Dachau:Perspektive für Flüchtlinge

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Berufsschule Dachau nimmt an bayernweitem Modellprojekt teil

Von Manuel Kronenberg

Dachau - Johannes Sommerer ist zufrieden. 16 Asylbewerber werden nach zwei Jahren Berufsvorbereitung Ende Juli an seiner Berufsschule in Dachau die Flüchtlingsklasse abschließen, vier von ihnen haben bereits eine Zusage für einen Ausbildungsplatz. "Das ist ein Erfolg", sagt der Schulleiter. Aber nicht alle Jugendlichen werden eine Lehrstelle finden, das sei ein schwieriges Ziel, erklärt Sommerer. "Zwei Jahre Vorbereitung ist sehr knapp. Man muss sich nur mal vorstellen, wie die Jugendlichen bei uns angekommen sind. Teilweise sind da Leute dabei, die noch nie zuvor eine Schule von innen gesehen haben." Eine fremde Kultur, eine fremde Sprache, eine ganz neue Welt komme da auf die Flüchtlinge zu. "Das ist für die ein riesiger Sprung."

Die Klassen sind teilweise sehr heterogen, sowohl was die Herkunft oder die Vorbildung betrifft. Deshalb werden 21 Berufsschulen in Bayern von September an in einem Modellprojekt die Unterrichtskonzepte optimieren. Das Projekt "Perspektive Beruf für Asylbewerber und Flüchtlinge" wurde von der Stiftung Bildungspakt Bayern, dem bayerischen Kultusministerium und der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft ins Leben gerufen. Diese Institutionen stellen auch erhebliche Ressourcen, sagt Sommerer. "Ich finde es toll, dass es dieses Modellprojekt gibt, dass wir ausgewählt wurden und Vorreiter spielen dürfen."

Die Staatliche Berufsschule Dachau ist eine von vielen Berufsschulen im Freistaat, die spezielle Klassen für Flüchtlinge eingerichtet hat, um diese für den Ausbildungsmarkt vorzubereiten. In Dachau gibt es momentan vier solcher Flüchtlingsklassen mit je 17 bis 18 Schülern. Ein Anfang. Doch nicht alle, die im berufsschulpflichtigen Alter sind, bekommen einen Platz. Schon jetzt gibt es Wartelisten. Im März wurde eine neue Klasse aufgenommen. Damals hätten mit denjenigen, die keinen Platz bekommen haben, ein bis zwei weitere Klassen gefüllt werden können. "Wir können kein Angebot auf die Beine stellen, das jeden einzelnen berücksichtigt", sagt Sommerer.

Dies wird wohl auch immer schwieriger werden, soll sich die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis doch bis Ende des Jahres verdoppeln. Sommerer schätzt: "Von den 1400, die dann bei uns Asyl suchen, werden etwa ein Viertel oder ein Fünftel berufsschulpflichtig sein." Grob gerechnet sind das 300 junge Leute. Angesichts dieser Entwicklung will Sommerer von September an zwei zusätzliche Klassen einrichten. Doch damit können nur etwa 35 neue Schüler aufgenommen werden. Die Wartelisten werden immer länger.

Michael Steinbauer, Vorsitzender des IHK-Gremiums Dachau-Fürstenfeldbruck, sieht die große Zahl an Asylbewerbern als Chance: "Wir sind eine schrumpfende Nation. Wir brauchen den Zustrom, wir brauchen Facharbeiter." Die Betriebe haben große Mühe, genügend Auszubildende zu finden, 200 Stellen sind in diesem Jahr im Landkreis Dachau noch unbesetzt. Da spielen die jungen, arbeitssuchenden Asylbewerber eine wichtige Rolle. Momentan sei die Zahl der Flüchtlinge, die eine Ausbildungsstelle haben, allerdings "verschwindend gering", sagt Steinbauer. Das liege auch daran, dass bei der Integration in den Ausbildungsmarkt noch viel mehr passieren müsse. Die Flüchtlingsklassen seien ein guter Anfang. Aber die Ausbildung reiche noch nicht aus, die meisten Flüchtlinge seien einfach noch nicht gut genug vorbereitet. "Wir hätten uns viel früher auf die vielen Asylbewerber einstellen müssen", sagt Steinbauer. "Das ist ein Versäumnis der Politik, und das wird die Wirtschaft zu spüren bekommen." Die Flüchtlingsklassen erfordern viel Arbeit. Pro Klasse werde ungefähr ein Vollzeitlehrer benötigt, sagt Schulleiter Sommerer. Ein großes Problem, sehen sich doch die Berufsschulen ohnehin schon mit Personalmangel und Raumnot konfrontiert. Erst in dieser Woche hat sich Jürgen Wunderlich in einem offenen Brief an Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) gewandt. Wunderlich ist Landesvorsitzender des Verbandes der Lehrer an beruflichen Schulen in Bayern (VLB). Er beklagt die angekündigten Unterrichtskürzungen im Bereich der beruflichen Bildung und fordert ausreichend Personal und finanzielle Mittel, um einen "Kollaps beruflicher Schulen" zu verhindern. In Dachau sei die Lage nicht ganz so dramatisch, sagt Sommerer. "Das würde ich auch gar nicht zulassen." Dennoch: "In der jetzigen Situation müssen wir schauen, dass wir für den Flüchtlingsbereich genügend Lehrer bekommen, damit kein Schaden in anderen Bereichen der Schule entsteht."

Er ist zuversichtlich, dass das Land Bayern die nötigen Mittel bereitstellen wird. Minister Spaenle antwortete bereits auf Wunderlichs Brief. "Den Hinweis des VLB nehme ich ernst." Spaenle verspricht, weiter daran zu arbeiten, dass zusätzliche Stellen an den Fach- und Berufsoberschulen entstehen. Ein wichtiger Schritt bei der Integration der Flüchtlinge in den Ausbildungsmarkt. Vom Idealziel, alle berufsschulpflichtigen Asylbewerber berücksichtigen zu können, ist man trotzdem noch weit entfernt.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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