Dachau:Raubzüge mit geringem Risiko

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Die Polizei kann Diebstähle auf Baustellen im Landkreis fast nie aufklären. Nur einmal in diesem Jahr werden Kupferdiebe im MD-Gelände erwischt: Das Amtsgericht verurteilt Vater und Sohn zu Haftstrafen auf Bewährung

Von Benjamin Emonts, Dachau

In dieser Woche mussten sich ein Vater und sein erwachsener Sohn vor dem Dachauer Amtsgericht verantworten, weil sie vom Gelände der ehemaligen MD-Papierfabrik Kupferteile im Wert von mindestens 5000 Euro gestohlen haben. Dass die beiden Vilshofener überhaupt zur Verantwortung gezogen werden konnten, ist ein Glücksfall. "Die Fahndung nach Baustellendieben gestaltet sich äußerst schwierig", weiß der Pressesprecher der Polizeiinspektion Dachau, Michael Richter. Von zwölf weiteren Baustellendiebstählen im Landkreis Dachau im Jahr 2014 konnte kein einziger aufgeklärt werden.

So fahndet die Bundespolizei auch weiterhin nach den Tätern, die Ende November von der Baustelle am S-Bahnhof Schwabhausen mit schwerem Gerät zwei große Rollen mit jeweils 500 Meter Kupferkabel entwendeten. Auch tappt die Dachauer Polizei immer noch im Dunkeln, wer im Oktober auf einer Baustelle im Odelzhausener Gewerbegebiet erst einen Minibagger kurzgeschlossen hat, um den Weg zu einem Gerätecontainer freizumachen, und anschließend Maschinen im Wert von 5000 Euro daraus gestohlen hat.

Die Aufklärungsquote der Baustellendiebstähle ist verheerend. Zum einen liegt das daran, dass "die gestohlenen Gerätschaften oder das Buntmetall nicht registriert sind", sagt Polizeisprecher Richter: "Ein Diebstahl ist daher schwer nachweisbar." Zum andern erschweren die Tatumstände und die "schlechte Spurenlage" die Ermittlungen. Denn die Diebe, so Richter, gehen meist zur Nachtzeit und am Wochenende auf Raubzug. In den meisten Fällen suchen sich die Täter gezielt Baustellen aus, die abgelegen sind, damit sie schnell flüchten können. Beobachtet würden die Täter dementsprechend selten. Doch sind es in erster Linie die Hinweise aus der Bevölkerung, auf welche die Polizei angewiesen ist. Ansonsten bleibt nur, Streife zu fahren und darauf zu hoffen, die Täter auf frischer Tat oder bei Fahrzeugkontrollen zu ertappen, so Richter.

Fest steht, dass die geringe Aufklärungsquote kombiniert mit dem Bewusstsein, schnell und einfach Geld verdienen zu können, die Baustellendiebstähle für Kriminelle besonders attraktiv machen. Polizeisprecher Richter äußert die Vermutung, dass die Täter oftmals aus Osteuropa kommen und das Diebesgut zügig ins Ausland bringen. Auffällig sei zudem, dass sich die Diebe auf den Baustellen meist erstaunlich gut auskennen.

Der Dachauer Bauunternehmer und Innungsmeister Wolfgang Reischl kann das nur bestätigen. Für ihn sind die Baustellendiebstähle ein "Riesenproblem". Er sagt, dass sie in den vergangenen Jahren eklatant zugenommen hätten. Für sein eigenes Bauunternehmen bedeuten die Diebstähle einen Schaden von bis zu 30 000 Euro jährlich. Reischl ist sich sicher, dass die Diebe in den meisten Fällen am Tatort gearbeitet haben oder noch immer arbeiten. Anders kann er es sich einfach nicht erklären, dass meist jene Container aufgebrochen werden, in denen auch etwas zu holen ist: von Metallabfällen, Bohrmaschinen über Telefone bis hin zu Computern. "Die Täter wissen genau, wo sie was finden."

Was also dagegen tun? Reischl ist ratlos, wie er ganz offen zugibt. "Die Diebstähle sind praktisch kaum zu verhindern. Die finden immer einen Weg." Seinen Facharbeitern hat er inzwischen die Arbeitsgeräte persönlich zugeteilt, damit sie darauf aufpassen. Vor Feierabend werden die Gerätschaften dann in Container gesperrt, die mit speziellen Sicherheitsschlössern verriegelt sind. Manchmal wird sogar ein Betonklotz vor die Tür geschoben, "aber dann steigen die Diebe halt einfach durchs Fenster ein", sagt Reischl. Mancherorts hat der Bauunternehmer inzwischen Kameras installiert. Die Kosten für eine Diebstahlversicherung seien so hoch, dass es billiger sei, die Diebstähle einfach hinzunehmen beziehungsweise zu versuchen, sich selbst zu schützen. Schließlich sei es in der Praxis unmöglich, die oft großen Baustellen rund um die Uhr adäquat zu überwachen.

Im Fall der zwei Männer aus Vilshofen, die in ihrer Heimat eine Elektrikerfirma betreiben, hat der Hinweis eines Arbeiters geholfen, der auf dem MD-Gelände für Rückbauarbeiten zuständig ist. Dem Mann war aufgefallen, dass immer wieder große Mengen an Kabelresten und Kupferschienen abhanden gekommen waren, obwohl diese zum Teil weggesperrt wurden. Als er eines Abends in der Nähe des MD-Geländes deren Lieferwagen gesehen hatte, fiel sein Verdacht auf seine zwei ehemaligen Arbeitskollegen aus Vilshofen. Die beiden Männer, 59 und 36 Jahre alt, räumten vor Gericht ein, in der Zeit zwischen Mai 2013 und Juni 2014 insgesamt vier Mal Kupfer vom MD-Gelände gestohlen zu haben. Um in die Räumlichkeiten vorzudringen nutzten sie vermutlich einen Schlüssel, den sie aus ihrer früheren Tätigkeit in der Papierfabrik noch besaßen. Bei ihrer jüngsten Tat wurden die Vilshofener schließlich von der Polizei, die sie inzwischen observiert hatte, geschnappt.

Amtsrichter Lukas Neubeck verurteilte den Vater und seinen Sohn zu acht beziehungsweise zu neun Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung. Auf die Frage nach seinem Motiv antwortete der jüngere der beiden Männer: "Es war halt so einfach."

© SZ vom 12.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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