Teil sollen die Teilnehmer gemeinsam mit dem Referenten in praxisnahen Szenarien lernen, Argumentationsmuster von Rechten zu entkräften und Radikalisierung entgegenzuwirken. Der Workshop richtet sich an Lehrer, Jugendleiter, pädagogische Fachkräfte in Bildungseinrichtungen und interessierte Bürger. Er findet im Max-Mannheimer-Studienzentrum statt und beginnt um 18 Uhr. Anmeldeschluss ist an diesem Freitag.

© SZ vom 06.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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